Essen. In Essen sollen „Intensivtäter Verkehr“ gebremst werden, so die Polizei, die eine Unfallbilanz für 2020 zog: weniger Crashs, weniger Verletzte.
Für notorische Nötiger, rücksichtslose Dauerraser und verkappte Rennfahrer auf Essens Straßen sollen merklich härtere Zeiten anbrechen: Die Polizei will die sogenannten „Intensivtäter Verkehr“, die wiederholt durch Straftaten auf meist vier Rädern auffallen, genauer ins Visier nehmen.
Ermittler sollen deren ständige Vergehen penibel dokumentieren, um die unverbesserlichen Regelbrecher in Zusammenarbeit mit einem speziellen Staatsanwalt nicht nur zur Kasse zu bitten, sondern vielmehr vor Gericht zu bringen. So soll das gemeingefährliche Treiben derjenigen ausgebremst werden, die sich sonst um keinerlei Sanktion scheren. Manche sind dauerresistent selbst gegen Fahrverbote: „Mit oder ohne Führerschein - die fahren weiter“, weiß Ulrich Sievers, Chef der Verkehrsdirektion der Polizei Essen.
Das Verkehrsaufkommen hat sich zwischenzeitlich nahezu halbiert
Vier „Kandidaten“, die nicht nur durch Ordnungswidrigkeiten, sondern gleich mehrfach durch Straftaten am Steuer aufgefallen sind, stehen bereits unter besonderer behördlicher Beobachtung in dem Programm, das in diesem Monat an den Start gegangen ist, sagte der Polizeidirektor, der am Mittwoch das Unfallgeschehen in der Stadt für das vergangene Jahr bilanzierte.
Der Tenor war weniger überraschend als die Ankündigung der konsequenteren Strafverfolgung, die Entwicklung eigentlich erwartbar: Unter Coronabedingungen mit nach Angaben der Polizei bis zu 45 Prozent weniger Verkehr zwischen Karnap und Kettwig haben sich in 2020 auch deutlich weniger Unfälle ereignet, es wurden folglich weniger Menschen verletzt. Dennoch war ein Todesopfer mehr zu beklagen als im Jahr zuvor.
Häufigste Unfallursache ist überhöhte Geschwindigkeit
Unfallursache Nummer Eins ist nach Sievers Überzeugung nach wie vor die überhöhte Geschwindigkeit. Und auch deshalb will man vor allem denen beikommen, die immer wieder zu heftig aufs Gaspedal drücken. Um jedoch aus einer Ordnungswidrigkeit auf der Straße eine Straftat machen zu können, braucht es mehr als nur den Nachweis, dass jemand mit 100 Sachen durch die Stadt gebrettert ist.
Wichtig ist zum Beispiel belegen zu können, dass ein Beschuldigter tatsächlich den Vorsatz hatte, auf einer bestimmten Strecke die höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Diese sogenannten Beschleunigungsrennen brauchen noch nicht mal einen Herausforderer in einem zweiten Auto. Zudem ist für eine Strafverfolgung die Prognose unverzichtbar, „das wird derjenige wieder tun“, so Sievers. Die Behörden betreten in solchen Fällen durchaus „juristisches Neuland“, sagte der Polizeidirektor nach einem Blick auf die Zahlen des vergangenen Jahres.
Drei Kinder verunglückten auf dem Schulweg
Im Vergleich zu 2019 ging die Zahl der Unfälle in 2020 um 2882 (-10,9 %) auf 23.473 zurück. Das ist der niedrigste Stand seit mindestens zehn Jahren - wie bei den Verunglückten, von denen die Polizei 1842 registrierte, was ein Minus von 363 bedeutet. Sieben dieser Unfallopfer starben, 298 wurden schwer, 1537 leicht verletzt. 307 (-24 %) der Verunglückten waren Fußgänger, 165 (-12,7 %) Kinder und 252 (-7,4 %) Senioren, „bei denen es nach Jahren des Anstiegs eine Trendwende gegeben hat“, so Sievers. Drei Kinder verunglückten auf dem Schulweg, nachdem im Jahr zuvor noch 24 zu Opfern des Straßenverkehrs geworden waren.
Doch die Coronaeffekte hatten auch ihre Schattenseiten: In geschlossenen Schulen war plötzlich keine Verkehrserziehung für mehr Sicherheit mehr möglich. Um dennoch an die Jüngsten im Straßenverkehr heranzukommen, drehte die Polizei Erklärvideos, die bislang immerhin 12.000 Mal angeklickt wurden. Durchaus ein Erfolg, der aber deutlich geschlagen wird von der sonst gängigen Praxis. In Essens vier Jugendverkehrsschulen werden jährlich 40.000 Kinder fit gemacht.
Die Polizei zählte deutlich mehr Unfälle mit Radlern
Die dort angebotenen Fahrrad- und Pedelec-Kurse fielen dem Virus größtenteils ebenfalls zum Opfer, während die Entwicklung der Unfälle mit den elektrisch unterstützten Drahteseln durchaus besorgniserregend ist: Der Verzicht auf den Öffentlichen Nahverkehr, mehr Homeoffice und die Suche nach alternativer Betätigung in Lockdown-Zeiten hat dazu geführt, dass sich die Essener vermehrt aufs Fahrrad geschwungen haben.
Zu viele von waren offenbar nicht wirklich sattelfest: Die Alleinunfälle, bei denen Rad- wie Pedelecfahrer verunglückten, stiegen gegenüber dem Vorjahr um 28 Prozentpunkte auf 137. Etwa jeder fünfte davon passierte mit einem E-Bike. Insgesamt zählte die Polizei 431 verunglückte Pedalritter. 2019 waren es 31, vor fünf Jahren sogar 170 weniger. 2020, sagt Sievers, war „ein ganz besonderes Jahr“ - auch auf Essens Straßen.