Essen. Viele Gäste scheinen auf das traditionelle Weihnachtsessen in der Gastronomie zu verzichten. Manche Wirte haben längst die Reißleine gezogen.

Martin Grahl hat die Reißleine gezogen. Der Inhaber der „Dampfe“ in Borbeck wird Montag, 20. Dezember, sein Brauhaus für dreieinhalb Wochen schließen. Grahl verzichtet damit auf das Geschäft an den Weihnachtsfesttagen und auch an Silvester. „Es gibt dieses Jahr kein Weihnachtsgeschäft“, sagt Grahl mit Blick auf die Umsätze, die er in den vergangenen Wochen gemacht hat und die er noch erwartet hätte. „Ich muss Schaden von meinem Betrieb abwenden“, sagt er nüchtern.

Auch die letzte Hoffnung, dass wenigstens die große Silvesterparty in der „Dampfe“ stattfinden kann, hat die Landesregierung spätestens am Donnerstag mit der neuen Coronaschutzverordnung zunichtegemacht. Öffentliche Tanzveranstaltungen an Silvester sind verboten. „Wir waren gut gebucht, haben jetzt aber alles abgesagt“, sagt Grahl verbittert darüber, dass die politische Entscheidung wieder einmal so spät kam. Die Plakate für die Party waren bereits gedruckt, der Florist beauftragt und die Band bestellt. Alles umsonst.

Reservierungen an den Weihnachtsfeiertagen gegenüber 2019 eingebrochen

André Krämer hat sein Restaurant „Lukas“ in Kupferdreh schon seit Ende November vorübergehend geschlossen. „Wir beugen uns vor den Zeichen der Zeit und schließen vorläufig ab dem 29. November“, steht seither auf seiner Homepage. Immerhin: Den Gänsebraten gibt es außer Haus.

Noch Anfang November hatte Krämer das Reservierungsbuch voll. „Doch als das Telefon unaufhörlich klingelte“ und eine Weihnachtsfeier nach der nächsten abgesagt wurde, entschied er sich zu diesem Schritt. Die Veranstaltungen, sagt er, brauche er, um das „`a la Carte“-Geschäft zu refinanzieren.

Andrè Krämer, Inhaber des Restaurants „Lukas“ im alten Bahnhof Kupferdreh.
Andrè Krämer, Inhaber des Restaurants „Lukas“ im alten Bahnhof Kupferdreh. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Wann das „Lukas“ wieder Gäste empfangen wird, ist noch offen. Klar ist aber: An den Weihnachtstagen bleibt zu, genauso an Silvester. „Die Nachfrage für Silvester war zwar groß, aber unter den aktuellen Vorgaben macht das keinen Sinn.“ Kein Tanz ins neue Jahr - „die Leute haben eine andere Erwartungshaltung“.

Diejenigen Gastronomen, die am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag dennoch öffnen werden, erwarten ein eher schwieriges Weihnachtsgeschäft. Die Reservierungsbücher sind zum Teil nur zur Hälfte gefüllt als zu Zeiten vor der Pandemie. „In der Vergangenheit sind wir binnen weniger Wochen komplett ausgebucht gewesen“, berichtet Gastronomin Helene Gummersbach. Dieses Jahr gibt es zwar wenigstens keinen Lockdown wie 2020. Doch die Gäste sind zurückhaltend. Der Blick ins Reservierungsbuch zeigt ihr: Am ersten Weihnachtsfeiertag ist das Restaurant Gummersbach noch ganz gut gebucht, am zweiten „ist es doch sehr ausgedünnt“.

Wirt der „Heimlichen Liebe“ in Essen muss Silvesterparty umplanen

Normalerweise bedient Wirt Stefan Romberg an den Weihnachtsfeiertagen die Gäste in zwei festen Schichten, um dem Ansturm Herr zu werden. Doch dieses Jahr kann jeder Gast in sein Wirtshaus „Zur heimlichen Liebe“ kommen, wann er will. Im Vergleich zu 2019 sind nämlich gerade einmal 50 Prozent der Tische reserviert. „Es ist großer Mist, dass das lukrative Weihnachtsgeschäft nicht stattfindet“, stöhnt er. „Die Leute sind verunsichert, haben keine Lust, rauszugehen.“

Stefan Romberg betreibt das Wirtshaus „Zur heimlichen Liebe
Stefan Romberg betreibt das Wirtshaus „Zur heimlichen Liebe" in Essen. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Seine Silvesterfeier will er trotz der Verschärfungen durchziehen. Schließlich sei der Tag einer der umsatzstärksten im ganzen Jahr. Die Party mit Buffet werde allerdings anders als geplant ablaufen müssen. „Der DJ wird jetzt nur Hintergrundmusik spielen, alles wird leiser und gediegener ablaufen“, so Romberg.

Jahresendgeschäft: Dehoga spricht von einer Katastrophe

„Es ist schlichtweg eine Katastrophe“, sagt Moritz Mintrop, Chef des Branchenverbandes Dehoga in Essen, mit Blick auf das diesjährige Jahresendgeschäft in der Gastronomie. Schon der November und nun auch der Dezember seien durch die vielen Absagen getrübt gewesen. Den Gastronomen fehlten diese wichtigen Einnahmen, die eigentlich helfen, die mauen Monate Januar und Februar zu überbrücken.

Die Gastronomen müssen daher spitz rechnen, ob sich für sie eher die Öffnung oder die Schließung lohnt. Denn sie können weiterhin Überbrückungshilfe des Staates beantragen. Doch Mintrop betont auch, dass diese nicht ausreichten, um die Ausfälle annähernd auszugleichen.

Gastronom Moritz Mintrop ist Dehoga-Chef und vertritt in Essen die Interessen seiner Branche.
Gastronom Moritz Mintrop ist Dehoga-Chef und vertritt in Essen die Interessen seiner Branche. © Unbekannt | Unbekannt

Der Dehoga-Chef kritisiert einmal mehr die Corona-Politik, die mit immer neuen Auflagen überrasche. „Bei allem Verständnis angesichts hoher Inzidenzen und der auftretenden Omikronvariante – aber das Durcheinander kann kein normaler Bürger mehr verstehen“, sagt er. Er rügt vor allem die Änderungen in den Coronaschutzverordnungen, die die Gastronomen äußerst kurzfristig träfen. „Das ist respektlos gegenüber uns Unternehmern.“

2G verhindert manche Familienfeier in Essener Restaurants

Mintrop hätte sich stattdessen einen klaren Fahrplan mit Blick auf Weihnachten und Silvester gewünscht. Aus seiner Sicht wäre ein kurzer, konsequenter Lockdown wohl die bessere Variante gewesen.

Auch die 2G-Regelung, die seit einigen Wochen in der Gastronomie gilt, hält die eine oder andere Familie dieses Jahr offenbar davon ab, Weihnachten zusammen im Restaurant zu feiern. Diese Erfahrung hat Marko Dobric, Mitarbeiter im Restaurant „12 Apostel“ in Werden gemacht. „Gerade größere Gruppen verzichten auf die Feier, wenn ein Familienmitglied nicht geimpft ist.“ Es ist ein Grund, warum die Reservierungen auch bei den „12 Apostel“ gerade einmal bei 50 Prozent des Vor-Corona-Niveaus liegen.