Essen-Kettwig.. Für Ausstellungen, Veranstaltungen und Konzerte kann man die Scheidt’schen Hallen am Kettwiger Stauseeufer mieten. Zeitreise beim Rundgang durch Wollsortierung und Lisseuse.

Mit fliegenden Fingern haben einst dutzende Hände auf diesem Dachboden Schafsfelle sortiert. Hunderte Quadratmeter misst dieser Raum, der über den Scheidt’schen Hallen am Kettwiger Stauseeufer thront. Doch so öd und leer dieser riesige Boden, dessen Balken seit Anfang des 19. Jahrhunderts die Last des Daches tragen, auch ist, es ist ein magischer Ort der Stille. Licht fällt durch blinde Scheiben auf einen übergroßen Tisch, auf staubige Dielen und Ausstellungskataloge, die Künstler wohl in der Hast des Abbaus liegen ließen.

Nach der Krise des Jahres 1974, in dem viele Textilunternehmer kapitulierten und auch die Familie Scheidt den Betrieb in ihrer Kammgarnspinnerei aufgab, soll dieser Ort mit Relikten aus der Zeit der Industrialisierung nun Heimstätte der Kreativwirtschaft werden. So zumindest plant es die Eigentümerin Grundstücksgesellschaft Kettwig – zum Gefallen von Künstlern und Organisatoren.

 Ganz so einfach ist es aber nicht: „Wir werden für den künftigen Mieter umbauen.“ Die Halle wird verkleinert, die straßenseitige Mauer zu einem Arkaden-Gang geöffnet, die kleinen Fabrikfenster will man gegen eine großzügige Glasfront tauschen. Insgesamt 11.000 Quadratmeter hat Schnetger im Angebot. Eine Verwaltung unter Denkmalschutz, in die im Dezember Kreative ziehen, einen Wollsortier-Boden, der zu Mietwohnungen umgebaut wird, ein Mittelgeschoss mit Stauraum-Boxen, in dem einst Webdesigner, Architekten, Maler und Filmschaffende residieren sollen.

Binnen fünf Jahren, so plant die Grundstücksgesellschaft, soll der Umbau abgeschlossen, soll auch für das „Sorgenkind“, das alte Turbinenhaus, ein Zweck gefunden sein. „Das ist zwar ein fantastischer Raum“, sagt Schnetger, aber eben auch ein Raum, in dem mächtige Rohre vor Wänden verlaufen und Maschinen aus der Blütezeit der Kammgarnspinnerei große Flächenteile einnehmen. Bilder gibt es , auf denen die Wände kunstvoll illuminiert sind, Bilder von Tischen, die vor der Industriekulisse für eine Veranstaltung stilvoll eingedeckt sind. Dauerhaft, das weiß auch Schnetger, rechnet sich der Betrieb mit derlei Veranstaltungen nicht. Büros seien denkbar, aufgrund der Größe auch ein „Co-Working“, bei dem mehrere Mieter ein Gemeinschaftsbüro betreiben. „Wir wollen schließlich den Charakter der Halle erhalten“, sagt Schnetger. Kleinteiligkeit dank eingezogener Wände – kaum denkbar. Denn das in Teilen denkmalgeschützte Ensemble lebt von seinem einzigartigen Charakter – was die Entdeckung so reizvoll macht.

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