Duisburg. Der Bassist Karl Ridderbusch wurde vom Industriekaufmann bei Thyssen zum international gefragten Sänger. Ein Rückblick zum 90. Geburtstag.
Eigentlich sind es immer die Tenöre, die zu den Stars der Opernszene werden. Der Duisburger Bassist Karl Ridderbusch war da eine Ausnahme. Am 29. Mai hätte der Sänger, der von 1965 bis 1996 Mitglied der Deutschen Oper am Rhein war und 1997 verstarb, seinen 90. Geburtstag gefeiert.
Eigentlich hatte der 1932 in Recklinghausen geborene Ridderbusch eine Ausbildung zum Industriekaufmann absolviert und arbeitete bei Thyssen. Bei einem Gesangswettbewerb anlässlich eines Spielfilms mit dem Duisburger Tenor Rudolf Schock wurde Ridderbusch 1958 entdeckt und von Schock gefördert.
Von der Rheinoper nach Bayreuth
Nach ersten Karrierestationen in Essen und Münster kam der Bassist 1965 an die Rheinoper und erlebte dort als Seneca in Monteverdis „Die Krönung der Poppea“ seinen Durchbruch. Schon 1967 wurde er von den Bayreuther Festspielen engagiert und sang dort gleich König Heinrich in „Lohengrin“ und den Riesen Fasolt in „Das Rheingold“.
In Bayreuth stand Ridderbusch, der mit seinem warmen und voluminösen Bass das Publikum begeisterte, in fast alle Wagner-Partien seines Faches auf der Bühne. Der Hagen in „Götterdämmerung“ ab 1970 und der Hans Sachs in „Die Meistersinger von Nürnberg“ ab 1973 wurden auch international zu seinen Paraderollen.
Frühe stimmliche Probleme
Bereits mit Anfang 50, wenn andere Bassisten erst groß herauskommen, ließen sich dann aber stimmliche Probleme bemerken. Als 1983 zum 1100-jährigen Stadtjubiläum Wagners „Meistersinger“ in Duisburg Premiere hatte, wurde Ridderbusch schon nicht mehr als Sachs besetzt, obwohl ihm diese Rolle ein Herzensanliegen war.
In seinem Buch „Begegnungen“ beschreibt Alt-Oberbürgermeister Josef Krings ein Treffen mit Rudolf Schock und Karl Ridderbusch in den 80er Jahren. Der 17 Jahre ältere Schock warnte seinen ehemaligen Schützling, sich und seine Stimme mehr zu schonen: „Du kannst nicht zu jedem Feuerwehr- und Polizeijubiläum gehen. Du hältst das nicht mehr lange durch!“
Ein Künstler, der mit Ridderbusch arbeiten konnte, ist Martin Fratz, der von 1992 bis 2009 als Kapellmeister an der Rheinoper arbeitete und jetzt Dozent an der Folkwang-Universität ist: „Ridderbusch war mit Leib und Seele Duisburger. Mit einem kleinen Augenzwinkern hat er Duisburg als die schönste Stadt der Welt bezeichnet.“
Ein Star ohne Allüren
In seinen letzten Bühnenjahren war der Bürgermeister van Bett in Lortzings „Zar und Zimmermann“ die Paradepartie des Bassisten, und oft stand dann Martin Fratz am Dirigentenpult: „Ridderbusch war eine große Bühnenpersönlichkeit und bekam stets vom Publikum einen Auftrittsapplaus wie eine russische Ballerina!“
Fratz berichtet aber auch, dass der Sänger damals schon mit stimmlichen und gesundheitlichen Problemen gekämpft hat: „Er hatte Probleme mit dem Herzen, seine Knie litten unter seinem Übergewicht, und oft musste er seine Arien im Sitzen singen. Trotzdem hat seine Stimme die charakteristische Farbe behalten, und man hat ihn auch in kleinen Rollen sofort am Klang der Stimme erkannt.“
Obwohl ihn seine Karriere auf alle großen Bühnen der Welt geführt hat, habe Ridderbusch nie Starallüren entwickelt: „Er war ein bodenständiger und jovialer Typ, der auf den Proben oft das ganze Ensemble mit seinen Witzen unterhalten hat“, so Fratz. Ähnliches berichtet auch Marta Marquez, die von 1985 bis 2021 an der Rheinoper sang: „Er war ein intensiver Bühnenmensch, hatte eine exzeptionelle Stimme und war ein angenehmer Kollege.“
Aus dem Mittagsschlaf zu „Zar und Zimmermann“
Noch gut erinnert sich Stephen Harrison, der bis 2020 Operndirektor war, an einen spektakulären Ridderbusch-Auftritt: „An einem Sonntag stand um 15 Uhr eine Vorstellung von „Zar und Zimmermann“ auf dem Spielplan. Karl Ridderbusch ist leider nichtrechtzeitig im Duisburger Theater erschienen. Das Problem war: Er hatte kein Telefon. Man konnte nur einen Nachbarn erreichen.“
Nach mehrmaligen Klopfen sei es ist es ihm gelungen Ridderbusch zu wecken, der gerade seinen Mittagsschlaf hielt, weil er dachte, dass die Vorstellung abends stattfinden würde, berichtet Harrison. Laut fluchend habe sich Ridderbusch ins Auto gesetzt, steuerte aber nach Düsseldorf. Dort angekommen erfuhr er vom Pförtner, dass die Vorstellung in Duisburg stattfindet.
Ridderbusch hatte die Lacher auf seiner Seite
Also wieder zurück. Das Publikum in Duisburg war inzwischen zu kostenlosen Getränken ins Foyer eingeladen worden. „Bei Ridderbuschs Ankunft im Theater war das Publikum reichlich angeheitert, und so wurde es eine gelungene Vorstellung, trotz 60 Minuten Verspätung“, so Harrison. Dirigent der Aufführung war Martin Fratz: „Als Ridderbusch bei seiner Auftrittsarie „O sancta justitia“ statt „Ich könnte rasen“ ein „Ich musste rasen“ sang, tobte der Saal und Ridderbusch hatte die Lacher auf seiner Seite!“
Auch interessant
In den großen Basspartien Wagners kann man heute an der Deutschen Oper am Rhein vor allem Hans-Peter König erleben, der ebenso wie Ridderbusch eine internationale Karriere gemacht hat. König stand zwar nie mit Ridderbusch gemeinsam auf der Bühne, hat ihn aber in den 80er Jahren in der Dortmunder Oper in der Titelpartie von Mussorgskijs „Boris Godunow“ erlebt: „Mir hat an Ridderbusch gefallen, mit welchem Engagement er seine Rollen verkörpert hat, wie er sich gerade in sie hineingeschmissen hat. Er hat immer sehr glaubwürdig und textverständlich gesungen!“
Wo Ridderbuschs Stimme noch heute zu hören ist
Karl Ridderbusch nahm viele Schallplatten auf, von denen viele als Tondokument bei Youtube zu finden sind. Empfohlen sei sein La Roche in „Capriccio“ von Richard Strauss unter Karl Böhm, der Hans Sachs in „Die Meistersinger von Nürnberg“ unter Silvio Varviso sowie der Hagen in „Götterdämmerung“ unter der Leitung von Horst Stein. Sehr unterhaltsam ist das Interview, das der aus Bottrop stammende Regisseur und Intendant August Everding in der Sendereihe „Dacapo“ mit Ridderbusch führte.