Duisburg. Stolze 163.000 Kilometer stehen auf dem Tacho von Günter Lemmen. Dabei hat der Duisburger (85) erst als Rentner die Liebe zum Rennrad entdeckt.
Eine Erdumrundung entspricht 40.075 Kilometern. Viermal hat Günter Lemmen das geschafft. Insgesamt stehen 163.000 Kilometer auf seinem Fahrrad-Tacho. Keine Kunst mit 85 Jahren, mögen erfahrene Radler nun sagen. Doch der Duisburger ist erst als Rentner auf dem Rennrad durchgestartet. „Vorher hatte ich ja keine Zeit“, sagt der Kaßlerfelder.
Für den Fototermin trägt Günter Lemmen sein Stahlrahmen-Klassiker aus dem Keller, die Marke Heigei, unter der Heinz Geiling seit 1956 seine Renner im Laden Buchenbaum verkaufte, ist in Duisburger Radlerkreisen eine Institution. Kurze Hose und das Trikot seines Herzensvereins MSV sind ebenso Ehrensache wie der Kopfschutz. „Auf dem Rennrad nie ohne Helm“, betont er.
Riesenglück bei Unfall mit Lkw am Duisburger Großmarkt
Der einzigen „Knautschzone“ des Radfahrers verdankt auch der gebürtige Duisserner sein Leben. Vor acht Jahren übersah ihn fast vor seiner Haustür an der Ampel am Großmarkt ein Lkw. Lemmen bleib bis auf ein paar Schrammen unversehrt. „Ich hatte Riesenglück“, sagt er. Nur noch Schrott war hingegen sein stählerner Eddy-Mercks-Renner.
Einer von nur zwei Unfällen in all den Jahren – ziemlich wenig für einen, der so lange flott unterwegs war. Auch der zweite Crash verlief für den damals 70-Jährigen glimpflich. Nachdem ihn ein Paket-Transporter in Ruhrort kurz vor der Friedrich-Ebert-Brücke aus dem Sattel geholt hatte, reichte ein Kurzbesuch in der Notaufnahme, um die Folgen zu verarzten.
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Auf den Geschmack gekommen war der gelernte Stahlbauschlosser 1979, als ihm ein Kollege jenen Eddy-Mercks-Renner verkaufte. Bei einer Testrunde zum Uhlenhorst ging‘s anschließend in rasender Bergabfahrt Richtung Bissingheim: „Der Tacho zeigte 85 km/h. So schnell war ich noch nie auf einem Fahrrad gefahren.“
Meistens allein unterwegs: Begleiter waren ihm zu langsam
Vorerst blieb es aber bei einer Wochenend-Liebe. Als Stahlbauschlosser arbeitete Lemmen zunächst bei den Esch-Werken, baute dann Krane bei Coles in Meiderich, nach der Pleite der Firma Ende der 1980er Jahre war er bis zur Rente als Kraftfahrer für die Wirtschaftsbetriebe Duisburg unterwegs. Für längere Touren blieb da nur Zeit im Camping-Urlaub in Südfrankreich.
„Danach hatte ich Zeit und das habe ich ausgenutzt“, berichtet er. Rechtsrheinisch rauf bis Wesel, linksrheinisch zurück, gen Süden bis Düsseldorf und linksrheinisch heimwärts, das waren die „Hausrunden“, die 85 Kilometer-Tour um den Baldeney-See eine weitere Revier-Tour des Dauerradlers.
Die Langdistanzen waren seine Sache nicht, besser kürzer, dafür mit knackigem Stundenmittel über 30 km/h. „Meistens allein“, berichtet er. Vereinzelte Begleiter hielten ihn zu lange auf. „Einer wollte schon an der ersten Bank Pause machen, ein anderer musste zum trinken anhalten“, erinnert er, „das hat ja ewig gedauert.“
Nach vier Runden um die Erde ist Schluss mit der Statistik
Mit der Jahrtausendwende beginnt auch die Statistik von Günter Lemmen. Akribisch in einer Kladde aufgelistet, findet sich dort Monat für Monat. Zwischen gut 300 und gut 1000 Kilometer ist er jeweils geradelt, machte pro Jahr zwischen 4300 und 8850 Kilometer. Mit 257 Kilometern aus dem vergangenen Dezember ist nun Schluss mit Statistik. „Macht insgesamt 163.000 und ein paar Kleine. Das reicht“, sagt Lemmen.
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Wie viel schon auf der Uhr stand, sei ihm erst nach der rechnerisch dritten Runde um die Welt bewusst geworden. „Da wollte ich die vierte natürlich auch noch schaffen“, schmunzelt er. Den bunten Heigei-Renner hat er allerdings schon seit dem Unfall vor einigen Jahren mit dem Tourenrad vertauscht. „Und jetzt bin ich mit einem Damenrad unterwegs“, verrät der 85-Jährige. Weil das Bein nicht mehr so behänd über den Sattel schwingt, hilft der tiefe Einstieg.
„Einen Batterie-Antrieb wollte ich nicht mehr“, sagt er. Nicht etwa, weil das unter eingefleischten Rennradlern als stillos gilt. Ein Routinier wie Günter Lemmen weiß: Wenn’s eng wird, gilt es vor allem für die betagteren Radler, rechtzeitig absteigen zu können.