Essen. OB Kufen hat Haushalte in Essen anschreiben lassen, in denen Personen ab 60 Jahren leben, um sie um die Einhaltung der Corona-Regeln zu bitten.

„Wir erleben mit der Corona-Pandemie eine große Herausforderung, die anders ist als Krisen, die wir bisher durchgestanden haben. Manche von Ihnen erinnern sich vielleicht noch an schlimme Zeiten des Kriegs, an die Nachkriegsjahre mit zerstörten Städten und knappen Ressourcen [...] Dennoch ist die aktuelle Corona-Krise ohne Beispiel“.

So beginnt der zwei Seiten lange, eindringliche Brief den Oberbürgermeister Thomas Kufen an rund 130.000 Essener ab 60 Jahren schicken ließ. Darin wiederholt Kufen zum Einen seine Bitte, auf Treffen mit Freunden, Bekannten und der Familie zu verzichten. Zum Anderen bereitet der OB die Angeschriebenen auf einen Fragebogen des Gesundheitsamts vor, der zusammen mit einer persönlichen Anrede des Gesundheitsdezernenten Peter Renzel in den kommenden Tagen an alle bisher auf das Virus getesteten Essener geschickt werden soll.

Die Generation 60 plus anzuschreiben und abermals an die Einhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen zu appellieren, sei dem OB ein persönliches Anliegen gewesen, berichtet Stadtsprecherin Jasmin Trilling. Ähnliches hatte bereits die Stadt Leipzig gemacht, die alle ihre Bürger über 65 an die Seuchenschutzverordnungen erinnerte. Denn gerade diese Generationen und Menschen mit Vorerkrankungen sind von dem Coronavirus besonders betroffen, so Kufen.

Stadt Essen bittet „Risikopersonen“ um Angaben zu ihrer Gesundheit

Deshalb bemühe sich die Stadt bereits seit Tagen, insbesondere Menschen in Pflegeeinrichtungen zu schützen. Nicht zuletzt auch, weil mindestens dreizehn der 26 Essener, die bisher in Verbindung mit dem Coronavirus verstorben sind, in Seniorenheimen lebten.

Darüber hinaus will die Stadt nun zusammen mit der Virologie und der Epidemiologie der Uniklinik Essen ein möglichst klares Bild davon zeichnen, wie sich das Coronavirus in Essen ausgebreitet hat und welche Maßnahmen dazu geführt haben könnten, dass die Zahl der aktuell Infizierten in Essen schon seit mehreren Tagen nicht mehr steigt, sondern sich auf niedrigem Niveau stabilisiert hat. Der Fragenkatalog des Gesundheitsamtes soll dafür die Datengrundlage liefern, die anschließend mit einer entsprechenden Software epidemiologisch am Computer ausgewertet soll.

„Ich lade Sie herzlich ein, an dieser Umfrage teilzunehmen. Sie helfen uns dabei, Sie als Risikopersonen noch besser vor einer Ansteckung mit dem Virus zu bewahren“, schreibt Kufen daher in seinem Brief an alle Essener über 60. Eine nicht ganz unproblematische Formulierung.

„Alte nicht pauschal zur Risikogruppe zählen“

Zuletzt ärgerten sich viele Essener Senioren darüber, pauschal zur Risikogruppe gezählt zu werden, obwohl sie gesund sind. Und auch Christiane Woopen, Beraterin von Ministerpräsident Armin Laschet, mahnte kürzlich im Interview mit dieser Zeitung davor, Junge und Alte gegeneinander zu stellen. „Die älteren Menschen haben nicht aufgrund des Alters ein höheres Gesundheitsrisiko, sondern aufgrund der häufigeren Vorerkrankungen. Wir sollten dazu übergehen, von Menschen mit Vorerkrankungen oder mit einem höheren Risiko zu sprechen, damit wir nicht einen Generationenkonflikt befeuern“, so die Ethikerin. Ältere Menschen kollektiv als eine Gruppe darzustellen, die geschützt werden müsse, halte sie gar für entmündigend.

Stadtsprecherin Jasmin Trilling erklärt auf Nachfrage, dass es natürlich nicht die Intention des Oberbürgermeisters sei, „alle Essener ab 60 über einen Kamm zu scheren“. Vielmehr habe sich Kufen bei der Auswahl seiner Briefempfänger an den Leitlinien des Robert-Koch-Instituts orientiert, wonach die Erwartung einer schweren Erkrankung ab 50 bis 60 Jahren deutlich steige.

Und so unterstreicht der Oberbürgermeister in seinem Brief nicht nur, dass er sich besonders darüber freut, wie viel Hilfsbereitschaft und Solidarität es in Essen gibt, er appelliert auch an die Älteren, diese Hilfe anzunehmen. „Lassen Sie Ihre Nachbarn, Freunde oder Freiwillige beispielsweise Ihre Einkäufe oder den Hundespaziergang durchführen. Halten Sie Ihre Gesundheit besonders gut im Blick.“

In den kommenden Tagen werden dann die ersten der mindestens 5200 Briefe von Gesundheitsdezernent Peter Renzel verschickt.