Duisburg. Pianist Alessio Nocita rettet das „Sommerabendkonzert“ mit Evelyn Ziegler in der Friedenskirche Hamborn. Er beeindruckt auch mit Schnelligkeit.
Glück im Unglück hatte das Publikum des letzten Sommerlichen Orgelkonzerts in der Hamborner Friedenskirche: Gleich zwei Musiker waren erkrankt, sie wurden durch den Pianisten Alessio Nocita ersetzt. Das Programm mit Sopranistin Evelyn Ziegler, die als einzige des ursprünglich engagierten Ensembles gesund und munter geblieben war, wurde komplett neu konzipiert.
Ursprünglich war ein „Sommerabendkonzert“ mit Friedemann Pardall am Cello und Rolf Hennig-Scheifes an den Tasteninstrumenten geplant. Nun richtet Alessio Nocita den Schwerpunkt auf barocke Klänge und bringt gleich sein eigenes Cembalo mit, das einem flämischen Vorbild von 1689 nachempfunden ist. Mit schwarzen Rüschenhemd, Gehrock und Lederhose könnte Nocita auch einer Gothic-Rockband entsprungen sein, doch schnell zeigt sich, dass in diesem düsteren Kostüm ein gut gelaunter Musiker mit einer Leidenschaft für barocke Klänge steckt.
Alessio Nocita stellt sich auch als Komponist vor
Zwei Gesänge aus dem Schemelli-Liederbuch begleitet er dezent, aber punktgenau: Evelyn Ziegler gewinnt das Hamborner Publikum sofort mit ihrer jugendfrischen Stimme, die die naive Frömmigkeit des 17. Jahrhunderts sehr gut vermittelt. Alessio Nocita stellt sich in diesem Konzert auch als Komponist vor. Sein Prélude „Lust“ atmet barocken Geist und ist kein rauschhaftes Präludium im Bach-Stil, sondern eine sanft dahin strömende Fantasie, die gut mit der Sarabande des französischen Komponisten Rameau korrespondiert, die Nocita später ganz entspannt musiziert.
Sehr gelungen sind auch seine „Zwei Kinderlieder“, in denen er sich auf die Suche nach dem Kind in sich selbst begibt. Seine Melodien sind schön, aber nie platt. Im Morgenlied glänzt er mit seinem funkelnden Klavierspiel, das Evelyn Zieglers ausdrucksvollen Gesang begleitet: Die Zeilen „Steh doch auf und freu Dich!“ singt sie mit einem Lächeln in der Stimme.
Zwölf Minuten für drei Etüden von Philipp Glass
Beeindruckende Fingerfertigkeit zeigt Nocita in drei Etüden des amerikanischen Minimal-Komponisten Philipp Glass. Der Komponist, der 2014 im Landschaftspark selbst zu erleben war, würde für diese Stücke eine halbe Stunde brauchen. Nocita spielt die Etüden so dynamisch und dramatisch, dass er schon nach 12 Minuten fertig ist.
Zum Abschluss kann Evelyn Ziegler mit der großen Klage-Arie „Lascia ch´io pianga“ aus Händels „Rinaldo“ glänzen. Heimelige Wohlfühl-Atmosphäre gibt es beim Abendsegen aus Humperdincks „Hänsel und Gretel“.
Die Zugabe „Amazing Grace“ bietet großes Gefühlskino
Dauern die Sommerlichen Orgelkonzerte sonst 75 Minuten, so überziehen die Künstler an diesem Abend um 25 Minuten, was eindeutig zu lang ist. Das mag an der kurzfristigen Umgestaltung des Programms liegen, zu ausführlich ist aber auch die Moderationen, die Peter Stockschläder, der Organisator der Reihe, auf Wunsch von Evelyn Ziegler beisteuert. Die Erfahrung hat gezeigt, dass es stets die beste Lösung ist, wenn die Musiker ihr Konzert selbst moderieren. Sie sind meist von der Musik befeuert, so dass sie nach ein paar knappen, treffenden Informationen, zum nächsten Stück eilen.
Trotz Überlänge möchte das Publikum noch eine Zugabe. Den Anti-Sklaverei-Gospel „Amazing Grace“ wird mit Nocita am Klavier und Evelyn Ziegler zum großen Gefühlskino.