Duisburg. Auch ohne die Titandioxid-Produktion soll der einstige Sachtleben-Standort überleben. Was der Belegschaft in der Krise Hoffnung macht.
Das traditionsreiche Sachtleben-Werk steckt in der größten Krise seiner 132-jährigen Unternehmensgeschichte. Der Eigner Venator verlagert die Titandioxid-Produktion nach Uerdingen, über die Hälfe der aktuell 792 Mitarbeitenden verlieren voraussichtlich ihren Job am Homberger Standort, der den Ort über ein Jahrhundert lang prägte. Das Chemiewerk soll dennoch mit der Produktion von funktionellen Additive eine Zukunft in Homberg haben, betonen Vorstand und Geschäftsführung vor Ort.
Werksleiter aus Italien übernahm vor einem Jahr den Duisburger Venator-Standort
In fast 35 Jahren Berufsjahren in der Branche hat Francesco Pacini viel erlebt. Als der Konzern im Frühjahr 2023 das Werk in Scarlino in der Toskana schloss, übernahm er die Werksleitung in Homberg. „Nicht um abzuwickeln, sondern zu entwickeln“, betont der Italiener. Die Einstellung der Produktion, die seit dem 2. Weltkrieg das Leben in Homberg maßgeblich bestimmte, wiegt schwer, das weiß auch Pacini: „Das macht keinen Spaß, aber es ist notwendig.“
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Solange der Interessenausgleich mit dem Betriebsrat noch verhandelt wird, ist die Titandioxid-Produktion formal nur unterbrochen. Sie werde in diesen Wochen heruntergefahren, erklärt Thomas Morawski. Seit 38 Jahren ist der Chemieingenieur im Geschäft, hat sich vom Assistenten zum Produktionsleiter hochgearbeitet. Die ganze Familie hat Werksgeschichte: „Schwester, Schwäger, Sohn, alle hier.“
Ein erheblicher Teil der Anlagen wird nicht mehr benötigt
Ob, wie und wo es für sie weitergeht, wissen auch die Jüngeren noch nicht. Wie Hagen Helle – der Chemie-Ingenieur und Betriebsleiter ist seit acht Jahren im Werk. „Natürlich ist die Stimmung gedrückt“, berichtet der gebürtige Hochheider, „aber die Kollegen sind sehr professionell, und so ziehen sie das auch durch.“ Falls der Weltmarktpreis kurzfristig steigt, könne man die Titandioxid-Produktion wieder aufnehmen, sagen die Vorstände. Doch auch die Belegschaft weiß: Eher wird der MSV in die Fußball-Bundesliga aufsteigen.
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Die Transformation, wie die Vorstände es nennen, bedeutet deshalb: Ein erheblicher Teil der Anlagen wird nicht mehr benötigt. Die Schwefelsäure-Fabrik an der Bruchstraße, Ende der 1980er Jahre errichtet und Anfang der 1990er Jahre in Betrieb gegangen, ist bereits leer gefahren. Weiter betrieben wird das benachbarte Kraftwerk, das vor zwei Jahren von Braunkohle auf Gas umgestellt wurde. Perspektivisch könne es auch mit Wasserstoff betrieben werden, erläutert Pacini: „Venator ist Teil des H2-Netzwerks in Duisburg.“
Vorstand beziffert die Abriss-Kosten auf „mindestens 30 Millionen Euro“
Obsolet ist die Titandioxid-Anlage zwischen Duisburger Straße und Rhein, auch Verladeanlagen am Ufer und Erzlager erübrigen sich – künftig wird das Werk nur einen Bruchteil der bisherigen Gesamtmenge produzieren. „Das Gelände ist wertvoll“, sagt Venator-Vorstand Arjen de Leeuw Den Bouter. Die Suche nach Interessenten laufe nun an. Ob ein möglicher Verkauf allerdings die Kosten für Rückbau und Bodensanierung decken, darf bezweifelt werden. „Der Abriss kostet mindestens 30 Millionen Euro“, rechnet Den Bouter.
Die Hoffnung von Vorstand und Belegschaft ruhen auf den Spezial-Additiven. In deren Herstellung verfügt das Werk über besondere Erfahrung, sie sind keine Massenware wie Titandioxid und gelten deshalb als hochprofitabel. „Auch wenn sich die Produkte sehr ähnlich sehen, unterscheiden sie sich erheblich in den Eigenschaften, sowie den späteren Anwendungen bei den Kunden“, erläutert Hagen Helle.
Investitionen in die Zukunft machen der Belegschaft Hoffnung
Eine weltweite Spitzenposition habe Venator in der Herstellung von Zinksulfid, das breite Anwendungsbereiche von Schiffslacken bis zu Handy-Gehäusen hat. Bariumsulfat-Partikel aus Homberg sorgen für die optimale Lichtstreuung in Flachbildschirmen, die sogenannten GMP-Spezialadditive finden sich in Pharma- und Kosmetik-Produkten und in Röntgen-Kontrastmitteln. In Katalysatoren tragen winzige weiße Teilchen von Venator zur Reinigung von Abgasen bei. Dass der Konzern in die Produktionsanlagen zuletzt rund fünf Millionen Euro investiert hat, wertet die Belegschaft als Hoffnungszeichen.
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