Zur Klasse 4b der Duisburger Abteischule gehören zwei Border Collies. Das macht Kindern und Tieren Freude - und hat auch pädagogischen Wert.

Englischunterricht in der 4b der Abteischule: Auf dem Boden liegen Säckchen, auf jedem von ihnen prangt ein anderer Buchstabe. Ein t, ein b, ein c. Die Kinder sollen auf Englisch Fahrzeuge mit diesen Anfangsbuchstaben benennen. Dafür hat Klassenlehrerin Katrin Elstermann ihre fleißigste Mitarbeiterin aktiviert: Fergy, zehn Jahre alt, klug, schnell, einsatzfreudig, hellwach.

Fergy schnappt sich ein Säckchen, bringt es zu einem der Kinder, liefert ein c ab, kassiert eine Belohnung. Wofür steht das c? „Car“, sagt die Viertklässlerin. Auto. Alles richtig gemacht. Dann eilt Fergy zum nächsten Kandidaten, diesmal mit einem t im Gepäck. T wie Train. Zug. Wieder ist die Antwort richtig. Aber Fergy gibt sich noch nicht zufrieden, sie holt sich erst mal eine schöne Streicheleinheit ab, bevor sie die nächste Aufgabe holt. Die Kinder lachen, zwei von ihnen streichen über ihr seidenweiches Haar. Wohlfühlatmosphäre.

In der 4b der katholischen Grundschule im Duisburger Stadtteil Hamborn verläuft der Schulalltag ein wenig anders als man das sonst gewohnt ist. Zur Klasse gehören nämlich neben den 29 Schülerinnen und Schülern auch die Border Collies Fergy und Ian. Mehrmals in der Woche sind die Hunde mit im Unterricht, als Lernhelfer, Seelenschmeichler, Kumpel, Spaßmacher und vierbeinige Mitschüler. Die Kinder finden das tierisch gut.

Doch die Anwesenheit von Fergy und Ian hat auch einen tieferen pädagogischen Sinn: denn sie sorgt für ein gutes und entspanntes Arbeits- und Sozialklima. „Wenn man viel gearbeitet hat, dann kann man sich mit ihnen entspannen“, sagt Milan. Der Zehnjährige hat überdies auch eine spezielle Aufgabe: Er ist der Getränkemann und füllt morgens die Wassernäpfe der Collies. Andere sorgen dafür, dass nichts auf dem Boden herumliegt und dass die Klassenzimmertür geschlossen ist.

Die Klasse lernt, Verantwortung zu tragen

Denn auch das lernen die Kinder ganz nebenbei und ziemlich spielerisch: Verantwortung zu tragen und Rücksicht zu nehmen. Unruhe, hektisches Gerenne, Lärm und Herumgetatsche auf dem Kopf können die tierischen Mitschüler nämlich nicht gut haben. Und wer lernt, auf Tiere Rücksicht zu nehmen, schafft das meist auch bei Menschen ganz gut. Fest steht: Es geht hier auffallend diszipliniert und ruhig zu.

Das Regelwerk einer Hundeklasse hat Katrin Elstermann den Kindern vermittelt, bevor die Vierbeiner dazu kamen. Und nach vier gemeinsamen Jahren sind die zwei- und vierbeinigen Schüler ein eingespieltes Team. „Ich empfinde die ganze Situation in der Klasse als sehr entspannt,“ sagt die 44-jährige Pädagogin. Und wie empfinden es die Kinder? „Wir freuen uns auf die Schule, wenn wir wissen, dass die Hunde da sind“, sagt Sara. „Es ist schön, wenn sie uns schon an der Tür begrüßen.“ Eine gegenseitige, freundliche Begrüßung gehört nämlich auch zum Ritual.

Ruhebereich für die Hunde

Die Schulhunde-Idee an der Abteigrundschule entstand - wie in vielen solcher Fälle - durch eine private Hundeanschaffung. Vor zehn Jahren kaufte sich Katrin Elstermann Fergy. Ob sie den Hund nicht einmal mitbringen wolle, um ihn zu zeigen, fragten Kolleginnen, aber auch Schüler. Aus dem „einmal“ sind mittlerweile Jahre geworden.

Zu Fergy gesellte sich später noch Ian, seitdem geht auch er regelmäßig zur Schule. „Er ist hier quasi groß geworden. Er kennt das gar nicht anders“, sagt die Besitzerin. Wenn es den Hunden zuviel wird, ziehen sie sich an ihren Platz unterm Pult zurück. Das ist ihr Ruhebereich und für die Menschen Tabuzone. Das ist so vereinbart und das haben alle so verstanden.

Das Einmaleins würfeln

Mit beiden Tieren hat Katrin Elstermann überdies eine Gehorsamsprüfung und einen charakterlichen Eignungstest absolviert. Fergy ist sogar „diplomiert“ - sie hat eine einjährige Ausbildung zum Therapiehund gemacht. Darüberhinaus hat sich die Schule offiziell abgesichert. Das Konzept der Schulhundeklasse haben nicht nur die Eltern und die Schulkonferenz, sondern auch der örtliche Schulrat abgesegnet.

Für die 4b heißt es bald Abschied nehmen von „ihren“ beiden Hunden, dann wechseln die Kinder an weiterführende Schulen. Sie nehmen Erinnerungen mit, nicht nur im Kopf, auch als Bild: Selbstverständlich sind Fergy und Ian auf dem Klassenabschlussfoto ganz vorne mit dabei.

Die beiden Border Collies werden nach den Sommerferien die nächste „Generation“ von Erstklässlern begrüßen. Natürlich mit Ansage: Schon bei den Anmeldegesprächen war abgeklärt worden, ob bei den Schulneulingen Allergien oder Ängste gegenüber Tieren vorliegen.

Doch nochmal zurück zur 4b. Da steht jetzt Rechnen auf dem Plan. Üblicherweise nicht besonders beliebt. Aber wenn Fergy und Ian die Aufgaben würfeln, dann macht sogar das Einmaleins richtig Spaß.

>>POSITIVER EINFLUSS AUF DIE SOZIALKOMPETENZ

In einer Reihe von internationalen Studien wurde die positive Wirkung von Hunden auf das Sozialverhalten und die seelische Entwicklung von Kindern nachgewiesen. Hunde können die sozialen Kompetenzen und die Empathiefähigkeit befördern und Ängste abbauen. Mittlerweile werden auch Therapiehunde gezielt bei Kindern eingesetzt, die unter ADHS leiden.

Ob Hunde im Unterricht eingesetzt werden, entscheidet in NRW jede Schule selbst