Essen. Die Warnstreiks der IG Metall haben in der Nacht begonnen. Welche Betriebe in NRW betroffen sind und wie es mit den Verhandlungen weitergeht.

Mit dem Ende der Friedenspflicht ist in der Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie tatsächlich Schluss mit lustig: Die IG Metall hat ab 0:01 Uhr am Dienstagmorgen bundesweit zu Warnstreiks aufgerufen. Auch in NRW und im Ruhrgebiet sind seit Mitternacht die Beschäftigten zahlreicher Betriebe zu Arbeitsniederlegungen und Kundgebungen aufgerufen. Die Gewerkschaft will damit vor der dritten Verhandlungsrunde den Druck auf die Arbeitgeber erhöhen, mehr anzubieten. In NRW treten sich die Tarifparteien an Halloween in Neuss gegenüber.

Allein die schiere Masse der Menschen, um deren Löhne es geht, gibt dem Tarifkonflikt der Metall- und Elektroindustrie eine zentrale Bedeutung für die gesamte deutsche Wirtschaft: Knapp vier Millionen Beschäftigte bundesweit und 700.000 in Nordrhein-Westfalen pochen ihren Verhandlungsführern zufolge auf ein kräftiges Lohnplus von sieben Prozent für zwölf Monate. Die Arbeitgeber bieten bisher 3,6 Prozent in zwei Schritten bei einer Laufzeit von 27 Monaten. Für die Monate Oktober bis Juni 2025 soll es gar keine Erhöhung geben.

IG-Metall-Chef Giesler: „Werden nun massiv mit Warnstreiks Druck machen“

Aus Sicht der Gewerkschaft liegen Forderung und Angebot zu weit auseinander, um ohne Warnstreiks weiterverhandeln zu können. „Das Angebot der Arbeitgeber ist unzureichend. Wir wollen mehr Entgelt. Dafür werden wir nun massiv mit Warnstreiks in den Betrieben Druck machen“, erklärte Knut Giesler, Verhandlungsführer und Chef der IG Metall in NRW.

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Zu Arbeitsniederlegungen aufgerufen hat die IG Metall in NRW die Beschäftigten von 129 Betrieben. In der Nacht von Montag auf Dienstag beginnen die Warnstreiks in zahlreichen Betrieben mit Fackelzügen, zum Beispiel beim Automobilzulieferer Benteler in Dinslaken, wo die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um 0:10 Uhr ihren Arbeitsplatz verlassen und vor das Tor 2 kommen sollen.

In Eschweiler versammelten sich am Dienstagmorgen Beschäftigte zu einem „Warnstreikfrühstück“, wie Martin Peters von der IG Metall Düren-Stolberg auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur sagte. An der Versammlung würden sich schätzungsweise über 300 Beschäftigte aus 17 Betrieben beteiligen. „Zudem bleiben viele Beschäftigte zu Hause, um zu streiken“, betonte er.

Am Tage kommen Beschäftigte von drei Dortmunder Betrieben ab 9 Uhr zu einem gemeinsamen Warnstreik vor dem Betrieb des Anlagenbauers KHS zusammen. In Duisburg wollen die Beschäftigten des Siemens-Energy-Werks um 11:30 Uhr zu einer Kundgebung vor das Tor 1 ziehen. In Unna sollen die Beschäftigten des Bremsenspezialisten Stromag und des Werkstoffherstellers Zapp die Arbeit am Mittag niederlegen und sich zu einer Kundgebung vor dem Zapp-Gelände zusammenfinden. Darüber hinaus hat die IG Metall in weiteren 50 Betrieben zu Arbeitsniederlegungen aufgerufen, mit Schwerpunkten in Westfalen und dem Rheinland.

Tarifrunde in der Krise: Die Autoindustrie zieht Zulieferer mit runter

Dass diese Tarifrunde schwieriger und härter als andere werden würde, war bereits vor dem Start der Verhandlungen im September absehbar. Denn die deutsche Industrie steckt in der Krise, Aufträge und Produktion sind in diesem Jahr je nach Branche teils deutlich gesunken. Besonders schlecht geht es derzeit der Autoindustrie, ihren vielen Zulieferern, die in NRW vor allem in Südwestfalen stark vertreten sind, und dem Maschinenbau. Licht am Ende des Konjunkturtunnels vermeldete zuletzt lediglich die Elektroindustrie.

Die Arbeitgeber mahnen deshalb zur Zurückhaltung, in Baden-Württemberg hatten sie anfänglich gar eine Nullrunde gefordert. Die Gewerkschaft betont dagegen, es gelte, die Kaufkraft zu stärken, um so auch die Konjunktur anzukurbeln. Die für jeden zehnten Beschäftigten in Deutschland geltenden Löhne seien keine Belastung für den Standort, sondern „ein Chancenfaktor für das gesamte Land“, gab IG-Metall-Chefin Christiane Benner den Ton vor.

Arbeitgeber bieten 3,6 Prozent – aber für mehr als zwei Jahre

In der zweiten Runde Mitte Oktober legten die Arbeitgeber ihr erstes Angebot vor. Es sieht zunächst eine Nullrunde für neun Monate vor, eine Erhöhung der Entgelte um 1,7 Prozent ab Juli 2025 und um weitere 1,9 Prozent ab Juli 2026. Dies für eine Laufzeit von 27 Monaten, also bis einschließlich Dezember 2026. Das wäre auf die übliche Laufzeit von einem Jahr gerechnet am Ende eine tabellenwirksame Erhöhung um rund 1,5 Prozent, freilich mit einer langen Anlaufzeit ohne Erhöhung.

Das vor allem lehnt die IG Metall ab. „Die Entgelterhöhungen kommen deutlich zu spät, sie sind viel zu niedrig und die Laufzeit ist zu lang“, sagte NRW-Bezirksleiter Giesler und betonte, die Beschäftigten würden die gesunkene Kaufkraft „aufgrund der hohen Inflation der letzten Jahre immer noch in ihrem Geldbeutel spüren“.  

Arbeitgeber warnen vor Pleiten und Abwanderungen

Die Arbeitgeber verweisen dagegen auf ihre schlechte Lage, die Produktion der Unternehmen liege bislang 7,4 Prozent unter dem Vorjahr und 15 Prozentpunkte unter Vorkrisenniveau, erklärten sie nach der zweiten Verhandlungsrunde. Sie warnen davor, die Krise mit zu hohen Lohnkostensteigerungen noch zu verschärfen und damit Pleiten oder Verlagerungen von Werken ins Ausland zu riskieren.

„Das Bild der wirtschaftlichen Situation in unserer Industrie verdüstert sich von Woche zu Woche weiter. Da darf es keine zwei Meinungen mehr geben“, hatte NRW-Arbeitgeberpräsident und Verhandlungsführer Arndt Kirchhoff nach der zweiten Runde gesagt. Wegen der bedrückenden Prognosen von Bundesregierung und Wirtschaftsinstituten hätten sich die Metallarbeitgeber „ausgesprochen schwergetan“, überhaupt ein Angebot mit Lohnerhöhungen vorzulegen.