Duisburg. Die Waldorfschule Duisburg protestiert gegen eine mögliche Schließung. So reagiert die Bezirksregierung und das sagt die Leiterin jetzt.
So eine Demo erleben die Mitarbeiter der Bezirksregierung Düsseldorf wirklich nicht alle Tage: Rund 90 Kinder, Eltern und Lehrer der Ganztags-Waldorfschule Duisburg zogen am Montag mit Plakaten und Trillerpfeifen vor das Gebäude und überbrachten Briefe von Eltern und den Vorständen von Träger- und Förderverein.
Wie berichtet, hat die Bezirksregierung der Schule die Genehmigung entzogen, zum 31. Juli soll sie schließen. Dagegen wurde Widerspruch eingelegt, dagegen wiederum legte die Bezirksregierung Rechtsmittel ein, wogegen die Schule nun klagt. Jetzt muss das Verwaltungsgericht eine Entscheidung treffen.
Waldorfschule Duisburg: Alle wünschen „geschlossen den Erhalt“
Um zu verdeutlichen, dass alle mit der Schule verbundenen Menschen „geschlossen den Erhalt wünschen“, hatte Geschäftsführerin Christine Kramer im Namen der Vereine zum friedlichen Protest aufgerufen. Per Megafon sorgt sie für Ordnung. Der ist sehr friedlich, die Kinder sagen „Guten Morgen, liebe Polizei“, singen Lieder wie das italienische Partisanenlied „Bella Ciao“ und schwenken die Plakate mit Slogans in Erwachsenenschrift: „Finger weg von unserer Schule“, „Wir wollen alleee, dass die Schule erhalten bleibt“, „Lasst uns unsere tolle Schule und unsere Lehrer“.
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Geschäftsführerin Kramer ist weiterhin zuversichtlich, dass es ihre Schule auch im kommenden Jahr noch geben wird. „Seit anderthalb Jahren werden wir mit Mist beschmissen. Wäre da was dran, wäre ich schon längst weg“, sagt sie. Gemeint sind die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue gegen sie. Für sie sei das „ganz weit weg“.
Schulaufsicht: Keine vergleichbaren Abschlüsse an der Waldorfschule
Diese Vorwürfe sind allerdings nicht der Grund, warum die Bezirksregierung eingegriffen hat. Thomas Hartmann, Leiter der Schulabteilung, stellt sich den Demonstranten nicht, erklärt aber am Rande: „Wir schließen nicht häufig Schulen, wir wissen, dass davon Schüler betroffen sind. Als Obere Schulaufsicht müssen wir aber sicherstellen, dass an den Ersatzschulen vergleichbare Abschlüsse gemacht werden können und das ist hier nicht der Fall.“
Seit anderthalb Jahren sei man mit der Schule im Gespräch, „bewegt hat sich wenig“. Dass die Schule nach eigenen Angaben eine neue Kunstlehrerin akquirieren konnte, sei ihm nicht bekannt: „Unser Stand ist vom 11. Mai.“ Wenn sich die Lehrersituation deutlich ändere, könne man neu gucken.
Hartmann betont, dass Eltern sich an die Bezirksregierung wenden können, wenn sie einen neuen Schulplatz für ihr Kind suchen. Die Beschwerde eines Vaters, er habe bislang von keiner offiziellen Stelle eine Information zur Zukunft der Schule bekommen, weist Hartmann jedoch zurück: „Es ist nicht unsere Aufgabe, die Eltern zu erreichen.“ Er wisse nicht mal, wie die Eltern heißen. Grundsätzlich sei die Informationspflicht eine Aufgabe des Vorstands.
Eltern loben die Qualität der Waldorfschule
Tanja Hoffmann, deren Sohn in die zehnte Klasse geht, ist unter den Demonstranten. Sie möchte ihrem Sohn mit einem weiteren Jahr an der Schule den Realschulabschluss ermöglichen. Würde die Schule jetzt geschlossen, hätte er nur einen Hauptschulabschluss, verdeutlicht sie. „Wir kommen aus Mülheim, wir lieben diese Schule“, sagt sie. Ihr Sohn habe so viel gelernt, sei gut in Physik, spreche prima Englisch, „er hatte immer tolle Lehrer!“. Toll sei auch, dass jedes Kind gesehen und gefördert, jegliche Behinderung integriert werde.
Tim André trägt seinen Erstklässler auf dem Arm. Dieser sei herzkrank, leide an Epilepsie, „an der Waldorfschule ist er super aufgehoben“. Dass die Bezirksregierung den Lehrermangel als Schließungsgrund anführt, ist in seinen Augen absurd: „An jeder Schule herrscht Lehrermangel!“, betont der Vater. Und was die laufenden Ermittlungen gegen die Geschäftsführerin betrifft, hält er es mit der Unschuldsvermutung bis zum Beweis des Gegenteils. Schließen müsse man deswegen jedenfalls nichts, sagt er.
Paul Helmut Strackbein, Schülersprecher aus der Klasse 9, ist im Anzug gekommen. „Unsere Schule ist relativ ok“, sagt er, „wir können uns nicht beschweren, in den letzten Wochen haben wir auch wieder mehr Unterricht gehabt“. Er selbst habe viele Freunde hier gewonnen. Seit er auf der Waldorfschule ist, habe er auch endlich eine „gerade Aussicht auf mein Leben, ich werde Büchsenmacher, will mich selbstständig machen“, berichtet der Schüler.
„Es sind ja keine Autoersatzteile, es sind Kinderseelen.“
Geschäftsführerin Kramer, die nicht als Chefin bezeichnet werden möchte, betont, dass sie durch die Situation gesundheitlich belastet sei. Am liebsten wäre ihr, wenn jemand anderes ihr Amt übernehmen würde. „Ich will aber auch niemanden sitzenlassen“, sagt die 59-Jährige.
„Es sind ja keine Autoersatzteile, es sind Kinderseelen.“ Deshalb habe man in den letzten Tagen auch das Schulgelände verschönert, Mülleimer bunt gestaltet und auf dem Schulhof wartet frisch gezeichnet ein großes Spielfeld: Mensch ärger dich nicht.
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