Duisburg. Die Universität Duisburg-Essen hat einen der schnellsten Supercomputer der Welt in Betrieb genommen. Warum das für die Forschung so wichtig ist.

Sie haben es mit Wortspielen an der Universität Duisburg-Essen: Der letzte Supercomputer hieß MagnitUDE und ging 2016 ans Netz. Nebenan im neuen DVV-Rechenzentrum an der Wedau steht aber schon der neue Superstar: AmplitUDE schoss schon vor der Inbetriebnahme in die Top 500 der schnellsten Supercomputer der Welt hoch.

Er soll über die rund 4000-fache Geschwindigkeit eines durchschnittlichen Heimrechners verfügen, seinen Vorgänger überholt er um das Sechsfache. Dabei sieht die riesige Rechenpower von außen eher unspektakulär aus: Fünf mal fünf Meter blinkende und leuchtende, begehbare Schrankwand, darin sind über 29.000 Rechenkerne verbaut, 188 Terrabyte Hauptspeicher und spezielle Grafikkarten, verbunden mit gelben Kabeln, die zu armdicken Bündeln arrangiert sind.

So unspektakulär können Superstars aussehen: Der neue Hochleistungsrechner AmplitUDE der Universität Duisburg-Essen wirkt wie zwei sich gegenüber stehende Schrankwände, allerdings vollgestopft mit feinster Technik.
So unspektakulär können Superstars aussehen: Der neue Hochleistungsrechner AmplitUDE der Universität Duisburg-Essen wirkt wie zwei sich gegenüber stehende Schrankwände, allerdings vollgestopft mit feinster Technik. © FUNKE Foto Services | Daniel Attia

Supercomputer der Universität Duisburg-Essen: Gigantische Rechenleistung

Anschauliche Vergleiche hat Axel Auweter vom Hersteller Megware mitgebracht, um zu verdeutlichen, was dieser Superrechner kann: Um 2 Petabyte Rechenleistung zu erzielen, müsste die komplette Weltbevölkerung, die theoretisch in der Lage ist, einen Taschenrechner zu halten, also vielleicht 5,5 Milliarden Menschen, auf einem Taschenrechner eine Million Rechnungen eintippen – pro Sekunde. Würde man die Inhalte des Hauptspeichers ausdrucken, käme man auf über acht Milliarden Blatt Papier – in Schriftgröße 5, also winzig beschrieben. Aufgestapelt wiederum wäre der Turm 900 Kilometer hoch, „und die ISS müsste drumherum fliegen“, so Auweter.

Mit dem Supercomputer sollen Wissenschaftler künftig schneller Daten aus der Medizin analysieren und sie für Diagnosen und Therapien nutzbar machen können. AmplitUDE soll außerdem bei der Entwicklung großer KI-Sprachmodelle helfen und naturwissenschaftliche Modelle simulieren. Auch Forscher der Geistes- und Gesellschaftswissen könnten das High Performance Computing nutzen, betont Uni-Rektorin Barbara Albert.

Energieeffizienter und nachhaltiger Großrechner

Bei den Reden zur Einweihung war vermutlich keine KI im Spiel, alle loben die nun mögliche „Forschung auf allerhöchstem Niveau“, die Leistungssteigerung: Wissenschaftsministerin Ina Brandes verzichtete denn auf ihre ebenfalls identischen Grußworte und erklärte lieber spontan, wie wichtig es sei, große Rechnerkapazitäten im Land vorzuhalten. Auch aus ethischer Sicht könne man künftige Entwicklungen im Bereich KI nicht nur Großkonzernen überlassen.

Bei der Einweihung von amplitUDE betonte Ina Brandes, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW, dass es auch aus ethischer Sicht wichtig sei, große Rechnerkapazitäten im eigenen Land vorzuhalten.
Bei der Einweihung von amplitUDE betonte Ina Brandes, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW, dass es auch aus ethischer Sicht wichtig sei, große Rechnerkapazitäten im eigenen Land vorzuhalten. © FUNKE Foto Services | Daniel Attia

Der neue Supercomputer AmplitUDE sei nach Testläufen bereits in einer weiteren Bestenliste zu finden, betont Albert: Duisburg ist künftig in der Green 500-Liste vertreten, weil er zu den „energieeffizientesten und damit nachhaltigsten Großrechnern der Welt“ gehört“.

Die Besonderheit ist einen Meter dick im Boden des Rechenzentrums in Wedau verbaut und macht stellenweise einen Marilyn-Monroe-Effekt, wenn man über die Gitter läuft: Es handelt sich um eine Heißwasserkühlung. Was klingt wie ein Widerspruch in sich, ist effektiv: Fernwärmewasser der Stadtwerke kommt mit einer Temperatur von 45 Grad am Gebäude an, kann damit die Prozessoren kühlen und fließt umso heißer wieder heraus, sodass die Anwohner des neuen Stadtquartiers 6-Seen-Wedau damit künftig ihr Badewannenwasser heizen können, erklärt Prof. Andreas Kempf vom Center for Computational Sciences and Simulation der UDE.

Uni-Rektorin Prof. Dr. Barbara Albert bei der Einweihung des neuen Hochleistungsrechners.
Uni-Rektorin Prof. Dr. Barbara Albert bei der Einweihung des neuen Hochleistungsrechners. © FUNKE Foto Services | Daniel Attia

Rund sieben Millionen Euro Fördermittel für den Supercomputer

Für die Finanzierung gelang es den Wissenschaftlern, mit einem Großgeräteantrag Gelder bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Land NRW locker zu machen. Über 6,5 Millionen Euro sind es laut Land, über sieben Millionen laut UDE. Die frisch gegründete Fakultät für Informatik steuerte weitere 1,3 Millionen Euro hinzu, um Modelle Künstlicher Intelligenz zu berechnen.

Vier Jahre dauerte es von der Antragstellung bis zur Umsetzung, sagt Kempf. Man habe dafür bei der DFG in einem harten Wettbewerb gestanden, eine hohe „internationale Sichtbarkeit“ der Forschenden sei wichtig gewesen.

Künftig werde AmplitUDE in einem „fair share system“ genutzt, erklärt der Professor: Mit entsprechenden Zugängen kann man ihn von jedem Uni-Rechner aus ansteuern. Es werde Warteschlangen geben und wer den Rechner extrem viel genutzt hat, muss danach länger warten, bis er wieder dran ist.

In das neue Rechenzentrum würden drei weitere Supercomputer passen

AmplitUDE wird mindestens sechs Jahre der Forschung dienen können. Weil die Kühlinfrastruktur „so innovativ und effektiv ist“, werde es dann vielleicht reichen, „nur“ den Computer auszutauschen, hofft Kempf.

Auch interessant

Personalintensiv ist der Betrieb nicht. Im gut gesicherten Rechenzentrum sind nur eine Handvoll Mitarbeiter beschäftigt. Aufwändiger sei die Schulung der Benutzer, erklärt Michael Vetter vom Zentrum für Informations- und Mediendienste der Uni. Das Gebäude sei mit reichlich Ausbaureserven für die nächsten 30 Jahre geplant worden, betont er. „Hier würden drei weitere Supercomputer hereinpassen.“

Auch interessant