Duisburg-Rheinhausen. Rheinhausens einstige Finanzmeile bröckelt. Die Commerzbank schließt ihre letzte Filiale im Duisburger Westen. Auch die Deutsche Bank hat Pläne.
Es ist ein Sterben auf Raten. Vor ein paar Jahren noch war Hochemmerich eine sichere Bank, wenn es um den Service für die Geldangelegenheiten der Bürger in Duisburgs westlichem Stadtteil ging. Rund um die Krefelder Straße reihte sich ein Finanzinstitut an das nächste: Volksbank, Deutsche Bank, Targobank, Commerzbank, die Sparkasse um die Ecke in der Fußgängerzone und die Santanderbank nur ein paar Schritte entfernt an der Friedrich-Alfred-Straße.
Dann begann das Rheinhauser Bankenimperium zu bröckeln. Im März 2017 hatte die Santander Bank zunächst ihren Kassenbetrieb eingestellt, um die Filiale ein paar Monate später dann ganz zu schließen. Eine Entwicklung, die sich seitdem wie ein Dominoeffekt durch den Stadtteil zu ziehen scheint. Im Juli 2018 verabschiedete sich auch die Commerzbank an der Krefelder Straße davon, Bargeld am Schalter auszuzahlen. Damals versicherte eine Sprecherin auf Anfrage unserer Zeitung noch, dass die Filiale erhalten bliebe, da der Standort Rheinhausen wichtig für das Unternehmen sei.
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Schnee von gestern! Kürzlich verkündete die Commerzbank im Rahmen ihrer Neuausrichtung, bei der bundesweit 10 000 Stellen abgebaut werden, dass sie das bereits ausgedünnte Duisburger Filialnetz noch weiter reduzieren wird. Auf der Streichliste für das Jahr 2022 steht auch die Rheinhauser Filiale. Damit wird es ab dem kommenden Jahr im Duisburger Westen keine einzige Filiale der Commerzbank mehr geben. Wer persönlich mit einem Bankberater etwas klären oder Geld abheben möchte, der muss dann auf die andere Rheinseite nach Hamborn oder bis in die Innenstadt zur Filiale an der Königstraße fahren.
Auch die Sparkasse hat Filialen geschlossen. In Rheinhausen ist sie zum Markt umgezogen
Etwas besser geht es da den Sparkassenkunden. Zwar wurden im vergangenen Jahr die Filialen an der Beethovenstraße und der Kaiserstraße geschlossen, aber die Zweigstelle in der Fußgängerzone zog um an den Hochemmericher Markt, so dass es nun immerhin noch eine zentrale Anlaufstelle in Rheinhausen gibt.
Und was passiert mit der Deutschen Bank an der Krefelder Straße? Im Frühjahr hatte das Unternehmen verkündet, bundesweit bis zum Jahresende jede fünfte Filiale zu schließen. Darunter auch die Filiale in Rheinhausen. Hier hängt aktuell im Foyer allerdings ein Zettel, der den Kunden auf Deutsch und Türkisch etwas anderes verkündet: „Wir bleiben weiterhin für Sie hier in Rheinhausen mit einer Finanzagentur der Deutschen Bank.“
Die Deutsche Bank informiert ihre Kunden mit einem Zettel im Foyer über die Pläne
Dass eine Finanzagentur keine Filiale ist, steht auf dem Papier nicht. Wer Beratung in Vermögensfragen von Fachleuten im Auftrag der Deutschen Bank sucht, wird hier künftig an der richtigen Adresse sein. Aber das ganz normale Alltagsgeschäft von der Überweisung bis zur Bargeldauszahlung wird es am Standort Krefelder Straße nur noch am Automaten geben.
Die Banken begründen ihre Filialschließungen vor allem mit dem steigenden Anteil der Kunden, die ihre Geschäfte lieber online oder an den Selbstbedienungsgeräten abwickeln. Die Commerzbank zum Beispiel hatte im Sommer 2018 die Einstellung ihres Kassenbetriebs an der Krefelder Straße damit erklärt, dass für mehr als 90 Prozent aller Bargeldgeschäfte die Selbstbedienungs-Geräte genutzt würden.
100 000 Duisburger sind älter als 60 Jahre
Aber was ist mit den Menschen, die das nicht können? „Hier werden ganz klar Menschen ausgegrenzt“, sagt Horst Vöge, der Vorsitzende des Sozialverbands VdK NRW. Er sieht alte, kranke und körperlich oder geistig beeinträchtigte Menschen benachteiligt. Und dass das nicht wenige sind, rechnet er am Beispiel von Senioren vor: „Wir haben in Duisburg etwa 100 000 Menschen, die älter als 60 Jahre sind. 34 000 sind sogar über 80.“ Ein Großteil von ihnen habe Probleme damit, die Bankgeschäfte auf das Internet oder die Selbstbedienung umzustellen.
„Was die Banken da veranstalten mit ihren Filialschließungen, ist ein Unding“, sagt Vöge. Auch wenn die Internet-Affinität der 60- bis 65-Jährigen in den vergangenen zehn Jahren von 30 auf 64 Prozent gestiegen sei, würde das noch lange nicht bedeuten, dass die auch alle mit dem Onlinebanking klarkommen. „Das ist wegen der hohen Sicherheitsanforderungen viel schwieriger als nur im Internet zu surfen.“
15 Jahre haben die Banken Zeit, das Barrierefreiheitsgesetz umzusetzen
Rheinhausens Bezirksbürgermeisterin Elisabeth Liß, die schon lange von einer seniorengerechteren Stadt träumt, fühlt sich den Entscheidungen der Banken fast schon „ohnmächtig“ ausgeliefert. „Das ist ein ganz trauriger Trend.“ Politisch sei man da so gut wie machtlos.
Das stellt auch Horst Vöge mit Blick auf die Lobbyarbeit der Banken bei der Verabschiedung des „Barrierefreiheitsgesetzes“ im Mai fest. Der Bundestag sollte hier die EU-Richtlinie umsetzen, dass alltägliche Angebote wie Bankautomaten barrierefrei werden. Die Banken hätten dabei am Ende für sich herausgeschlagen, dass es bis zur verpflichtenden Umrüstung der Selbstbedienungsterminals eine Übergangsfrist von 15 Jahren gibt. Horst Vöge fehlen dazu die Worte. Nur so viel: „Barrierefreie Geldautomaten werden viele nicht mehr erleben, weil sie vorher sterben.“