Duisburg. Schulhund Ozzy kann Vokabelkarten ziehen oder das Glücksrad drehen. Welche Regeln für seinen Einsatz am Duisburger Berufskolleg gelten.
Das denkt wohl jeder, der Ozzy zum ersten Mal sieht: „Dem möchtest du nicht begegnen, wenn er schlechte Laune hat.“ Doch die eindrucksvolle Erscheinung täuscht: Der Cane Corso, ein 50-Kilo-Kraftpaket, ist eine Seele von Hund. Und macht deshalb jetzt gemeinsam mit dem Mischlingsrüden Richie Karriere als Schulhund am Robert-Bosch-Berufskolleg (RBBK). Die Herzen der Hamborner Schüler hat Ozzy längst erobert, Schulleiterin Simone Peeters nennt die Hunde „einen unglaublichen Gewinn“.
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Montagmorgen, Englischunterricht in der Berufsfachschule Metall bei Pia Timmer, Lehrerin und Besitzerin des zweijährigen Italieners mit den markanten Gesichtsfalten. Eine „Arbeitsdecke“ liegt in der Mitte des Raumes, eine Ruhedecke in einer Ecke. „Für den Hund ist das Stress“, erklärt Timmer, „in den Klasse kann es schon mal hoch her gehen, da kann er sich seine Pausen nehmen.“
Schulhund ist an Duisburger Berufskolleg Teil des Unterrichts
Sie seien arbeitsam und gelehrig, heißt es über die Cane Corso, die schon die alten Römer als Kriegsgefährten, Schutz- und Hütehunde einsetzten. Ozzy wird dem Ruf gerecht. „Er kann krasse Tricks“, sagen die Schüler. Am liebsten zieht er Vokabel-Karten, dreht das Glücksrad oder bewegt ein großen Würfel, wenn Wissensabfragen anstehen.
Das macht Hund wie Schülern Spaß, das Ziel tiergestützter Pädagogik ist aber ein anderes: Die Tiere sollen Wohlbefinden vermitteln, eine ruhigere Lernatmosphäre und ein motivierendes Lernumfeld schaffen. Der Effekt sei deutlich spürbar, sagt Pia Timmer: „Die Jungs fühlen sich dafür verantwortlich, dass sich Ozzy wohlfühlt. Wenn’s zu laut wird, fordern sie sich gegenseitig zur Ruhe auf.“
Studien bestätigen: Schulhunde haben positiven Einfluss auf Lernverhalten
Studien bestätigen die Erfahrungen. Der Kontakt zum Hund senkt nicht nur Blutdruck und Herzfrequenz, stärkt auch Selbstwertgefühl und emotionale Stabilität, fördert die Persönlichkeitsentwicklung und wirkt sich positiv aus auf Sozialverhalten und Integration. Kurzum: Das Lern- und Arbeitsverhalten von Schülern verbessert sich durch den Einsatz von Schulhunden.
„Ozzy ist unser Schatz“, sagen die Jungs. Dabei: Liebe auf den ersten Blick war’s bei Mert nicht. „Ich bin mal von einem Hund gebissen worden, hatte große Angst“, sagt der 19-Jährige. Die ist längst gewichen. „Kein Schüler wird zur Kontaktaufnahme genötigt“, betont Pia Timmer, „aber die meisten Schüler suchen bald eigenständig Kontakt zum Hund. Hilfreich seien die Tiere oft auch für neue Schüler, die jetzt als Geflüchtete aus der Ukraine ans RBBK kommen, berichtet Schulleiterin Peeters: „Sie tauen schneller auf.“
RBBK: Umfassendes Konzept und klare Regeln für den Einsatz
Der Einsatz von Schulhunden will geplant sein, das Hamborner Kolleg hat dazu ein Konzept erarbeitet. Da geht’s auch um Hygiene, Allergien, übertragbare Krankheiten sowie Vorbehalte im Kollegium. Ein Aushang an der Klassentür weist stets auf die Anwesenheit von Ozzy oder Richie hin. „Eine Kollegin hat große Angst vor Hunden, das müssen wir respektieren“, sagt Pia Timmer.
Gemeinsam mit Christiane Pielken, dem Frauchen von Richie, hat sie die vergangenen Herbstferien investiert für die Ausbildung bei „Projekthunde Deutschland“ in Mettmann. Bei der Prüfung zur Eignung steht vor allem die Stress-Resistenz der Hunde um Fokus. „Es wird getestet, wie sei in einem verrauchten Raum, bei einem Feueralarm, auf Lärm oder auf Kinderwagen reagieren“, berichtet die Lehrerin. Informationen zu Schulhunde-Trainings finden Lehrer über die Fortbildungssuchmaschine des NRW-Bildungsministeriums.
Einsätze müssen dosiert werden – maximal drei Schultage pro Woche
Ozzy komme gern in die Schule, sagt sie. Kein Wunder, doch trotz jeder Menge Streicheleinheiten für den gutmütigen Hünen muss sein Einsatz dosiert werden. „Zwei, höchstens dreimal pro Woche, mehr wäre zu anstrengend“, sagt sein Frauchen, „er soll hier nicht verheizt werden.“
Dass beide Hunde gleichzeitig in die Schule kommen, vermeiden ihre Besitzerinnen. Das gebietet das Territorialverhalten des kraftvollen Wachhundes. Beschützerinstinkt demonstriere Ozzy zwar vor allem daheim bei Haus und Familie, aber auf andere Hunde könne der ansonsten so freundliche Molosser schon mal ungehalten reagieren, sagt Pia Timmer. Mit einem eigener Stundenplan für jeden Schulhund lässt sich das leicht verhindern.
>> SCHULHUNDE: SO VIEL KOSTET DIE AUSBILDUNG
- „Die Regeln müssen klar kommuniziert sein“, betont Simone Peeters. Die RBBK-Schulleiterin, selbst Hundebesitzerin, ist ausdrücklicher Fan der Schulhunde. „Ich habe dem Vorschlag von Pia Timmer und Christiane Pielken sofort zugestimmt.
- Die Gebühr von rund 2000 Euro für die zweimonatige Ausbildung zum Schulhund (Kompaktkurs in zwei Wochen möglich), sei gut investiert, findet Pia Timmer: „So sind wir auf der sicheren Seite, auch für den Fall, dass die Ausbildung zur Pflicht wird.“
- Schulhunde sind keine Neuheit mehr an Duisburger Schulen. Vor allem Schulsozialarbeiter lassen ihre Hunde ausbilden, um sich die positiven Effekte zunutze zu machen. Das RBBK ist das erste Berufskolleg in Duisburg, das Schulhunde einsetzt.
- „Grundsätzlich müssen der Hund und die das Tier haltende Person eine Ausbildung für den in der Schule vorgesehenen Einsatzbereich nachweisen, sofern es eine entsprechende Ausbildung gibt“, teilt die Bezirksregierung Düsseldorf auf Anfrage mit. Sie informiert über Schulhund-Einsätze unter: https://www.schulministerium.nrw/sites/default/files/documents/Allgemeine-Hinweise-Schulhund.pdf