Essen. Eine Gruppe von Szenegängern rief das Ordnungsamt südlich des Hauptbahnhofs auf den Plan. Die Stimmung soll ungewöhnlich aufgeladen gewesen sein.

Die Stimmung soll besonders hitzig und der Trupp der Drogen- und Alkoholsüchtigen, die sich am Dienstag südlich des Essener Hauptbahnhofs an der Freiheit versammelten, beachtlich groß gewesen sein: 61 Platzverweise hat die Stadt nach eigenen Angaben gegen Szenegänger auf der Platte über der Autobahn 40 aussprechen müssen, auch um eine zunehmend aggressive Lage, wie es heißt, in den Griff zu kriegen.

Diese hohe Zahl von Maßnahmen an nur einem Tag an einer Örtlichkeit - „das ist Rekord“, sagte Essens Ordnungsdezernent Christian Kromberg am Mittwoch auf Nachfrage. Es sei unter anderem darum gegangen, verbotenes Lagern, Vermüllung und Betteln zu unterbinden - auch andernorts.

Zivilstreife des Kommunalen Ordnungsdienstes angebettelt

Denn zu dem Einsatz an der Freiheit kamen am Montag etwa 30 weitere Platzverweise gegen allzu forsch auftretende Mittellose ohne festen Wohnsitz, die nichtsahnend ausgerechnet die neue Zivilstreife des Kommunalen Ordnungsdienstes um eine milde Gabe angingen, aber auch gegen Obdachlose, Rauschgiftabhängige und etwa ein Dutzend Punker an den bekannten Treffpunkten entlang der Kettwiger Straße - von der Porschekanzel über die Marktkirche bis hin zum Burgplatz.

Als noch nicht so etablierter Treffpunkt gesellt sich neuerdings offenbar der Theaterplatz als Anlaufziel für die Innenstadtszene hinzu, hat das Ordnungsamt festgestellt.

Es ist keine neue Erkenntnis, wenn Kromberg in diesem Kontext betont, dass Platzverweise alleine auf Sicht keine Lösung für die bekannten Phänomene und möglicherweise auch neu aufkeimende in einer Großstadt-City sind. „Wir müssen uns Gedanken über nachhaltige Lösungen machen.“

Was für die Aggressionen gesorgt hat, ist unklar

Es mag ein erster Befund, wohl auch eine Befürchtung des Ordnungsdezernenten sein, dass nach einer längeren Phase der Ruhe neue Szenebildungen bevorstehen könnten, die zu verhindern sind. Oder gibt es nach der Momentaufnahme am Dienstag belastbare Erkenntnisse für die Einschätzung, dass augenscheinlich mehr Obdachlose und Suchtkranke in der Innenstadt anzutreffen sein könnten?

Nach Rücksprache mit Sozialarbeitern, die sich täglich ein Bild von der Situation ihrer Klientel auf der Straße machen, bestätigt Suchthilfe-Sprecher Frank Langer, dass am Dienstag unter den unter Drogen-, Medikamenten- und/oder Alkoholeinwirkung stehenden Szenegängern „spürbar Aggressionen in der Luft gelegen“ haben. Woran das gelegen haben könnte, wissen auch die Streetworker nicht genau.

Ein Grund könnte sein, dass die Aggressionen der Suchthilfe-Klientel durch die Belastungen und Ängste unter Corona insgesamt stärker geworden, wie bei allen anderen Menschen auch. „Da sind Junkies zum Gähnen normal“, sagt Langer. Selbst im Drogenhilfezentrum an der Hoffnungstraße seien mehr Hausverbote verhängt worden, um den ein oder anderen in die Schranken zu weisen.

Es sollen zusätzliche Streetworker-Stellen geschaffen werden

Dass die Szene in Essen gewachsen sei, kann die Suchthilfe nicht bestätigen, sie habe sich aber zum Teil mehr in Stadtteile wie Altendorf und Kray, aber auch Rüttenscheid und Kupferdreh verlagert. Ein neues „Konzept der aufsuchenden Sozialarbeit bei Drogenabhängigen und Substituierten“, wie es CDU und Grüne jüngst verlangten, ist deshalb in Arbeit. Mindestens 3,5 zusätzliche Streetworker-Stellen stehen dazu in Rede.

Sonst mag Langer keinen neuen Trend ausmachen und selbst Marc Heistermann, Geschäftsführer des örtlichen Handelsverband Westfalen Ruhr, hat von Gewerbetreibenden „nicht gehört, dass es auffallend schlimmer geworden ist“ auf Essener Straßen. Er habe vielmehr den Eindruck, „der Kommunale Ordnungsdienst hat das Thema gut auf dem Schirm“.

Christian Kromberg machte nach dem Eingreifen des Ordnungsamts am Montag jedenfalls deutlich, dass er womöglich eine „konzertierte Aktion“ unterschiedlicher Behörden und Institutionen gegen unerwünschte Entwicklungen für notwendig halte. Er wolle Gespräche über „mehr Zusammenwirken“ führen - auch, um zunächst eine Erklärung für das zu bekommen, was aktuell südlich des Hauptbahnhofs passiert ist.