Duisburg. Das Traumzeit-Festival im Landschaftspark endet furios. Die Tops und Flops 2024 und was 2025 zu erwarten ist. Kartenvorverkauf startet.

Drei abwechslungsreiche Tage lang hat sich Duisburg von seiner besten Seite gezeigt und selbst im strömenden Regen Menschen für sich eingenommen. Das Traumzeit-Festival im Duisburger Landschaftspark gehört zu den Schokoladenseiten der Stadt.

Kaum eine Band, die gleich nach dem Konzert wieder ins Hotel fährt. Sie bleiben, gucken, staunen. Nutzen die exklusiven Angebote für eine Tour durch den Park. Genießen die Chance, weitgehend unbehelligt andere Konzerte zu gucken. Ok, Faber alias Julian Pollina lässt ein paar Selfies mit sich machen, steht aber entspannt im Unterhemd bei Uche Yara, CMAT tanzen nach ihrem Gig bei Zimmer90 weiter.

Traumzeit-Festival 2024 in Duisburg: Friedliches Musikfestival am Hochofen

Viele Familien nutzen die entspannte Atmosphäre für ein schönes Musikwochenende, Kinder flitzen über den Platz, pusten Seifenblasen, spielen mit Knicklichtern. Security ist zwar da, hat aber kaum was zu tun und tanzt auf Aufforderung sogar mit. Die Polizei ist nur am Samstag im Einsatz, um an der Parkplatzausfahrt Autofahrer auf Alkoholkonsum zu kontrollieren.

Besucherrekorde sind wunderbar, aber sie sind nicht der Zweck des Festivals. Wir wollen unseren Besucherinnen und Besuchern ein entspanntes Wochenende mit vielen Facetten kreativer Popmusik bieten!“ sagt Festivalleiter Frank Jebavy, der sich sicher ist, dass das auch diesmal gelungen ist. 

Ein Sonderapplaus gebührt der Veranstaltungstechnik: Höhnerbach aus Duisburg haben das Thema Bühnenbeleuchtung noch mal auf ein neues Level gehoben und spektakuläre Lichtakzente gesetzt.

Ein Hochamt der Musik mit Faber

Diesmal endete das Festival mit einem Hochamt der Musik. Wo im letzten Jahr Querbeat ein rosa Flamingoboot aufs Publikum loslies und Karnevalsstimmung verbreitete, setzt diesmal der Schweizer Singer-Songwriter Faber auf kirchenchorartige Arrangements, liefert quasi eine Orchesterversion seiner selbst und ist ehrlich dankbar, dass das Publikum seine Experimente mitgeht. Er steht ausgerechnet während des EM-Spieles „seiner“ Schweiz gegen Deutschland auf der Bühne und bittet darum, nicht zu spoilern, um später die Zusammenfassung ergebnisoffen gucken zu können.

Auch in der neuen, orchestraleren Version von „Faber“ darf die Posaune nicht fehlen. Markanter Schlusspunkt beim diesjährigen Traumzeit-Festival.
Auch in der neuen, orchestraleren Version von „Faber“ darf die Posaune nicht fehlen. Markanter Schlusspunkt beim diesjährigen Traumzeit-Festival. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Hier und da guckt zwar jemand auf sein Smartphone, um die Spielzwischenstände zu verfolgen, aber die allermeisten sind im Hier und Jetzt, genießen den lauen Sommerabend, die Musik und mobilisieren für den Tanz zwischen den Hochöfen die letzten Energiereserven.

Reichlich davon hat CMAT, die im roten Supergirl-Höschen über die Bühne fegt und jeden zum Tanzen bringen kann, selbst die boyfriends, die auf so einen „girlish shit“ keine Lust haben. Haben sie dann aber doch und die Gießhalle schwingt im Takt mit.

Traumzeit-Festival als Ort für Entdecker

Sons of the East bereiten mit Mundharmonika und Countryelementen den idealen Sound für einen schönen Sommerabend. Alice Phoebe Lou hat eher den Effekt eines Cocktailschirmchens im Kaltgetränk, ganz hübsch, aber kein Muss. Die Jungs von Zimmer90 beglücken vor allem das junge Publikum. Einmal eingespielt, kriegen sie auch die Älteren mit sanften und eingängigen Elektrosounds.

