Essen.. Probleme im Intimbereich von Warzen bis Tripper können mittels Ferndiagnose beurteilt werden. Essener Ärztin macht bei der App „Intimarzt“ mit.


Erkrankungen und Hautveränderungen sind nie gerne gesehen. Besonders ungelegen kommen sie aber, wenn sie im Intimbereich auftauchen. „Aus falscher Scham holen sich die Betroffenen oft erst spät ärztlichen Rat“, sagt Dr. Wiebke Sondermann, Oberärztin in der Dermatologie am Essener Uniklinikum. Sie hat gemeinsam mit Kollegen aus Süddeutschland eine Smartphone-App an den Start gebracht, mit der Patienten erstmals ihre Probleme digital und vor allem anonym von Fachärzten checken lassen können.

Peinliche Situationen werden vermieden

Ohne aus Sicht der Betroffenen vielleicht peinliche Situationen in einer Praxis. Ohne lange Wartezeit auf einen Termin. Vor allem aber ohne eine längere Ungewissheit mit womöglich fatalen Folgen, wenn es sich um eine ernste Erkrankung wie Krebs handelt.

„Intimarzt“ heißt das Programm, das seit wenigen Tagen kostenlos auf iPhones und Android-Handys geladen werden kann. Der Service ist auch am Computer über die Internetseite www.Intimarzt.de zu nutzen. Die Ferndiagnose funktioniert so: Der Patient fotografiert die Auffälligkeit in seinem Intimbereich und lädt drei Bilder hoch. Zudem muss er ein paar Fragen beantworten – alles anonym.

Service kostet 24,95 Euro pro Fall

Die Essener Ärztin Wiebke Sondermann ist für die wissenschaftliche Begleitung der App zuständig.
Die Essener Ärztin Wiebke Sondermann ist für die wissenschaftliche Begleitung der App zuständig. © Unbekannt | FUNKE Foto Services






„Innerhalb von 48 Stunden wird die Einschätzung eines Facharztes digital an den Patienten übermittelt“, sagt die Essener Ärztin, die sich um die wissenschaftliche Betreuung von „Intimarzt“ kümmert. Deutschlandweit können Patienten den Service nutzen, begutachtet werden die Fälle bislang allerdings ausschließlich von Ärzten aus Baden-Württemberg, das Gesetz will es so. Wiebke Sondermann geht aber davon aus, dass bald auch Kollegen aus Nordrhein-Westfalen mitmachen könnten.

24,95 Euro kostet der Service pro Fall, die Krankenkassen übernehmen die Kosten (noch) nicht. Sondermann hofft, dass die kleine Gebühr nebenbei davon abhält, die App zu missbrauchen – was angesichts der Thematik nicht ausgeschlossen scheint. Erfahrungswerte gibt es noch nicht, „wir müssen sehen, was passiert“.

Filzläuse, Tripper und Syphilis erklärt

Wer mag, kann in einem kleinen Lexikon bei „Intimarzt“ gleich nachlesen, welches die häufigsten Erkrankungen in der Gegend zwischen weiblichen oder männlichen Geschlechtsorganen und Anus sind. Von Pilzen und Warzen ist dort zu lesen, aber auch von Filzläusen, Tripper oder Syphilis. Das alles ist für Laien leicht verständlich und in einem angenehmen Ton erklärt, der den Umgang mit Problemen, über die man nicht gerne reden mag, etwas leichter macht.

Ganz wichtig aus Sicht der Ärzte hinter der Online-Diagnostik: Bei dem Angebot handelt es sich um eine erste Einschätzung und eine Handlungsempfehlung. Eine Therapie oder gründliche Untersuchung kann der „Intimarzt“, der sich als seriöse Alternative zum allzu oft befragten Dr. Google versteht, nicht ersetzen. Dennoch könne es vorkommen, so Wiebke Sondermann, dass dem Patienten der Arztbesuch komplett erspart bleibt, „wenn beispielsweise eine ungefährliche und leicht zu diagnostizierende Hautveränderung vorliegt, die mit frei verkäuflichen Arzneien behandelt werden kann“.

Bleibt eine Frage: Ist es nicht schwierig, gewisse Körperstellen, die etwas versteckt liegen, unfallfrei zu fotografieren? „Ach“, sagt die Essener Oberärztin, „die meisten Menschen sind doch geübt im Umgang mit Selfies. Mit etwas Geschick klappt das schon.“



>>PICKEL UND MUTTERMALE UNTER DER LUPE



  • Leiter der Diagnose-App ist der Heidelberger Universitätsmediziner Dr. Titus Brinker, der in einem engen Austausch mit der Essener Dermatologin Dr. Wiebke Sondermann steht. Der „Intimarzt“ ist nicht ihr erstes digitales Angebot für Patienten.
  • Bereits seit einigen Monaten bieten die selben Ärzte auch das Smartphone-Programm „AppDoc“ an, mit dem nach einem ähnlichen Prinzip Hautkrankheiten wie Muttermale, Pickel oder Ekzeme unter die Lupe genommen werden können.