Essen. 2022 will die Ruhrbahn 110 Stellen im Fahrbetrieb in Essen und Mülheim neu besetzen. Gelingt dies nicht, drohen im schlimmsten Fahrtausfälle.
„Sie, 30 Tonnen schwer, 28 Meter lang, robust gebaut, sucht Dich für eine langfristige Partnerschaft. Bitte nur ernst gemeinte Zuschriften.“ Mit solchen „Kontaktanzeigen“ sucht die Ruhrbahn nach Straßenbahnfahrern. Auch für Linienbusse wird Fahrpersonal gesucht. Der Bedarf ist groß, im kommenden Jahr möchte das Nahverkehrsunternehmen 110 neue Fahrerinnen und Fahrer einstellen, 90 davon für den Linienbetrieb in Essen. Das Problem: Für die Ruhrbahn wird es immer schwieriger, genügend Bewerber zu finden, sagt Sprecherin Simone Klose.
Nein, von einem Fahrermangel könne keine Rede sein, betont die Ruhrbahn und zeichnet auf Nachfrage gleichwohl ein durchaus bedrohliches Szenario. Können die Stellen nicht besetzt werden, würde dies im schlimmsten Fall zu Fahrtausfällen führen. Eine Beruhigungspille gibt es gleich hinterher: Bisher sei es noch immer gelungen, genügend geeignete Bewerber zu finden. Auch für 2022 sei man deshalb zuversichtlich.
Schon 2021 hat die Ruhrbahn rund 100 neue Fahrerinnen und Fahrer eingestellt
Schon im laufenden Jahr hatte die Ruhrbahn rund 100 neue Fahrerinnen und Fahrer eingestellt. Insgesamt beschäftigt das Verkehrsunternehmen im Fahrbetrieb 1169 Mitarbeiter, davon 959 in Essen.
20 Beschäftigte scheiden im kommenden Jahr altersbedingt aus und verabschieden sich in den Ruhestand. Den restlichen Bedarf begründet die Ruhrbahn mit „normaler Fluktuation“ durch Versetzungen, Todesfälle, aber auch Kündigungen. Nicht jeder, der sich zum Bus- oder Straßenbahnfahrer ausbilden lässt, bleibt der Ruhrbahn treu. Auch andere Verkehrsunternehmen suchen Personal.
Die Ruhrbahn hat ihre Bemühungen deshalb noch einmal verstärkt. In einem neuen Imagefilm sollen Mitarbeiter um neue Kollegen werben. Seit November spricht das Unternehmen mit einer Rekrutierungskampagne gezielt potenzielle Bewerber an, die schon einen Busführerschein besitzen: „Hast Du Klasse D?“ Geworben wurde in Fahrzeugen, an Ticketautomaten und auch online. Mehr als 100 Bewerbungen seien bislang eingegangen.
„Kennenlerntage“ in den Betriebshöfen der Ruhrbahn fielen Corona zum Opfer
Geplante „Kennenlerntage“ an den Betriebshöfen fielen der Coronapandemie zum Opfer. Mit rund 70 Interessenten führte die Ruhrbahn aber Einzelgespräche. Ob sich der Bedarf an neuem Fahrpersonal tatsächlich wird decken lassen, bleibt abzuwarten. Erfahrungsgemäß erweist sich nicht jede Bewerberin und jeder Bewerber auch als geeignet. Und mancher, der nach dem Vorstellungsgespräch eine Zusage erhalten hat, schmeißt die Brocken von sich aus hin.
Dass es schwieriger wird, genügend qualifizierte Bewerber zu finden, diese Erfahrungen machen auch andere Verkehrsbetriebe, betont die Ruhrbahn. Die Gründe dafür seien vielfältig. Lange vorbei seien die Zeiten, in denen Verkehrsunternehmen ihr Fahrpersonal gerne unter jungen Männern rekrutierten, die die Wehrpflicht hinter sich und einen Lkw-Führerschein in der Tasche hatten. Die Ruhrbahn bildet ihre Fahrer selber aus.
Die Ruhrbahn in Zahlen
Die Ruhrbahn bedient in Essen und Mülheim ein Streckennetz mit einer Länge von insgesamt 555 Kilometern. Der Fuhrpark besteht aus 291 Bussen und 159 Straßenbahnen. Im vergangenen Jahr beförderte die Ruhrbahn rund 114.700.000 Fahrgäste, davon 94.333.000 in Essen.
Dass sie Schichtdienst schieben müssen, sollte jedem klar sein. Aber auch so ist der Job kein Zuckerschlecken. Mit dem steigenden Verkehrsaufkommen steigt der Stress. Fahrer müssen beim Einstieg Tickets kontrollieren und sich im Zweifel mit renitenten Fahrgästen auseinandersetzen. Nicht ohne Grund hat die Ruhrbahn schon vor einigen Jahren Deeskalationstraining in ihr Schulungsprogramm aufgenommen.
Einen Fachkräftemangel beklagen auch andere Branchen, gerade Lkw-Fahrer werden gesucht. Bewerber haben da die Qual der Wahl.