Essen. Vorgärten sind zu begrünen, gleichen aber auch in Essen immer öfter Steinwüsten. Das Land will dies unterbinden. Geht das so einfach?

Für die einen sind es „Gärten des Grauens“, für andere sind sie eine pflegeleichte Alternative zu Sträuchern und Blumenrabatten. Die Rede ist von Stein- und Schottergärten, von denen es auch in Essen augenscheinlich immer mehr gibt. Weil sich über Geschmack zwar streiten lässt, der ökologische Wert derart gestalteter Vorgärten aber gen null tendiert, will die Landesregierung per Gesetz dagegen vorgehen.

Eine Novellierung der Landesbauordnung wird für Mitte kommenden Jahres erwartet. Ob diese hält, was sich Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) davon verspricht, muss sich in der Praxis erweisen. Noch liegt der Gesetzestext nicht vor. Aber leise Zweifel sind erlaubt.

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Einen politischen Vorstoß in die beschriebene Richtung hatten die Grünen im Rat der Stadt bereits im vergangenen Jahr unternommen. Sie wollten die Gestaltung von Vorgärten stärker reglementieren. Der damaligen Ratsmehrheit aus SPD und CDU ging das zu weit. Sie setzte stattdessen auf bessere Einsicht der Hausbesitzer durch Informationen und Aufklärungsarbeit.

Bei den Koalitionsgesprächen zwischen CDU und Grünen waren Schottergärten Thema

Seit der Kommunalwahl sind die Karten im Rat neu gemischt. Bei den noch laufenden Koalitionsgesprächen mit der CDU brachten die Grünen das Thema Steinvorgärten erneut auf die Tagesordnung. Beide Seiten verständigten sich darauf, zunächst abzuwarten, was die Landesregierung vorlegen wird.

So lange greifen die bisher gültigen Regelungen, die allerdings reichlich Interpretationsspielraum offen lassen. Bei der Planung von Neubaugebieten legt die Stadt folgendes fest: Vorgärten sind „universell anzulegen und gärtnerisch zu gestalten“. Mineralische Bodenbeläge sind unzulässig mit Ausnahme von Wegen und Zufahrten. Die befestigte Fläche darf 50 Prozent des Vorgartens nicht überschreiten.

So weit, so gut.

Aber was heißt „gärtnerisch gestaltet“? Genügt es, wenn ein einzelnes Buchsbäumchen aus Schotterrasen herausragt? Es bleibt eine Definitionsfrage.

In Neubausiedlungen sind die Bewohner vital genug, um sich ums Grün zu kümmern

In Neubaugebieten sei die Gestaltung von (Vor-)gärten in der Regel gar nicht das Problem, sagt Ronald Graf, Leiter des Amtes für Stadtplanung und Bauordnung. Wer dort einzieht, sei meist jung und vital genug, um sich um das Grün rund ums Haus auch zu kümmern.

„Steingärten begegnen uns eher in älteren Siedlungen“, so Graf. Dort, wo die Bewohner betagt sind und ihnen das Unkrautzupfen und Heckenschneiden aufgrund ihres Alters schwer fällt.

Ob Neu- oder Altbau: Wer seinen Vorgarten gestalten will, muss sich an die Landesbauordnung halten. Darin heißt es in Paragraf 8: Nicht überbaute Flächen sind „zu begrünen oder zu bepflanzen“. Ab wann aber liegt ein Verstoß dagegen vor? Darüber lasse sich trefflich streiten, so Graf. Im Zweifel vor Gericht. Wolle man verhindern, dass sich Schotter- und Steingärten verbreiten, wie es die erklärte Absicht des Landes ist, bedürfe es einer Präzisierung.

In der Praxis werden Neubauten abgenommen, bevor der Garten angelegt ist

Die Landesregierung will zudem erreichen, dass Kommunen Regeln auch durchsetzen. Zu überprüfen, ob ein (Vor-)Garten tatsächlich begrünt ist, soll Bestandteil des Baugenehmigungsverfahrens werden. Zwar machen Bebauungspläne Vorgaben zu Freiflächen. Gängige Praxis ist jedoch, dass Neubauten – sobald fertiggestellt – abgenommen werden, damit Eigentümer oder Mieter möglichst schnell einziehen können. Aus gutem Grund, wie Graf findet. Wird der Garten doch in der Regel zuletzt angelegt.

Werden dagegen bereits bestehende Freiflächen neu gestaltet, bekommt die Bauaufsicht nicht einmal Wind davon. Eigentümer müssen es der Stadt nicht anzeigen. Um zu erfahren, dass jemand Verbotenes tut, bedürfe es streng genommen einer „Vorgartenpolizei“, gibt Ronald Graf zu bedenken. Oder aufmerksamer Nachbarn. Auch dann müssten Verstöße verfolgt und sanktioniert werden.

Bei der Ausgestaltung der neuen Landesbauordnung wird die Stadt Essen über den Deutschen Städtetag beteiligt. Graf ist selbst gespannt darauf, was dabei rauskommt. „So lange“, sagt der Leiter des Amtes für Stadtplanung und Bauordnung und meint Hausbesitzer, die sich Gedanken über ihren (Vor-)Garten machen, „appellieren wir an die Vernunft“.