Duisburg. Venator und Betriebsrat haben sich auf einen Sozialplan geeinigt. Nun ist klar, wie viele Mitarbeiter gehen müssen – und zu welchen Bedingungen.

Der Stellenabbau beim Venator-Werk in Duisburg-Homberg ist besiegelt. Der Konzern und Betriebsrat haben sich auf einen Interessensausgleich und Sozialplan sowie die Einrichtung einer Transfergesellschaft geeinigt, wie Vertreter beider Seiten am Mittwoch gegenüber dieser Redaktion bestätigen. Die Belegschaft wird am Mittwochabend und Donnerstagmittag über die Bedingungen informiert.

Demnach müssen etwas weniger Mitarbeiter das Duisburger Werk verlassen als geplant. Am 1. Februar hatte Venator angekündigt, von 822 Stellen insgesamt 462 abbauen zu wollen. 360 Mitarbeiter wären damit am Standort übriggeblieben. Jetzt sollen nach Unternehmensangaben 375 Stellen erhalten bleiben, also 15 mehr als angekündigt. Weniger gekürzt werde zum Beispiel im Labor und bei der Energiegewinnung.

Chemiewerk Venator in Duisburg: So viele Jobs werden gestrichen

360 Arbeitsplätze sollen gestrichen werden. Dafür müssen 290 Mitarbeitende das Duisburger Werk verlassen. Davon seien rund 80 Prozent gewerbliche und 20 Prozent ver­wal­tungs­tech­nische Stellen. Der Abbau falle auch dadurch geringer aus, dass in der Zwischenzeit einige Mitarbeiter das Werk verlassen hätten und die Stellen nicht nachbesetzt wurden.

Das Venator-Werk am Essenberger Rheinufer: Viele Duisburger kennen die Firma noch unter dem traditionsreichen Namen Sachtleben.
Das Venator-Werk am Essenberger Rheinufer: Viele Duisburger kennen die Firma noch unter dem traditionsreichen Namen Sachtleben. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Beide Seiten haben sich auf einen Sozialplan mit einem Gesamtvolumen von 40 bis 45 Millionen US-Dollar geeinigt, erklärt Fried-Walter Münstermann aus dem Board des Konzerns. Teil der Vereinbarung ist ein freiwilliges Abfindungsprogramm, das bis zum 5. Juli gilt. Bis dahin können Mitarbeiter entscheiden, ob sie das Unternehmen gegen eine Entschädigung freiwillig verlassen.

Danach soll es schnell gehen: „Die Sozialauswahl läuft parallel. Es ist beabsichtigt, den weiteren Prozess bis Ende Juli abzuarbeiten“, so Münstermann. Bis Ende Juli wird also klar sein, welche Mitarbeiter weiter im Werk arbeiten, welche es freiwillig verlassen und wer seinen Arbeitsplatz verliert.

Sozialplan: Transfergesellschaft soll Mitarbeiter in neue Jobs bringen

Bereits zum 1. August wird eine Transfergesellschaft eingerichtet, die jene qualifizieren und auf neue Arbeitsplätze vermitteln soll, die keine Zukunft im Homberger Werk haben. Für die Dauer von zwölf Monaten erhalten die Mitarbeiter 80 Prozent des Nettolohns, indem der Arbeitgeber das Transfer-Kurzarbeitergeld der Arbeitsagentur aufstockt. Im Gegenzug geben die Beschäftigten ihre Kündigungsfrist auf.

Lesen Sie auch diese Artikel zum Stellenabbau bei Venator

Ein Streitpunkt in den Verhandlungen zwischen Venator und dem Betriebsrat war die Höhe der Abfindung unter Anrechnung der Dauer der Betriebszugehörigkeit. Die habe das Unternehmen nur gedeckelt berücksichtigen wollen, kritisierte der Betriebsrat. Diese Deckelung ist nun in den Verhandlungen gestrichen worden, bestätigte der Vorstand.

