Duisburg. Elf Genossen bewarben sich um drei Duisburger Landtags-Wahlkreise. Wen die Partei abgestraft hat, wer in die Stichwahl gezwungen wurde.
Für einige Duisburger Sozialdemokraten war dieser Samstag spannender als die Partie Deutschland gegen England - natürlich wünschen sich die Genossen ein besseres Abschneiden bei der kommenden Landtagswahl als den Deutschen bei der EM. Bei der Delegiertenkonferenz in der Homberger Glückauf-Halle beschwor die SPD Geschlossenheit. Doch es dauerte nicht einmal drei Stunden, bis die Gräben der Partei sichtbar wurden. Diese verlaufen offenbar zwischen dem Norden und Westen der Stadt und zwischen etablierten Genossen und neuen Bewerbern, die frischen Wind versprachen. Es gab elf Kandidaten für künftig drei Landtagswahlkreise.
Duisburger Landtagsabgeordnete beim Wahlergebnis abgestraft
Nur Sarah Philipp, die den Duisburger Süden sowie die Stadtteile Altstadt, Neudorf, Dellviertel, Hochfeld und Wanheimerort vertreten wird, hatte keinen Gegenkandidaten. Dennoch kassierte sie 43 Gegenstimmen. Viele nahmen ihr wohl immer noch die Diskussion um die Doppelspitze übel. „Es ist jetzt nicht das beste Ergebnis, was ich jemals erhalten habe, das habe ich vernommen.
Dennoch freue ich mich, dass ich aufgestellt wurde“, erklärt die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD Landtagsfraktion. Künftig will sie sich weiterhin für die Themen Stadtentwicklung, bezahlbaren Wohnraum und einen sozialen Neustart einsetzen. Ministerpräsident Armin Laschet wirft die 38-Jährige vor, unter anderem die Mitarbeitenden von Schulen, Bühnen und Friseursalons vergessen zu haben. Philipp hatte seinerzeit den ersten Frisör-Termin nach dem Lockdown ersteigert. Nachts um 0.01 Uhr ließ sie sich für 500 Euro für einen guten Zweck die Spitzen schneiden. Mit Blick auf die Bewerber für die anderen Wahlkreise, mochte sie keine Partei ergreifen: „Ich bin ein Teamplayer.“
Dabei kam es bei der Abstimmung um den Duisburger Westen sowie Walsum durchaus zu Überraschungen. Mehmet Aslan, Ersin Erdal, Benedikt Falszewski, Marcus Mellenthin, Nils Petersen, Rainer Schütten und Angelika Wagner stellten sich den Delegierten für den Wahlkreis Duisburg II (Walsum, Rheinhausen sowie die Ortsteile Alt-Homberg, Hochheide und Baerl) vor und setzten in ihren Reden unterschiedliche Schwerpunkt. Ratsmitglied Ersin Erdal monierte etwa die schlechte Infrastruktur. Die Autobahnen und Brücken machten das Ruhrgebiet zur „Achse des Wohlstands“ in NRW. „Aber wir bringen Güter schneller nach China als wir mit dem Auto von Walsum im Duisburger Süden sind“, ruft Erdal den Genossen entgegen.
DGB-Geschäftsführerin Angelika Wagner zieht in der zweiten Runde zurück
DGB-Geschäftsführerin Angelika Wagner beruft sich darauf, die Stimme der Arbeiter zu vertreten und sämtliche Gewerkschaften hinter sich zu wissen. Sie legte ihren Schwerpunkt denn auch auf einen sozialen Neustart und mahnte Verbesserungen für Arbeitnehmer an. „Es kann nur schaden, wenn Unternehmen, die Dumpinglöhne zahlen, öffentliche Aufträge bekommen.“ Nach 20 Jahren in der Kommunalpolitik fühle sie sich bereit für eine neue Aufgabe auf Landesebene.
Mit Benedikt Falszewski ging der ehemalige Vorsitzender der SPD-Jugendorganisation an den Start. Schulpolitik sieht er als einen seiner Schwerpunkte. „Aufstieg durch Bildung darf keine Floskel bleiben. Laschet kümmert sich lieber um die Öffnung von Geschäften, die Gucci-Taschen anbieten als um die Schulen“, findet der Büro-Mitarbeiter von Bärbel Bas.
