Duisburg. Beschäftigte von Siemens Energy in Duisburg sind dem Aufruf der IG Metall zum Warnstreik gefolgt. So groß sind aktuell ihre Sorgen.
Pünktlich um 11.30 Uhr strömen viele Beschäftigte von Siemens Energy in Duisburg nach draußen. 250 bis 300 von insgesamt 1850 sind es nach Schätzungen des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden Werner Schriever, die sich bei Sprühregen unter dem Vordach in Hochfeld versammeln. Die IG Metall hat in der Tarifauseinandersetzung mit dem Arbeitsgeberverband Metall NRW zum Warnstreik aufgerufen.
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Auch Werner Bartos (62), seit 46 Jahren am Standort, ist gekommen: „Das aktuelle Angebot der Arbeitgeber ist ein Schlag ins Gesicht.“ 1,7 Prozent mehr Lohn ab Juli 2025 und 1,9 Prozent ab Juli 2026 bei einer Laufzeit von 27 Monaten sollen es sein.
Warnstreik bei Siemens in Duisburg: Was Mitarbeiter aktuell bewegt
Das sei inakzeptabel, das Geld schon jetzt knapp, sagt Bartos. „Ich muss gucken, wo ich einkaufen gehen kann und ständig Preise vergleichen. Ein großer Urlaub ist nicht drin, höchstens mal ein verlängertes Wochenende an der Ostsee“, so der 62-Jährige, der aktuell Arbeitspläne vorbereitet als Fertigungsplaner. „Aber in Altersteilzeit. Da fehlen mir so schon ein paar hundert Euro.“
Muhammad Abou Alolul (19) steht ein paar Meter entfernt. Er sei extra aus Schleswig-Holstein nach Duisburg gezogen, um sich bei Siemens Energy ausbilden zu lassen – zum Industriemechaniker und im Rahmen des dualen Studiums auch zum Maschinenbauer. Er beteiligt sich gerne am Warnstreik. Schließlich fordert die IG Metall neben sieben Prozent mehr Entgelt auch 170 Euro mehr Ausbildungsvergütung.
Dies sei dringend notwendig. „Ich lebe allein, die Miete für die Wohnung ist hoch. Die Nebenkosten sind gestiegen, aber auch die Lebensmittelpreise“, sagt der 19-Jährige im ersten Lehrjahr. „Ich merke schon, dass es am Ende des Monats mit dem Geld knapp wird.“
„Das Geld reicht vorne und hinten nicht.“
Dies hat auch André Gollosch (54) feststellen müssen. „Es reicht vorne und hinten nicht. Meine Frau hat nach 34 Jahren den Arbeitgeber gewechselt – allein aus finanziellen Gründen“, berichtet der Mann, der bei Siemens als Kolonnenschieber, als Fertigungsbetreuer für die Lackieranlage arbeitet. Es gehe gar nicht um Urlaube, sondern um die laufenden Kosten.
„Ich bin Familienvater, habe zwei Kinder. Der eine Sohn studiert Jura, der andere hat eine Ausbildung hier bei Siemens angefangen“, erzählt er. „Eine eigene Wohnung ist da für ihn nicht drin. Er ist froh, wenn er die Spritkosten fürs Auto bezahlen kann.“
Kita-Kosten schlagen ins Kontor
Bei Lisa Reiff (31), seit 2009 bei Siemens, aktuell im Einkauf tätig und Mutter eines zwei Jahre alten Sohnes, sind es die Kita-Kosten, die schwer ins Kontor schlagen. „Wir wohnen in Dinslaken. Da sind die Gebühren sehr hoch. Außerdem arbeite ich in Teilzeit. Wir haben ein kleines Haus. Das muss alles finanziert werden.“
Deshalb streikt auch sie mit. Die 31-Jährige kann das Angebot der Arbeitgeber in der Tarifauseinandersetzung überhaupt nicht nachvollziehen. „Unsere Auftragsbücher sind voll. Und trotzdem bekommen wir gefühlt nichts zurück“, sagt sie.
„Die Auftragsbücher sind voll. Und trotzdem bekommen wir gefühlt nichts zurück.“
So sieht das auch Alina Schmiemann (31), freigestellte Betriebsrätin und derzeit in Elternzeit. „Wenn es Siemens aktuell wirtschaftlich so schlecht gehen würde wie vor einigen Jahren, hätten wir jetzt vielleicht sogar zähneknirschend das Angebot der Arbeitgeber angenommen. Aber so ist es eine Frechheit“, betont sie. „Dem Unternehmen geht es doch gut.“
Die 31-Jährige hat ihren sieben Monate alten Sohn Lenny im Kinderwagen mit zum Warnstreik genommen. Ihre Tochter Ella (4) geht in die Betriebs-Kita bei Siemens. „Ich sehe das so: Bevor man sich ein Kind erlaubt, muss man heutzutage anfangen zu sparen. Und das muss ich derzeit mit Elterngeld sowieso schon.“
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Die Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie geht in die heiße Phase. Die IG Metall begrüßt, dass die Arbeitgeber über eine Verbesserung der Freistellungszeit sprechen wollen und bei der Ausbildungsvergütung eine überproportionale Erhöhung anstreben.
„Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber bei dem Entgeltangebot sind die Arbeitgeber noch kilometerweit von der Forderung für die Beschäftigten und Auszubildenden entfernt“, betont Martin Schriever, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender bei Siemens Energy, auch mit Blick auf die noch erwartete und die hohe Inflation der vergangenen Jahre.
Mitarbeiter der Schiffswerften streiken ebenfalls
Die dritte Verhandlung mit dem Arbeitgeberverband Metall NRW ist für Donnerstag, 31. Oktober, in Neuss terminiert. An diesem Tag beteiligen sich die Neue Ruhrorter und die Meidericher Schiffswerft ebenfalls an den Streikaktionen, die in dieser Woche an verschiedenen Standorten laufen.