Essen.. Susanne Klatt hat als Wachabteilungsleiterin die Oberhand über 190 Feuerwehrmänner in Essen. Von Vorurteilen und Klischees will sie nichts wissen. Auch wenn Frauen in der absoluten Minderheit sind, hat Klatt von noch keiner Feuerwehrfrau gehört, die ihre Berufswahl bereut.

Im Spiegel erhascht sie auf Zehenspitzen noch so eben einen Blick auf den Ansatz ihres Scheitels. Den habe wohl der fünf Köpfe größere Kollege aufgehängt, schmunzelt Susanne Klatt. Mit ihren zierlichen 1,65 Metern und dem blonden Pferdeschwanz entspricht die 40-Jährige nicht gerade dem Bild, das man mit der Berufsfeuerwehr in Verbindung bringt. Was sie jedoch nicht davon abgehalten hat, sich das knapp 200-köpfige Team einer der drei Wachabteilungen der Berufsfeuerwehr Untertan zu machen.

Aus dem gewöhnlichen Notrufbetrieb ist die studierte Sicherheitstechnikerin damit raus. Nur noch zu besonderen Einsätzen mit mehreren Löschzügen fährt sie als Wachabteilungsleiterin selber mit. 1000 Anrufe erreichen die Einsatzzentrale am Tag, davon 300 Krankentransporte, 600 Notrufe, und nur zwei oder drei Großeinsätze. „Wenn um zwei Uhr nachts die Sirene heult und das Licht angeht, drehe ich mich gerne noch einmal um“, lacht Klatt. Manchmal würden ihr die Einsätze aber auch fehlen.

Eine von sechs Frauen in Essen

Heute verbringt sie die Zeit hauptsächlich mit Organisation von Fortbildungen, Sicherheitsschutz und vor allem Personalgesprächen. Und dabei hilft es der Brandrätin, wie sie selber sagt: etwas mit Mario Barth gemeinsam zu haben – denn sie weiß wovon sie spricht, wenn es um die Kommunikation zwischen Mann und Frau geht. „Anfangs habe ich mich gefühlt, als sei ich im Ausland und verstehe die Sprache nicht richtig“, erinnert sich Klatt. Das habe wohl vor allem daran gelegen, dass Männer anders kommunizieren als Frauen. Mittlerweile habe sie sich aber an die Feuerwehrsprache gewöhnt. „Hier bekommt man klare Ansagen. Es wird nicht hinter dem Rücken getuschelt, sondern direkt ins Gesicht gesagt, wenn es Probleme gibt. Wer damit nicht klar kommt, ist hier falsch.“

Klatt ist eine von sechs Frauen bei der Essener Berufsfeuerwehr. Frauen in Leitenden Funktionen des Wachdienstes kann man in ganz Deutschland an einer Hand abzählen. „Das Problem ist, dass in den meisten Köpfen das Vorurteil steckt, dass Feuerwehrleute groß, stark und männlich sein müssen. Das beginnt schon bei Kindern, die mit dem Bild des Feuerwehrmannes aufwachsen.“ Diese Vorstellung sei unterbewusst so tief eingeprägt, dass Frauen im Normalfall überhaupt nicht auf die Idee kämen, sich für diesen Beruf zu interessieren. Die erste Frau in der Essener Berufsfeuerwehr habe bis 2004 auf sich warten lassen. In den vergangenen Jahren hat sich in Essen nicht eine Frau dem Einstellungstest gestellt.

FeuerTeamfähigkeit und mentale Stärke sind wichtig

Dabei könnten auch Frauen diesen Job sehr gut leisten. „Wir hätten gerne mehr Frauen. Aber nicht um jeden Preis“, sagt Klatt. Der körperliche Eignungstest sei in der Tat sehr hart. Selbst Männer würden reihenweise daran scheitern, mit einer 30 Kilogramm schweren Ausrüstung am Körper einen 130-Kilo-Mann zu bergen. Frauenvereine würden immer wieder anregen, den Test leichter zu machen. „Aber dann würden wir in der Praxis den Kürzeren ziehen“, erklärt Klatt. „Wir müssen uns auf die Fitness unserer Leute verlassen und bei Einsätzen schnell entscheiden. Da gehen wir nach fachlichen Qualifikationen und können nicht noch überlegen, ob jemand für einen Einsatz groß oder stark genug ist - egal ob Mann oder Frau.

