Duisburg. Neue Zahlen belegen: In Duisburg scheitert jede zweite Abschiebung. Verschleierung und rechtliche Hürden: Diese Gründe nennt das Ausländeramt.

In den Jahren 2021 bis 2023 sind aus Duisburg insgesamt 358 Ausländer abgeschoben worden, weil sie ihrer Ausreisepflicht nicht nachkamen. Aber: Im gleichen Zeitraum sind fast ebenso viele Abschiebungen, 350 an der Zahl, gescheitert. Diese Zahlen und Gründe für die Entwicklung nennt die Duisburger Ausländerbehörde auf Nachfrage.

Chancen-Aufenthaltsrecht: Weniger Abschiebungen aus Duisburg

Die Zahlen im Einzelnen: In 2021 wurden 160 Menschen abgeschoben, 105 waren es 2022, 93 in 2023, im laufenden Jahr sind es bislang 53 Personen. Ähnlich entwickelte sich die Zahl der Stornierungen: Nach 166 in 2021 waren es 2022 noch 113, im vergangenen Jahr wurde 113 geplante Abschiebungen nicht vollzogen, im bisherigen Jahresverlauf sind es 40.

Die in den vergangenen drei Jahren gesunkenen Zahlen führt die Duisburger Ausländerbehörde auch auf die Einführung des Chancen-Aufenthaltsrechts zurück. Seit Anfang 2023 kann Ausländern, wenn sie bestimmte Integrationsleistungen erbracht haben, ein dauerhafter Aufenthalt gestattet werden. „Vor jeder geplanten Aufenthaltsbeendigung sollte deshalb die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis geprüft werden“, so die Behörde.

Trotz „Heimaturlaub“: Keine Abschiebungen aus Duisburg nach Syrien und Afghanistan

Um die Abschiebung durchzusetzen, wurden die meisten Ausreisepflichtigen (248 von 403 seit Anfang 2021) in Abschiebungshaft genommen. Das geschieht vor allem dann, wenn Fluchtgefahr vorliegt. Zu den wichtigsten Zielländern gehörten neben den Westbalkan-Staaten (Albanien, Serbien, Mazedonien) auch Georgien, Moldau, die Türkei und Ghana.

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Nach Syrien, Afghanistan und in den Iran durfte in den vergangenen Jahren aus humanitären Gründen nicht abgeschoben werden. Dass Asylbewerber aus diesen Staaten zwischendurch dennoch dorthin reisten, ändert nichts an der aktuellen Rechtslage, die für die Ausländerbehörde bindend ist.

Mehr als 400 Menschen sind seit 2021 freiwillig ausgereist

Fast ebenso viele Menschen wie unter Zwang die Stadt verließen, kamen durch freiwillige Ausreise ihrer Abschiebung zuvor: Insgesamt 409 sind es seit Anfang 2021, bereits 95 in diesem Jahr. Eine mögliche Motivation: Eine Rückkehr nach Deutschland zu einem späteren Zeitpunkt ist dann leichter möglich. Man weise „in einem Ausreisegesprächs auf die Möglichkeiten und Vorteile einer freiwilligen Ausreise und auf die Beratungsstellen hin“, erklärt die Ausländerbehörde.

Kritisiert die Komplexität des deutschen Ausländerrechts:  Thomas Freitag, langjähriger Leiter der Ausländerbehörde in Duisburg führt jetzt das neue Amt für Integration.
Kritisiert die Komplexität des deutschen Ausländerrechts: Thomas Freitag, langjähriger Leiter der Ausländerbehörde in Duisburg führt jetzt das neue Amt für Integration. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Zumeist scheitere eine Abschiebung daran, dass sie „tatsächlich nicht vollstreckbar“ sei, erläutert die Ausländerbehörde. Zu den häufigsten Gründen dafür zähle, dass die Betroffenen entweder untertauchen, oder einen Asylantrag stellen, über den dann zunächst entschieden werden muss.

Rückführung scheitert oft an fehlenden Reisedokumenten

Oft fehlten auch die erforderlichen „Heimreise-Dokumente“, etwa ein Reisepass des Herkunftslandes. Bei bestimmten Staaten sei die Beschaffung der Dokumente schwierig, heißt es aus dem Ausländeramt: „Eine Abschiebungshaft kann nicht beantragt werden, wenn eine verlässliche Rückmeldung der Heimatbehörden hinsichtlich der Ausstellung von Passersatz-Papieren ausbleibt.“

Langwierig kann sich auch die Identitätsfindung gestalten, wenn Geflüchtete ihre Herkunft verschleiern und angeben, ihre Pässe verloren zu haben. Dann ist die Behörde in der Beweispflicht – schwierig, wenn es seitens der Herkunftsländer kein Interesse an der Rückkehr ihrer Bürger gibt.

Praktiker warnen: Für höhere Abschiebequote fehlt juristische Basis

Gegen eine Erhöhung der Abschiebequote – eine politische Standardforderung nach dem Attentat von Solingen – stehen die juristischen Voraussetzungen, warnen Praktiker wie Essens Sozialdezernent Christian Kromberg im Gespräch mit dieser Zeitung. Das EU-Recht, bundespolitische Vorgaben und hunderte Einzelbestimmungen des Ausländerrechts hinderten die Behörden, einen Fall überhaupt zur „Abschiebungsreife“ zu bringen.

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Auch Thomas Freitag, Leiter des Duisburger Amtes für Integration, zu dem Ausländerbehörde und Kommunales Integrationszentrum seit dem 1. Januar gehören, verwies unlängst auf die Komplexität des deutschen Ausländerrechts. Seit 2005 gab es 113 Gesetzesänderungen, die mal zu Erleichterungen, mal zu Verschärfungen führten. „In Deutschland haben wir allein 98 verschiedene Aufenthaltstitel“, so der langjährige Leiter der Ausländerbehörde.