Essen. 13 Essener Gebäude wurden für ihre Barrierefreiheit ausgezeichnet. Der Preis soll Firmen anspornen, Barrieren abzuschaffen. Doch das dauert noch.

Der Weg zur Post, zum Arzt oder Bäcker, womöglich noch mit öffentlichen Verkehrsmitteln – für gesunde Menschen ist kaum vorstellbar, wie kompliziert das sein kann. Straßenbahnen, in die man nur gelangt, indem man drei Stufen erklimmt, Bürgersteige ohne Absenkungen, die Bahn verspätet sich, doch die Verzögerung wird nur angesagt, nirgends angezeigt.

Am Freitag, 30. Oktober, hat die Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfe behinderter Menschen in Essen (AGSMB) zusammen mit der Stadt Essen 13 Gebäuden das Prädikat „Barrierefreiheit“ verliehen. „Der Preis soll die Inklusion fördern, Orientierung bieten für Menschen mit Behinderung und ein Ansporn sein für weitere Firmen, Barrieren abzubauen“, sagte die Vorsitzende der AGSMB Angela Ströter. „Wir haben in unserer 50-jährigen Geschichte schon viel erreicht. Gleichzeitig ist erschreckend, wie viel noch getan werden muss.“

Monika Elsner, Pfarrerin der Marktkirche, nimmt die Auszeichnung „Essen ohne Barrieren“ entgegen.
Monika Elsner, Pfarrerin der Marktkirche, nimmt die Auszeichnung „Essen ohne Barrieren“ entgegen. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener


Sie überreichte den Gewinnern die Plaketten, die sie an ihre Gebäude befestigen können. Unter den Gewinnern waren: Arztpraxen, ein Krankenhaus, Kirchen und ein Hotel. Die Funke Medien Gruppe wurde für ihre Zentrale ebenfalls ausgezeichnet.

Die Informationen sollen immer mindestens zwei Sinne ansprechen

Die Preise wurden in den Kategorien Bewegen, Sehen und Orientieren, Hören sowie Erklären und Verstehen vergeben. Für die Arbeitsgemeinschaft testen Menschen mit Behinderungen die Gebäude anhand von Checklisten. Barbara Overhaus, 51, hat die Gebäude in der Kategorie Hören getestet. „Ich achte besonders auf die Akustik“, sagt sie. „Wichtig für uns ist zudem, dass es überall hell ist.“ Was noch an vielen Stellen fehle, seien schriftliche Anzeigen. „Ansagen können wir ja nicht wahrnehmen.“

Angela Ströter ergänzt: „Wir schauen auch immer auf das sogenannte Zwei-Sinne-Prinzip.“ Das heißt, im öffentlichen Raum sollten Informationen mindestens zwei der drei Sinne Hören, Sehen und Tasten ansprechen. „Ich überprüfe bei den Kontrollen in Gebäuden, ob es Parkplätze für Behinderte gibt und wie breit die Türen sind“, sagt Vera Milaszewski, 61, die selbst im Rollstuhl sitzt. „Wichtig sind auch Haltegriffe auf Toiletten“, sagt sie. Und, dass man vom Rollstuhl aus alles bedienen und benutzen kann. Und Ralf Leitfeld, 66, der die Gebäude in der Kategorie Erklären und Verstehen untersucht hat, sagt: „Erklärungen müssen in leicht verständlicher Sprache sein. Piktogramme helfen uns sehr und auch unterschiedliche Farben für unterschiedliche Etagen, wie das in manchen Krankenhäusern ist.“

Die Marktkirche wurde in allen vier Kategorien ausgezeichnet

Die Marktkirche wurde als einer von zwei Gewinnern in allen vier Kategorien ausgezeichnet. „Wir haben schon seit den 1990er-Jahren die Kirche größtenteils barrierefrei umgebaut“, sagt Pfarrerin Monika Elsner. „Wir haben eine Rampe, eine Induktionsschleife im Boden, die man mit dem Hörgerät verbinden kann und keine Stolperfallen wie Teppiche.“ Auf dem Geländer der Kirche an der Treppe sind Zeichen eingelassen, an denen sich Blinde orientieren können. „Die Auszeichnung freut mich sehr, sie zeigt, dass wir ein offener Ort sind für alle Menschen.“ Sie wisse aber auch, dass damit nicht alles getan sei. „Wir können uns noch steigern, indem wir mehr Info-Broschüren in leicht verständlicher Sprache anbieten.“

Laut Angela Ströter muss in Zukunft besonders im öffentlichen Nahverkehr und in Arztpraxen nachgerüstet werden. „Nur etwa 30 Prozent aller Arztpraxen erfüllen unsere Kriterien – und davon die meisten nur in einer Kategorie.“ Das Ziel, dass in Essen alle Haltestellen am 1. Januar 2022 barrierefrei sind, werde nicht erreicht, sagt Ströter. „Leider fehlt der Ruhrbahn Personal und Geld.“ Ihre Hoffnung stütze sich darauf, dass Smartphones Menschen mit Behinderungen künftig noch mehr helfen werden, um ihre Wege zu finden.


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