Essen. Die Essener Politik sucht eine Strategie gegen die wachsende Zahl an Steingärten. Von strengeren Vorgaben für Hausbesitzer hält die Stadt nichts.

Stein um Stein: Es werden immer mehr. Die Zahl so genannter Steingärten wächst augenscheinlich auch in Essen rasant. Während die Politik darüber streitet, ob strengere Vorgaben sinnvoll sind, warnt die städtische Planungsverwaltung davor, Hausbesitzer über das bisherige Maß hinaus zu gängeln. Es sei denn, man wolle eine „Vorgartenpolizei.“

Über Geschmack lässt sich bekanntlich trefflich streiten. So bleibt es dem Betrachter überlassen, ob er steinerne Gärten schön oder abstoßend findet. Unstreitig ist: Wo kein Gras mehr wächst und Pflanzen nur noch zierendes Beiwerk sind, finden Insekten, Vögel und andere Kleinstlebewesen nicht mehr genug Nahrung. Regenwasser fließt schneller in die Kanalisation ab statt im Erdreich zu versickern. Scheint die Sonne, heizt sich die Luft schneller auf. Förderlich fürs Stadtklima seien die steinernen Wüsten nicht.

Im Zeichen des Klimawandels wird deshalb in vielen Städten heiß diskutiert, ob Steingärten nicht verboten werden sollten. So auch in Essen. Die Grünen wollen die Gestaltung der Vorgärten stärker reglementieren. CDU und SPD geht das zu weit. Sie setzen auf das Prinzip Freiwilligkeit und auf bessere Einsicht der Hauseigentümer. Handlungsbedarf sehen aber auch sie.

Vorgärten sind unversiegelt anzulegen und gärtnerisch zu gestalten

Untergegangen ist in der Diskussion, dass die Stadt längst Regelungen getroffen hat. „Vorgärten sind unversiegelt anzulegen und gärtnerisch zu gestalten.“ Diese Festsetzung sei bei der Aufstellung von Bebauungsplänen für Wohngebiete Standard, sagt Planungsamtsleiter Ronald Graf. „Mineralische Bodenbedeckungen sind unzulässig“, heißt es weiter. Davon ausgenommen sind nur Wege und Zufahrten. Maximal die Hälfte des Vorgartens darf befestigt werden.

Alles gut also? Offensichtlich nicht. Denn Steingärten lassen sich auch so anlegen, dass der Boden nicht komplett versiegelt wird. Und was ist eine gärtnerische Gestaltung? Genügt es, ein Buchsbäumchen in den Kies zu setzen? Kurz: Die Festsetzung für die Vorgartengestaltung lässt reichlich Spielraum für Interpretationen, wie auch Ronald Graf einräumt. Der Umstand, dass immer mehr Steingärten auftauchen, spricht dafür, dass Hausbesitzer diesen Spielraum auch nutzen.

Grüne: Die Stadt Essen soll sich ein Beispiel an Xanten nehmen

Rolf Fliß, umweltpolitischer Sprecher der Grünen, legt der Verwaltung deshalb nahe, sich an der Stadt Xanten ein Beispiel zu nehmen, deren Festsetzungen in Bebauungsplänen weitergehend sind. Vorgärten sind dort zu begrünen, mit Bäumen und Sträuchern zu bepflanzen und zu unterhalten, heißt es am Niederrhein. Befestigte Flächen sind auf „ein angemessenes Maß“ zu beschränken. Die Stadt Xanten unterlässt es zudem nicht daraufhin zu weisen, dass Vorgärten prägend für das Straßenbild sind. Auch ästethische Ansprüche spielen also eine Rolle.

Verschärfte Vorgaben würden allerdings nur für neu ausgewiesene Baugebiete gelten. Für alle anderen bliebe alles wie gehabt. „Für viele Gebiete in der Stadt gibt es gar keine Bebauungspläne“, gibt Ronald Graf zu bedenken. Dort hat die Stadt gar keinen Einfluss darauf, wie ein Vorgarten aussieht.

Und: Wie immer macht jede Regel nur Sinn, wenn sie auch eingehalten wird. Gängige Praxis ist, dass neue Wohnbaugebiete von der städtischen Bauaufsicht abgenommen werden, sobald die Häuser bezogen werden können. Die neuen Bewohner wollten schließlich möglichst schnell einziehen. Der Vorgarten sei das letzte, das gemacht wird. „Was dann dort passiert, kriegen wir gar nicht mehr mit“, räumt Ronald Graf ein.

Steingarten in der Gartenkultur

„Gärten des Grauens“ nennt der Naturschutzbund (NABU) Steingärten. Zu unterscheiden sei aber zwischen „Steinwüsten“ und „echten Steingärten“. Der NABU erinnert daran, dass letztere schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts Eingang in die Gartenkultur gefunden hat. Zweck eines Steingartens sei es, durch das Aufbringen von Kies oder Splitt einen optimalen Standort für Gebirgsflora und trockenheitsverträgliche Pflanzen zu finden. Ein Steingarten, der sich durch Vielfalt auszeichnet, könne daher durchaus artenreich sein.

Strengere Kontrollen der Bauaufsicht wären also erforderlich. Und auch dann wäre nicht sichergestellt, dass ein Hausbesitzer sein Grün vor der Tür nicht später durch Steine oder Beton ersetzt. „Wenn man das verhindern will, braucht man eine Vorgartenpolizei“, ist Ronald Graf überzeugt. Sinnvoller, meint der Chef des Planungsamtes, sei es, Hausbesitzer für die Folgen steinerner Vorgärten zu sensibilisieren.