Mit sanftem Elektrosound verzaubern „Zimmer90“ beim Traumzeitfestival a im Landschaftspark in Duisburg.
Mit sanftem Elektrosound verzaubern „Zimmer90“ beim Traumzeitfestival a im Landschaftspark in Duisburg. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Unterm Strich war diese Traumzeit wie viele in den letzten Jahren ein Ort für Entdecker: Neue Namen wandern in die Streaming-Playlists, Tonträger werden gekauft, manche suchen direkt nach nächsten Konzerten. Da große internationale Stars für kleinere Festivals kaum noch zu bezahlen sind, wird es perspektivisch wohl auch der Schwerpunkt sein: Ein Ort für Perlentaucher.

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>>TICKETS FÜR DIE NÄCHSTE TRAUMZEIT

Die nächste Traumzeit 2025 findet vom 20. bis zum 22. Juni statt, die Tickets werden seit Montag, 12 Uhr, verkauft. Frühe Vögel kostet das limitierte „Feierabend-Ticket“ für alle drei Tage 90 Euro, inklusive Camping sind es 120 Euro.

Weitere Infos stehen auf der Webseite www.traumzeit-festival.de

DER SAMSTAG BEIM TRAUMZEIT-FESTIVAL - SO SCHÖN WAR ES

Der Traumzeit-Samstag im Duisburger Landschaftspark macht schon Freude, bevor die ersten Töne klingen: T-Shirt-Wetter, anders als am Vortag – schon schön, wenn es nicht ins Bier regnet. Apropos Bier: Das König-Pilsener-Zelt direkt am Eingang entwickelt sich am zweiten Traumzeittag zu so einer Art vierter Bühne, unter dem roten Zeltdach steigt immer mal wieder ein kleiner Rave. Das Reinheitsgebot von 1516 und EDM ergänzen sich erstaunlich gut.

Nach „Soda Frizzante“ auf der Hochofenbühne sorgt „Rasgarasga“ schon am frühen Nachmittag für das erste Tageshighlight. Die Gießhalle wird dank des Folk-Pop-Rocks aus Köln zum Hexenkessel, das Publikum eine einzige wogende Masse. Da kann Hotel Rimini auf dem Cowperplatz nicht wirklich mithalten, was auch an den eigenartig-wirren Texten liegt. Die Musik, um es mal so zu formulieren, passt leider gut zu den Texten.

Überraschung und kleine Enttäuschung beim Traumzeit-Festival in Duisburg

Macht aber nichts, denn mit Mina Richman steht der nächste Traumzeit-Höhepunkt an. Auf der kleinen Hochofen-Bühne, einst die „Umsonst & Draußen“-Bühne, beeindruckt die Sängerin mit einer butterweichen Stimme, und ihre hervorragende Band mit Groove und Präzision. Von den Einflüssen iranischer Volksmusik, die das Programmheft verspricht, ist zwar nichts zu hören, weil die Band so toll aufspielt, ist das aber gar nicht so schlimm.

Eine Offenbarung: Mina Richman sorgte mit ihrer Band am zweiten Traumzeit-Tag in Duisburg für einen Höhepunkt.
Eine Offenbarung: Mina Richman sorgte mit ihrer Band am zweiten Traumzeit-Tag in Duisburg für einen Höhepunkt. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Ähnlicher Name, ganz andere Musik: „Mine“ lässt die Zuhörer, die sie noch nicht kennen, erstmal verwirrt zurück. Zunächst, weil die seltsam-sprunghafte Form des Eröffnungssongs kein hinten und vorne erkennen lässt. Dann, weil die Band Folk-Hip-Hop mit Eurodance mischt – und diese Kombination tatsächlich irgendwie Spaß macht. Nicht so viel Spaß machen die seichten Texte, aber auch das lässt sich verkraften. Wer wild springend tanzt, versteht sowieso nur die Hälfte.