Um die Fitness zu halten, müssten Frauen aber deutlich mehr tun, erklärt Susanne Klatt. Für die Männer reiche meistens der Sport, den sie ein bis zwei Mal pro Woche während der Dienstzeit machen. „Wir Frauen müssen auch in der Freizeit noch mal ran“, erklärt Klatt. Vor allem käme es aber auf Teamfähigkeit und mentale Stärke an. Gerade bei der Opferbergung müsse man schon einiges aushalten. Die Frauen, die sich einmal für den Beruf entschieden haben, seien aber zufrieden. „Ich habe noch von keiner Frau gehört, die ihre Entscheidung bereut hat“, sagt die Vorsitzende des bundesweiten Netzwerks Feuerwehrfrauen. Sie selber ging im zarten Alter von 17 Jahren mal bei Freunden mit zur freiwilligen Feuerwehr. Die Faszination hat bis heute angehalten.

RettungskräftePersönlichkeit ist wichtiger als das Geschlecht

Auch Susanne Klatt bekommt jedoch immer noch mal zu spüren, dass das Bild Frau und Feuerwehr in vielen Köpfen noch nicht zusammenpasst. „Es passiert, dass mich jemand anruft und mehrmals darum bittet mit dem Wachabteilungsleiter verbunden zu werden“, erzählt Klatt. Nach einer kurzen Pause käme dann die verlegene Ausrede: „Ach so, ich dachte, sie seien die Sekretärin.“ Klatt kann darüber selbstbewusst schmunzeln. In ihrem eigenen Team wird sie geschätzt und respektiert. „Und mit Mett und Frikadellen kann man hier jeden um den Finger wickeln“, lacht Susanne Klatt.

Eigentlich mag sie den Trubel um Frauen in der Feuerwehr ohnehin nicht besonders. Es ginge viel mehr um die Persönlichkeit, als um das Geschlecht. „Frauen gelten immer als empathischer als Männer“, sagt Klatt. „Das kann ich absolut nicht bestätigen. Wir haben hier viele Männer, die sich wirklich extrem einfühlsam um die Patienten kümmern.“ Es gäbe natürlich gewisse Situationen, wie zum Beispiel die Betreuung nach einer Vergewaltigung, wo es sicherlich sinnvoll wäre, Frauen einzusetzen.

Feuerwehr als "besseres Taxi"

Nicht zu unterschätzen sei insgesamt, dass es nicht unbedingt die spektakulären Einsätze sind, die die meiste Kraft kosten, sondern vor allem der tägliche Rettungsdienst, der körperlich zermürbt, erklärt Klatt. Immer häufiger käme es leider auch vor, dass sich die Feuerwehrleute als „besseres Taxi fühlten“, erzählt die Wachleiterin. „Das führt zu Frust“. Wenn etwa Jugendliche sich von der Disco mit einer Platzwunde abholen lassen und offen sagen, dass sie einfach nicht so lange in der Notaufnahme waren wollten, oder der Senior nach dem Notruf mit gepacktem Koffer vor der Tür steht und munter hinausposaunt, das Taxi werde ja nicht von der Krankenkasse bezahlt.

Die größte Herausforderungen seien die großen Einsätze, bei denen man innerhalb weniger Minuten einschätzen muss, ob man nun mit dem großen Besteck anrückt, oder auch ein einzelner Löschzug ausreicht, sagt Susanna Klatt. Manche Einsätze entwickelten sich auch erst vor Ort. „Wir sind mal zu einem Brand im Dachstuhl gerufen worden, bei dem wir davon ausgegangen sind, dass sich die Leute in den unteren Geschossen alleine in Sicherheit bringen können“, erzählt Klatt. Vor Ort habe sich herausgestellt, dass es sich um ein Haus für betreutes Wohnen handelte, mit gehbehinderten, blinden oder tauben Menschen. „Da habe ich kräftig geschluckt und sofort auf die Kategorie „Brand 3“ aufgestockt. In solchen Momenten bekommen wir dann auch selber mal zu spüren, wie ewig lange es sich anfühlt, wenn man auf die Feuerwehr wartet.“