Duisburg. Vor 50 Jahren wurden Rheinhausen, Walsum, Homberg, Rumeln-Kaldenhausen und Baerl nach Duisburg eingemeindet. Erinnerung an Widerstand und große Pläne.
Als Silvester 1974/75 die Sektgläser klirrten, verloren Rheinhausen (68.000 Einwohner), Walsum (47.000), Homberg (36.000), Rumeln-Kaldenhausen (15.000) und Baerl (4.000 als Stadtteil von Rheinkamp) ihre Eigenständigkeit.
Sie wurden mit Alt-Duisburg zusammengeschlossen. Das neue Duisburg brachte es damit auf 610.000 Menschen (zuvor 440.000), sein Gebiet auf 233 statt 145 Quadratkilometer.
Gebietsreform vor 50 Jahren: Nur die „kleine Lösung“ war politisch durchsetzbar
Die Neu-Duisburger hatten sich heftig dagegen gewehrt. Aber der NRW-Landtag in Düsseldorf hat im Mai 1974 über ihre Köpfe hinweg so entschieden. Auch die Verantwortlichen im Duisburger Rathaus fühlten sich nicht als Gewinner. Sie hatten ganz andere Pläne. Das Duisburg vom 1. Januar 1975 an war für sie nur die „kleine“ Lösung. Aber nur die war in Düsseldorf durchsetzbar.
In den 1960er Jahren hatten die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften mit der Vorstellung Aufwind, man könnte viel gezielter planen, wie die Menschen die Flächen nutzten und welche öffentlichen Einrichtungen es für sie geben sollte. Das setzte besonders gut ausgebildetes Personal voraus, das nur große Städte einstellen konnten. Also mussten die Städte größer werden.
Einflussreicher Strippenzieher: Franz-Josef Antwerpes (SPD)
Im Rathaus am Burgplatz existierte dafür ein Planungsstab. Dessen Chef war der Volkswirt Dr. Franz-Josef Antwerpes, später Regierungspräsident von Köln. Er gehörte ab 1970 für die SPD auch dem Landtag an und übernahm sogleich den Vorsitz des wichtigen Neugliederungsausschusses.
Schon 1968 hatte es Überlegungen gegeben, das ganze Ruhrgebiet zu einer einzigen Großstadt zusammenzuschließen. Die Alternative wären vier oder sechs neue Großstädte gewesen. Dann wäre Duisburg mit Oberhausen und Mülheim/Ruhr fusioniert.
Eingemeindung der linken Rheinseite sollte zwei Probleme lösen
Die Duisburger schielten mehr auf die linke Rheinseite. Sie wollten damit zwei Probleme lösen: den Verfall der alten Arbeitersiedlungen und die Stadtflucht, also die Neigung von immer mehr Duisburgern mit guten Einkommen, aufs Land zu ziehen und dort ein Eigenheim zu bauen. Sie arbeiteten zwar noch in Duisburg, gingen dort ins Theater oder ins Wedau-Stadion. Aber ihre Steuern zahlten sie woanders.
Zurück blieben die Menschen mit geringen Einkommen und immer mehr Gastarbeiter. Sie wohnten oft in Häusern mit Kohleöfen und Toiletten im Hof. Man wollte sie in die damals modernen Hochhäuser umsiedeln. Auch dafür brauchte man aber Platz. Duisburg drohe sonst die Verslumung, erklärte Antwerpes Anfang 1974.
Platz für Hochhäuser und Eigenheimsiedlungen
Diesen Platz, auch für Eigenheime, erhoffte man sich auf der linken Rheinseite. Indem man diese Orte Duisburg zuschlug, gingen der Stadt diejenigen nicht mehr verloren, die umgesiedelt würden, und jene, die im Eigenheim im Grünen wohnen wollten. Dabei waren die Erfahrungen mit Umsiedlungen weder in Duisburg (Zechensiedlung Neumühl, Hochhaussiedlung Hagenshof) noch in Homberg (Rheinpreußensiedlung, Kun-Hochhäuser) gut.
Um linksrheinisch aber viel Bauland zu gewinnen, hätte Duisburg über Moers hinaus bis nach Neukirchen-Vluyn ausgreifen müssen. Städte wie Homberg und Rheinhausen galten im Hinblick auf die Wohnverhältnisse selbst als Sanierungsfälle.
Mit der CDU-Opposition im Landtag war nur die „kleine“ Lösung zu machen. Sie wollte vor allem verhindern, dass mit dem ebenfalls diskutierten Zusammenschluss aller stark vom Bergbau geprägten Städte in Moers und Umgebung eine neue Problem-Großstadt entstand. Denn das Zechensterben war bereits in vollem Gange. Rheinhausen dagegen war mit Krupp, das damals noch blühte, eine gute Partie für Duisburg.
Großer Protest gegen Eingemeindung in Walsum und im Westen
Im Westen und in Walsum wehrte man sich. Bei einer Volksabstimmung mit fast 78 Prozent Beteiligung sprachen sich 1972 rund 98 Prozent der Walsumer gegen Duisburg aus. Mit Dinslaken wäre man freiwillig zusammengegangen.
An einem Volksbegehren gegen die Eingemeindungen Anfang 1974 beteiligten sich landesweit aber zu wenige Menschen, nur sechs statt mindestens 20 Prozent. Es war ungültig. In Homberg und Rheinhausen war die Beteiligung aber hoch, noch höher die Ablehnung, zu Duisburg zu kommen.
Die Gegner argumentierten, als künftige Vororte von Duisburg würden sie veröden, alles Geld werde in die Kernstadt fließen. Egon Schotters (SPD), Vize-Bürgermeister von Rumeln-Kaldenhausen, nannte die Auflösung seiner Gemeinde einen „Verrat am Grundgedanken der Demokratie“.
Die Duisburger hielten dagegen, die neue Einteilung in Stadtbezirke mit Bezirksämtern und -vertretungen werde den Stadtteilen ihr Eigenleben lassen. „Alle Dienststellen, die direkten Kontakt mit dem Bürger haben, bleiben am Ort“, versprach Duisburgs Rathauschef Dr. Ernst Caumanns.
Bezirksämter hatten einst viele Beschäftigte – und wurden dann gestrafft
Tatsächlich ging man 1975 mit sehr großen Bezirksämtern an den Start. Allein das neue Bezirksamt Rheinhausen hatte 454 Beschäftigte. Unter dem Druck leerer Kassen setzte dann eine straffe Zentralisierung ein. 2015 waren in allen sieben Bezirksämtern zusammen nur noch 165 Personen tätig.
Die Befugnisse der gewählten Bezirksvertretungen wurden dagegen nie ausgeschöpft. Sie wurden durch die Übertragung von Aufgaben auf die Wirtschaftsbetriebe Duisburg und das Immobilien-Management IMD weiter beschränkt.
Vor ihrer Auflösung stießen die Stadträte im Westen und in Walsum noch einige Bautätigkeiten an. In Rumeln-Kaldenhausen wurde ein neues Schul- und Kulturzentrum begonnen, in Walsum noch ein Jugendfreizeitheim beschlossen. In Rheinhausen legte der scheidende Bürgermeister Johann Asch den Grundstein für das Freibad Toeppersee.