Die Genossen goutierten sein Engagement und Profil im ersten Wahlgang mit 55 Stimmen. Angelika Wagner erhielt 32, Ersin Erdal 25, Marcus Mellenthin 23, Nils Petersen 17, Rainer Schütten neun und Mehmet Aslan zwei. Die erforderliche Mehrheit lag bei 84 Stimmen. Nach einer zehnminütigen Unterbrechung, in der zwischen den Ortsvereinen neue Allianzen geschmiedet wurden, zog Angelika Wagner in einer emotionalen Ansprache ihre Kandidatur zugunsten von Benedikt Falszewski zurück. „Ich weiß, dass der DGB mich braucht und bin dennoch dankbar für die Unterstützung.“ In der zweiten Runde blieben nur noch Zwei-Stimmen-Mann Aslan, Ersin Erdal und Benedikt Falszewski im Rennen. Dieser setzte sich dann mit 78 Stimmen gegen Ersin Erdal durch. Aslam wurde auch in diesem Wahlgang von zwei Mitgliedern unterstützt.
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Wie tief die Gräben zwischen den Parteimitgliedern teilweise sind, zeigte sich bei der Abstimmung um den Wahlkreis Duisburg III (Hamborn, Meiderich/Beeck sowie Ruhrort, Neuenkamp, Kaßlerfeld und Duissern). Frank Börner, seit neun Jahren im Parlament vertreten und stets direkt gewählt, wenn auch 2017 mit ordentlichen Stimmenverlusten, musste gegen Ismail Dilgin und Jan Ingensiep antreten. Und die Wahl war keineswegs ausgemachte Sache. Im Vorfeld gab es bereits online die eine oder andere Stichelei unter den Genossen.
Auseinandersetzungen um Kandidatur im Norden: Kein Selbstläufer für Frank Börner
Ismail Dilgin, als Letzter in das Rennen um die Nominierung eingestiegen, gab zu Beginn denn auch eine persönliche Erklärung ab. „Endlich sehen wir uns persönlich, da können sich die Tastatur-Terroristen nicht mehr verstecken.“ Der 35-jährige Rheinhausener hat sich von der Hauptschule zum Akademiker hochgearbeitet und kritisiert, dass die SPD aktuell mit „angezogener Handbremse“ unterwegs sei.
Jan Ingensiep, Vorsitzender der SPD Marxloh, beflügelte sämtliche Kritiker der etablierten Genossen. Der 37-Jährige versteht sich als engagierter Vor-Ort-Politiker, bezeichnete Vereine als „Kitt der Gesellschaft“, weiß um die Probleme in Stadtteilen wie Marxloh und hat Vorschläge, wie man die Bürger wieder von der SPD überzeugen könnte. Sein Erfolg: Ingensiep erhielt 72 Stimmen im ersten Wahlgang und zwang Börner in die Stichwahl. 82 Delegierte hatten für Börner votiert, zu wenig für einen direkten Sieg. Dilgin bekam drei Stimmen, zog aber nicht zurück. In der zweiten Runde stand es dann 82 zu 76 für Börner.
„Geile Vorstellung, alle Achtung. Das ist ein Erfolg“, lobt ein Genosse aus Neudorf. Ein anderer sagt: „Dieses Ergebnis macht deutlich, wie es um unsere Partei bestellt ist. Börner betont indes auf Nachfrage, dass er ja auch regelmäßig in Marxloh vor Ort sei.
Ingensiep versteht das Ergebnis so, dass er sich weiter in den Dienst der Partei stellen will – und bei der nächsten Landtagswahl eventuell noch einmal antritt. Am Ende stand Ingensiep jedenfalls neben Benedikt Falszewski und sagte etwas versonnen: „Ben, ich hatte den Tagtraum, dass wir beide irgendwann im Landtag stehen.“ Der konterte selbstbewusst: „Ich lad’ dich gerne ein. Kannst mich besuchen kommen.“