Das geht? „Mine“ beeindruckte am zweiten Tag des Duisburger Traumzeit-Festivals mit einer wilden Musik-Kombination.
Das geht? „Mine“ beeindruckte am zweiten Tag des Duisburger Traumzeit-Festivals mit einer wilden Musik-Kombination. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Kettcar und Adam Angst lassen es krachen

Im Vergleich dazu lassen Adam Angst keine Fragen offen. Die deutschen Punk-Rocker liefern mächtig ab mit lautstarken, positionsstarken Texten gegen Rechts. Das ist mitunter so laut, dass Mina Richmann in den zarten Momenten ihres Sets mit ihrer Ukulele kaum dagegen ankommt und unfreiwillige Trommelwirbel in den Songs landen.

Adam Angst und Kettcar füllten beim Traumzeit-Festival den Cowperplatz im Landschaftspark mit Leichtigkeit.
Adam Angst und Kettcar füllten beim Traumzeit-Festival den Cowperplatz im Landschaftspark mit Leichtigkeit. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Die Probleme haben später sogar Kettcar. Da spielen sie schon auf der größten Bühne des Festivals - „wir haben uns hochgearbeitet, 2019 waren wir noch auf der kleinen Bühne“, erzählt Sänger Marcus Wiebusch. Es könnte auch was damit zu tun haben, dass damals mit Frank Turner ein internationales Schwergewicht den Headliner gab.

Allein der Soundcheck von Fjort nebenan fordert die Hamburger Schule heraus. Die alten Herren von Kettcar lassen sich aber nicht lumpen und greifen in die Saiten. Mühelos gelingt ihnen der Spagat (also nicht mehr wörtlich) zwischen ihren gesellschaftskritischen Texten und der nötigen Portion Spaß. „Halleluja Dingdong Happy“-Posen und „Sommer 89 - Er schnitt Löcher in den Zaun“ fügen sich magisch zu einem Gesamtkunstwerk.

Dieses Mal die große Bühne für Kettcar. Die Hamburger waren 2019 schon mal beim Traumzeitfestival.
Dieses Mal die große Bühne für Kettcar. Die Hamburger waren 2019 schon mal beim Traumzeitfestival. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Nach Mitternacht betritt Hania Rani die Bühne. Sie bespielt Flügel, Klavier und Synthesizer nicht nur, sie betanzt sie regelrecht und bringt dabei erstaunliche Klangkonstellationen hervor. Da ist er, der traditionelle Traumzeitmoment, in dem sich ein Mensch so sehr in seine Musik stürzt, dass man nur staunend stehen, gucken, fühlen kann.

Klare Statements gegen Rechtsextremismus auf der sehr politischen Traumzeit

Insgesamt ist diese Traumzeit ein Spiegel ihrer Zeit. Sie ist feministisch, holt viele starke Frauenstimmen auf die Bühnen. Und sie ist politisch wie nie: Fast jeder Sänger, jede Sängerin setzt Zeichen, setzt sich für die Demokratie ein, für Vielfalt und Chancengleichheit, gegen Fremdenfeindlichkeit, für kulturelle Angebote für jedermann, für die Rechte der Frauen im Iran und immer wieder: Gegen Rechtsextremismus. Oder um es mit Janine Cathrein von Black Sea Dahu aus der Schweiz zu sagen: „Kuratiert eure Freunde!“

Und dann die Hände zum Himmel: Die Besucher des Traumzeit-Festivals beweisen Ausdauer.
Und dann die Hände zum Himmel: Die Besucher des Traumzeit-Festivals beweisen Ausdauer. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

TAG 1 DES DUISBURGER TRAUMZEITFESTIVALS 2024

Ein richtig idealer Start war es nicht, ins Duisburger Traumzeit-Festival am Freitag im Landschaftspark Nord. Als die Band „Hyperlilly“ um 18.30 Uhr das dreitägige Musikspektakel inoffiziell eröffnet, nieselt es gewaltig, zwischendurch dreht der Regen sogar richtig auf. Ein Glück, dass sich die Musikfans im ehemaligen Hüttenwerk nicht daran stören. Die Masse wiegt sich sanft vor der Hochofenbühne, und neben den Psych-Rock-Klängen liegt noch etwas in der Luft: Vorfreude.