Das verbucht Betriebsratsvorsitzender Uwe Sova als Erfolg: „Das ist sehr wichtig, denn ein langjähriger, älterer Mitarbeiter hat schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt und muss eine höhere Abfindung bekommen als ein Kollege, der 18 Jahre im Unternehmen arbeitet und 40 Jahre alt ist.“

Einigung im Schlichtungsverfahren: Konzern und Betriebsrat sind froh über Kompromiss

Konzern und Betriebsrat hatten über Wochen um die Bedingungen des Stellenabbaus gestritten. Die Venator-Führung erklärte die Verhandlungen im April für gescheitert – eine Einigungsstelle musste her. Wären beide Seiten auch im Schlichtungsverfahren nicht auf einen Nenner gekommen, hätte ein Arbeitsgericht über den Sozialplan entscheiden müssen.

Obwohl der Konzern in den vergangenen zehn Jahren bereits zweimal Jobs in Duisburg abbaute, hatte es nach Angaben des Betriebsrats noch nie in der Firmengeschichte einer externen Einigungsstelle bedurft. Trotzdem ist Uwe Sova nun froh, dass ein Kompromiss steht: „Am Ende des Tages war klar, dass es eine Einigung geben muss.“

Der Venator-Betriebsratsvorsitzende Uwe Sova (rechts) mit seinem Stellvertreter Jörg Nadler im Oktober 2019.
Der Venator-Betriebsratsvorsitzende Uwe Sova (rechts) mit seinem Stellvertreter Jörg Nadler im Oktober 2019. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Er spricht von „konstruktiven, aber auch schwierigen Gesprächen angesichts der schlechten Lage des Konzerns und Standorts Duisburg“. Die Bedingungen für die Beschäftigten seien nun schlechter als noch bei den vorangegangenen Stellenkürzungen. „Aber gerade für langjährige, ältere Mitarbeiter können sie noch sehr attraktiv sein.“

Beschäftigte in Duisburg werden für Jobs in Uerdingen gefragt

Fried-Walter Münstermann aus dem Board des Mutterkonzerns, das seit Oktober 2023 im Amt ist, sagt im Gespräch mit der Redaktion: „Wir sind mit dem Verhandlungsergebnis an die maximale Belastungsgrenze des Unternehmens gegangen.“

Die Verhandlungspartner seien zu einer einvernehmlichen Lösung gekommen. „Uns geht es darum, dies jetzt umzusetzen und es für die Mitarbeiter so zu gestalten, dass die wirtschaftlichen Nachteile ausgeglichen werden und sie schnell in eine Beschäftigung kommen.“

Das Unternehmen habe alle Stellen ausgeschrieben, die im Chemiewerk in Uerdingen offen sind, und zwölf davon bereits mit Mitarbeitern aus Duisburg besetzt. Münstermann sagt: „Wir prüfen alle offenen Stellen und sprechen in Duisburg gezielt Kolleginnen und Kollegen an, die für eine Beschäftigung in Uerdingen in Frage kommen.“

+++ Folgen Sie der WAZ Duisburg auch auf Instagram +++

>> Stellenabbau bei Venator in Duisburg: Das ist der Hintergrund

  • Venator hat im Februar den größten Stellenabbau in der Firmengeschichte der Homberger Chemiefabrik angekündigt. Außerdem wurde zum zweiten Quartal 2024 die gesamte Titandioxidproduktion in Duisburg eingestellt. Sie soll nach Uerdingen verlagert werden.
  • Der Konzern begründet die Maßnahmen damit, dass die Nachfrage nach Titandioxid sehr niedrig sei – bei jedoch hohen Produktionskosten in Duisburg. Zudem werde der Preis gedrückt durch immer größere Mengen, die aus China auf den europäischen Markt drängen.
  • Das Duisburger Werk soll sich künftig auf das Geschäft mit funktionellen Additiven (FAD) konzentrieren. Damit sei der Standort zukunftsfähig, betonte Fried-Walter Münstermann gegenüber der Redaktion im Mai: „Die FAD-Produktion ist derzeit schon profitabel und wir sind fest davon überzeugt, dass wir die Anlage in Homberg nachhaltig wirtschaftlich betreiben können.“