Essen. Unter ordnungspolitischem Druck weichen Drogenabhängige in die Quartiere aus. Um darauf angemessen reagieren zu können, braucht es mehr Personal.

Wer in der Essener Innenstadt mehr ordnungspolitischen Druck gegen die Drogenszene aufbaut, muss in den Stadtteilen zwangsläufig für mehr soziale Hilfen sorgen. Denn Verdrängungseffekte durch den personell verstärkten Kommunalen Ordnungsdienst, haben in Altendorf und Kray, aber auch im Süden der Stadt wie etwa in Überruhr, Kupferdreh und Rüttenscheid einige kleinere neue Szenetreffs entstehen lassen. Stadt, Politik und Suchthilfe sehen nach Beschwerden von Bürgern inzwischen offenbar akuten Handlungsbedarf.

Die Fraktionen von CDU und Grünen jedenfalls haben die Sozialverwaltung jetzt damit beauftragt, das „Konzept der aufsuchenden Sozialarbeit bei Drogenabhängigen und Substituierten“ zu verbessern. „Die Betreuung, die Beratung sowie die Begleitung dieses Personenkreises in den Stadtteilen müssen aufgrund der sich verändernden Situation vor Ort entsprechend angepasst werden“, ist Dirk Kalweit, stellvertretender Vorsitzender und sozialpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Rat der Stadt, überzeugt. Wer mehr Ordnung wolle, müsse auch bereit sein, in den Ausbau sozialtherapeutischer Angebote zu investieren. Mit Repression alleine gehe es nun einmal nicht. Diese Erkenntnis dürfte in Essen inzwischen Allgemeingut sein.

Dreieinhalb zusätzliche Stellen gelten als Minimum

Was heißt: Es müssen einfach mehr Mitarbeiter bei den Sozialträgern eingestellt werden. Dreieinhalb zusätzliche Stellen für mehr Streetwork durch die Suchthilfe Essen und mögliche Kooperationspartner, die personell durch die Bank nicht auf Rosen gebettet sind, gelten nach Überzeugung der Christdemokraten und der Grünen dabei als das Minimum für einen sinnvollen Ausbau der aufsuchenden Arbeit. Das haben sie bereits in ihrer Kooperationsvereinbarung festgeschrieben.

„Wir beobachten, dass sich Drogenabhängige und Substituierte in Essen vermehrt an unterschiedlichen Treffpunkten in den Stadtteilen aufhalten. Es ist wichtig, hier auch auf aktuelle Entwicklungen in den Quartieren flexibel reagieren zu können“, sagt Sandra Schumacher, sozialpolitische Sprecherin der Ratsfraktion der Grünen.

Eine Gruppe Süchtiger lagerte in ausgehobenen Erdkuhlen

Die Zentrale der Suchthilfe Essen an der Hoffnungstraße 24.
Die Zentrale der Suchthilfe Essen an der Hoffnungstraße 24. © Funke Foto Services | Kerstin Kokoska

Beispiel Altendorf, wo vor Jahren selbst beim Bäcker Drogen zu kaufen waren: Nachdem sich die Situation nicht zuletzt durch ständige Polizeipräsenz vor allem gegen die Dealerszene im Stadtteil halbwegs beruhigt hatte, tauchte die Drogenszene zuletzt zumindest in kleineren Grüppchen wieder am Ehrenzeller Platz auf, und an der Grieperstraße hat bis vor kurzem ein Trupp von sechs Süchtigen in ausgehobenen Erdkuhlen im Schutze eines Gebüsches gelagert, weiß Tanja Winkelmann von der Suchthilfe.

Bei dem Klientel, das inzwischen wieder verschwunden ist, habe es sich um offenbar gestrandete Syrer und Rumänen gehandelt, die zuweilen sehr aggressiv aufgetreten seien. Den nahe gelegenen Spielplatz habe man aufgeräumt, Spritzen und anderes Material für den Drogenkonsum eingesammelt. Im Umfeld befindet sich auch eine Kita und ein Altenheim. „Die haben sich dort keinen guten Platz ausgesucht“, sagt Winkelmann.

Auf aktuelle Entwicklungen kurzfristig reagieren können

Noch ist das politisch gewollte Konzept für mehr Stadtteil-Sozialarbeit auf der Straße im Ideenstatus, die personellen Bedarfe sind nicht festgezurrt. Doch aus Sicht von Sozialamtsleiter Hartmut Peltz ist eins schon jetzt klar: „Es braucht so viele zusätzliche Kräfte, dass wir in der Lage sind, auf aktuelle Entwicklungen kurzfristig reagieren zu können“. Womöglich werden es am Ende auch mehr als 3,5 Stellen sein, was mehr als eine Verdoppelung der derzeitigen Streetworkerkräfte bei der Suchthilfe bedeuten würde.

Die SPD-Fraktion im Rat der Stadt hatte sich zuletzt für eine zentrale Anlaufstelle für die Klientel eingesetzt, die die in Holsterhausen konzentrierten Angebote des Substitutionsprogramms nutzt. Doch dieser Vorstoß der Sozialdemokraten lief ins Leere. Abgesehen von der zeitlich sehr begrenzten Schlange von 20 Menschen, die auf die Ausgabe ihres Drogenersatzstoffes warten und sich danach in kleinen Gruppen vorübergehend etwa am Holsterhauser Platz versammeln, gebe es objektiv keine Probleme mit den Betroffenen, ist man bei der Suchthilfe und im Sozialamt überzeugt.

Die gewollte Zentralisierung der Drogenhilfen nicht konterkarieren

Dort einen festen Treff einzutreffen, wäre teuer, weil personalintensiv, bräuchte ein eigenes Umfeldmanagement und würde am Ende die in Essen seit 1999 gewollte Zentralisierung der Drogenhilfeangebote doch nur konterkarieren, heißt es auch seitens der Stadt.

„Da machen wir in Holsterhausen besser mehr aufsuchende Arbeit, wenn nötig“, sagt Suchthilfesprecher Frank Langer: „Wir verscheuchen die Leute nicht, wir beraten sie vor Ort und verweisen sie an die weiterführenden Angebote in Stein“ - zum Beispiel in der Zentrale der Suchthilfe Essen an der Hoffnungstraße nahe der Innenstadt.

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