Ob er das wirklich so meint? Sex verbieten? Die Band „Deadletter“ überzeugte beim Duisburger Traumzeit-Festival auf der Hochofenbühne jedenfalls. Später auch mit nacktem Oberkörper.
Ob er das wirklich so meint? Sex verbieten? Die Band „Deadletter“ überzeugte beim Duisburger Traumzeit-Festival auf der Hochofenbühne jedenfalls. Später auch mit nacktem Oberkörper. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Endlich wieder Traumzeit, das „perfekte Festival für alle Festivalhasser“, wie es Pianist Kai Schumacher einmal sehr treffend gesagt hat. Irgendwie klein, irgendwie nischig, irgendwie familiär, auf jeden Fall anders. Zeigt sich auch bei der anschließenden, offiziellen Eröffnung in der Gießhalle. Auf der Bühne der Knappenchor Consolidation, davor ein Publikum quer durch alle Altersschichten.

Betagtere Zuhörer, die beim Steigerlied still ein Tränchen verdrücken, Kinder mit Micky-Maus-Ohrschützern, die noch nicht so richtig verstanden haben, was die alten Männer mit den lustigen Hüten da sollen. Von so einer Demografie träumen selbst Festival-Schwergewichte wie Parookaville.

Schnaps und Leder vor dem Arsch: Das Duisburger Traumzeitfestival beginnt stilecht

Nach dem Leder vor dem Arsch gibt es natürlich Schnaps von Oberbürgermeister Sören Link. Letzterer strahlt wie das berühmte Honigkuchenpferd, wie eigentlich alle Besucher. Sicherlich nett in Baden-Württemberg, aber waren Sie schon mal auf der Traumzeit? Die Atmosphäre, die dem Festival eben so eigen ist, ist sein größter Trumpf – und Musik gibt es ja auch noch.

Saufen: Die berühmteste Strophe des Steigerlieds wird beim Traumzeit-Festival in Duisburg natürlich gebührend zelebriert.
Saufen: Die berühmteste Strophe des Steigerlieds wird beim Traumzeit-Festival in Duisburg natürlich gebührend zelebriert. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Zum Beispiel die von „Royel Otis“ auf dem Cowperplatz, also der Headliner-Bühne. Das australische Duo, in Duisburg mit exzellenter Begleitband unterwegs, kocht die Temperatur auf und vor der Bühne ordentlich hoch. Besonders der vielleicht bekannteste Song „Sofa King“ stiftet viele Zuhörer dazu an, sich schon um kurz nach Neun tanzend völlig zu verausgaben.

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Kraftklub-Schwestern überzeugen beim Duisburger Traumzeit-Festival

Ähnlich sieht das später bei „Blond“ in der Giesshalle aus. Das Pop-Trio wird wohl immer mit dem Kraftklub-Vergleich leben müssen, Sängerinnen Nina und Lotta Kummer sind nämlich die Schwestern der Chemnitzer Rockstars Felix und Till Kummer. Schade eigentlich, denn gemeinsam mit Johann Bonitz müssen sich die beiden nicht hinter dem „großen“ Kraftklub verstecken – auch wenn in beiden Bands die Leidenschaft für provokante, tanzbare Musik brennt.

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Leidenschaftlich geht es auch mit dem Bombay Bicycle Club weiter. Draußen auf dem Cowperplatz Menschen in Gummistiefeln und Regenponcho, mit Jeansjacken zum Auswringen und Frisuren, die so vermutlich nie gewollt waren. Auf der Bühne Gute-Laune-Versprüher: Die Londoner Indie-Band reißt mit ihren mal punkig-rockigen, mal balladesken Tönen jeden mit. Da macht es auch nichts, wenn gelegentlich literweise Wasserkaskaden vom Dach der Bühne in die ersten Reihen klatschen.

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Zum Aufwärmen also zurück in die Gießhalle, wo es nicht nur vom Bühnennebel dampft: Son Mieux nennen sich die Niederländer, deren Sänger auf Plateauschuhen, mit Glitzerbuxe und Felljacke zur menschlichen Discokugel mutiert. Gute-Laune-Pop und was zu Gucken, genau das Richtige für eine mitternächtliche Vollmond-Session.

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