Duisburg. Im süddeutschen Schwäbisch Gmünd sorgen Impfgegner für öffentlichen Aufruhr. Ein Duisburger sieht davon ein Video - und erstattet Strafanzeige.
"Widerlich, schändlich, hetzerisch" findet Harald Jüngst eine Aktion von Impfgegnern, die kurz nach Weihnachten vor einem Altenheim stattfand. Ausgerüstet mit Banner und Megafon hatte sich eine Gruppe an dem Haus versammelt, forderte lautstark die Bewohner auf, die anstehende Corona-Schutzimpfung zu verweigern. Für den Duisburger Jüngst eine gefährliche Nötigung - er hat Strafanzeige gestellt. Dabei ereignete sich der Vorfall gar nicht an seinem Wohnort, sondern in Schwäbisch Gmünd, fast 500 Kilometer entfernt.
"Schwäbisch-Gmünd könnte überall sein", sagt aber Harald Jüngst. Er ist nicht nur entsetzt über die Aktion selbst, sondern befürchtet Ähnliches auch in Duisburg, wenn voraussichtlich im Februar das Impfzentrum öffnet. Der 70-Jährige will ein Zeichen setzen und hat dazu in der süddeutschen Stadt Presse und Behörden eingeschaltet.
Demonstrant ist ein regional bekannter "Querdenker"
Anlass für seinen Einsatz war ein Video, das Jüngst auf der Streaming-Plattform Youtube fand. Zu sehen sind acht Personen, einer hält ein Megafon, am angerenzenden Zaun hängt ein Banner mit der Aufschrift "Corona-'Plandemie': Wir alle müssen uns dafür verantworten". Der Mann mit dem Megafon ruft in Richtung des Pflegeheims: "Lassen Sie sich von den Impfmobilen nicht überrumpeln! Der Regierung geht es nicht um ihre Gesundheit."
Laut "Gmünder Tagespost" handelt es sich um Stefan Schmidt, einen regional bekannten "Querdenker". Die Initiative "Querdenken", die auch in Duisburg eine Ortsgruppe hat, leugnet oder verharmlost die Corona-Pandemie, benutzt Verschwörungstheorien und fiel bisher auch durch Nähe zu rechtsextremen Gruppen auf. Der Impfstoff sei noch nie zuvor an Menschen getestet worden, behauptet Schmidt im Video. "Sie können Schäden erleiden, die nicht mehr reparabel sind!" Das Ausmaß der Pandemie sei eine Lüge, die Auslastung der Krankenhäuser ganz normal - "die Regierung will Ihnen nur Angst einjagen", ruft er.
Duisburger verständigt Behörden in Schwäbisch-Gmünd
"Das Video hat bei mir Unverständnis, Zorn und Betroffenheit ausgelöst", sagt Harald Jüngst, der von einer "Drohkulisse" und von "Psychoterror gegen alte und verunsicherte Menschen" spricht. Er meint: "Das darf mit Demonstrationsfreiheit nichts mehr zu tun haben." Das Video schickte Jüngst an die Polizei und das Ordnungsamt, rief sogar in Schwäbisch Gmünd an.
Von der Reaktion der Behörden ist er enttäuscht. "Das muss eine Demokratie aushalten", habe man ihm gesagt. Die Aktion vor dem Altenheim, später auch vor weiteren Pflegeeinrichtungen im Ort, sei ordnungsgemäß bei der Stadt angemeldet gewesen. Mit dem Grundrecht der Meinungs- und Versammlungsfreiheit argumentierte der Erste Bürgermeister von Schwäbisch Gmünd, der Jüngst mit einer Email antwortete.
Staatsanwaltschaft untersucht strafrechtliche Relevanz
Doch der Duisburger sieht ein anderes Grundrecht verletzt. Er nennt die Szene einen "evidenten Verstoß gegen die Menschenwürde" und verweist damit auf Artikel 1 im Grundgesetz - für ihn der Anlass, nun auch die zuständige Staatsanwaltschaft zu kontaktieren. Dieser schreibt er: "Auch, wenn meine Kritik seitens des Ordnungsamtes und der Polizei abgeschmettert wurde, sehe ich es als meine moralische Pflicht, Sie als strafrechtliche Instanz zum Schutz der Heimbewohner und deren Menschenwürde einzuschalten."
Glaubt man den Leserbriefen in der örtlichen "Rems-Zeitung", hat die Aktion auch in Schwäbisch Gmünd viele Menschen verärgert. "Unanständig", "geschmacklos", "unerträglich", steht dort unter anderem. Leser verweisen auf die ohnehin schon hohen Belastungen, denen sowohl die Bewohner, als auch das Personal in Pflegeanstalten seit Monaten ausgesetzt sind. Und die Leiterin eines Blindenheims, vor dem die Gruppe ebenfalls demonstrierte, schrieb Jüngst per Email: "Es ist unverschämt und kann die alten Menschen noch mehr verunsichern in diesen unsicheren Zeiten."
Die Staatsanwaltschaft, so berichtet Harald Jüngst, habe ihm zugesichert, den Fall zu prüfen. Von ihrer Bewertung hängt schließlich ab, ob ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird.