Essen. Lange regte sich in Essen kein Widerstand gegen Spaziergänge der Coronaleugner. Zwei Initiativen wollen das aber ab der kommenden Woche ändern.
Lange haben sie bei den Demos der Coronaleugner und Impfskeptiker in Essen zugesehen, doch inzwischen sind die Initiativen „Essen stellt sich quer“ und „Aufstehen gegen Rassismus“ überzeugt: „Es reicht!“ Nun also auch in Essen.
Beide Organisationen rufen deshalb für den 24. Januar zu einer Kundgebung mit prominenter Unterstützung ab 17.30 Uhr voraussichtlich in Rüttenscheid auf - wenn denn die wachsende Gruppe von Protestlern, die dort wiederholt montags durch den Stadtteil zieht, ihren Versammlungsort nicht erneut wechseln muss wie zuletzt am Montag (17. Januar).
Start- und Endpunkt für sie ist nicht wie bisher auf dem Rüttenscheider Markt, sondern auf dem Messeparkplatz P2, bevor die Demo quer durch Rüttenscheid geht, sagte Polizeisprecher Matthias Werk am Montag. Der Parkplatz biete einfach mehr Platz und damit mehr Möglichkeiten, Abstände einzuhalten.
Ab sofort gilt bei Versammlungen die Maskenpflicht
400 Teilnehmer seien angemeldet worden. Doch bereits in der vergangenen Woche zählten die Einsatzkräfte 450 „Spaziergänger“. Ab sofort gelten auch für sie strengere Regeln wie die Maskenpflicht. Die Rüttenscheider Bewegung ist damit aber noch weit entfernt von der kritischen Grenze der neuen Coronaschutzverordnung: Ab 750 Demonstranten müssten Veranstalter zudem die Einhaltung der sogenannten G-Regeln kontrollieren und auch ein eigenes Hygienekonzept vorlegen. Diese Hürden dürften die meisten wohl scheuen, heißt es bei der Polizei.
Wie groß der Zulauf letztlich auch immer sein wird, der Widerstand formiert sich: „Wir wollen ein starkes, lautes und buntes Zeichen der Zivilgesellschaft gegen Desinformation und Hetze setzen“, heißt es in dem gemeinsamen Aufruf der beiden Essener Initiativen, die Unterstützung bekommen von Marion Greve, Superintendentin der Evangelischen Kirche in Essen, sowie Professor Dr. Ulf Dittmer, Virologe am Uniklinikum Essen.
Beide sollen ihre Teilnahme bei der Versammlung zugesagt haben, die unter dem Motto „Zusammen gegen Leerdenken und rechte Hetze“ steht, heißt es bei „Essen stellt sich quer“. Die Betonung liegt in der Tat auf „steht“. Voraussichtlich wird dem Gegenprotest eine stationäre Versammlung in Sicht- und Rufweite der Coronaleugner verordnet, heißt es bei der Polizei.
Weitere Demos in Altenessen sind vage angekündigt
Auf Unterstützung von wissenschaftlicher Seite hat bereits die „1. Altenessener Kundgebung“ gebaut, die erstmals am Samstag mit rund 250 Teilnehmern „problemlos“, so die Polizei, auf dem Altenesser Markt über die Bühne gegangen ist. Bereits im Vorfeld als Gastredner angekündigt in den sozialen Medien war Martin Schwab, Jura-Professor an der Universität Bielefeld, der sich nach Auskunft von „Die Basis“ eben dieser Coronaleugner-Partei angeschlossen hat.
Ob es auch zu einer zweiten oder gleich mehreren Altenessener Kundgebungen kommen wird, kann die Polizei noch nicht sagen. Anmeldungen lagen bis Montagnachmittag nicht vor, es steht jedoch eine vage Ankündigung im Raum, dass es weitere Versammlungen dieser Art geben soll.
Gewerkschaft der Polizei sieht die Entwicklung mit Sorge
Damit zählen die Behörden inzwischen vier Gruppierungen, die ihren Protest gehen die Coronapolitik in Essen auf die Straße tragen: Dazu zählen die Montagspaziergänge in Rüttenscheid, eine Zusammenkunft von rund zwei Dutzend Teilnehmern immer samstags vor der Marktkirche, auf dem Willy-Brandt-Platz oder auf der Kettwiger, eine etwa 50-köpfige Gruppe, die sich jeweils freitags vor dem Rathaus einfinden will sowie die neue Altenessener Kundgebung.
Bei aller Vorfahrt für die Versammlungs und Meinungsfreiheit sieht Heiko Müller, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei für Essen und Mülheim, wo bereits regelmäßige Gegenproteste stattgefunden haben, die Entwicklung der sogenannten Spaziergänge in Essen mit Sorge: Sie bedeuteten eine weitere zusätzliche Belastung, binde vor allem Einsatzhundertschaften aber auch andere Abteilungen der Behörde. Trotz der hohen Impfquote von 98 Prozent bedeuteten solche Kundgebungen für die Beamtinnen und Beamten ein erhöhtes Gesundheitsrisiko, so Müller: „Auch die Polizei ist nicht unbesiegbar.“
An die Protestler, die gegen die Corona-Politik auf die Straße gehen, richtet der Essener GdP-Chef den dringenden Appell: „Sie sollten ganz genau hinschauen, mit wem sie da laufen. Allzu schnell werden die falschen Gruppierungen unterstützt“ - die, die auf dem Boden des Grundgesetzes ihre Versammlungsfreiheit nutzen, um dann den Staat in Frage zu stellen, der sie dabei schützt.