Duisburg-Ruhrort..
Familienvater Olaf verzockte Geld für ein Einfamilienhaus, seinen Sitznachbarn kosteten Online-Poker und Sportwetten die Ehe. Im Caritas-Suchthilfezentrum Nikolausburg wurden viele Spielsüchtige mit Psycho-Therapie und Gesprächskreisen spielfrei.
„Irgendwann habe ich eine Wii-Spielekonsole, die ich gerade erst meinen Kindern geschenkt hatte, zum Pfandleiher gebracht. Dann habe ich das Geld verzockt“, sagt Olaf (41), und die Augen des kräftigen blonden Mannes werden für einen Moment feucht: „Als ich dann aus der Spielhalle kam, war es wie ein Schlag mit dem Hammer in die Fresse: So geht es nicht weiter, Schluss!“
Zu diesem Zeitpunkt, vor drei Jahren, hatte der Vater zweier Kinder schon eine 20 Jahre währende Zocker-Karriere hinter sich, hatte in seiner Spielsucht „Geld für ein schmuckes Einfamilienhaus“ verzockt: „Oder mehr. Ich darf nicht darüber nachdenken, wie viel es war“.
Der hagere Ralf (34/Name geändert) sitzt daneben, schaut unsicher in die Runde: „40.000 Euro habe ich verloren“. Ralf gehörte zur ständig wachsenden Gemeinde der Internet-Zocker. Online-Poker und Sportwetten kosteten ihn auch seine Ehe: „Auch ich habe Frau und Kind“. Ex-Frau, korrigiert er sich.
Beide sind seit mehr als zwei Jahren „spielfrei“, wie sie es im Ruhrorter Caritas-Suchthilfezentrum Nikolausburg nennen. Franz-Josef Werner, Bereichsleiter Sucht, und Spielsucht-Projektleiterin Brigitte Jansen haben in den vergangenen drei Jahren 186 spielsüchtige Menschen aus der Region betreut und mit Hilfe von Psycho-Therapie und Gesprächskreisen viele aus dem Teufelskreis befreit. Erst, wer sein letztes Spiel gespielt hat, ist ein Sieger
Neun von zehn Süchtige sind Männer
Die Ruhrorter Klientel setzt sich zu 80 Prozent aus Automatenspielern zusammen. Einer von zehn Süchtigen sei abhängig von Casino-Spielen wie Blackjack oder Roulette, der Rest setzt die Existenz bei Wetten und Poker aufs Spiel. Neun von zehn Süchtigen sind Männer – mehr als ein Drittel mit Migrationshintergrund. „Auffallend viele“, sagt Brigitte Jansen.
Im Rahmen des bundesweiten Programms „Frühe Intervention bei pathologischem Glücksspiel“ stampften Werner, Jansen und ihre Mitarbeiter die einzige Einrichtung dieser Art in NRW aus dem Boden. „Beim Thema Glücksspielsucht herrscht in unserer Gesellschaft eine ungeheure Doppelmoral. Ein fortwährender Skandal“, sei es, sagt Werner, wie die Politik mit dem Thema umgehe.
Noch in den Achtziger Jahren hätten Volksvertreter aller Ebenen geleugnet, dass etwas wie Glücksspielsucht existiere – im Gegenteil: Der verstorbene FDP-Spitzenpolitiker Otto Graf Lambsdorff und Ex-NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) waren und sind Lobbyisten der Spielautomaten-Branche.
Doppelmoral der Kommunen
David Schnabel, Spielerschutz-Beauftragter der Westspiel Casino GmbH, die auch das Duisburger Casino betreibt, kann den Vorwurf der Doppelmoral durchaus nachvollziehen: „Es gibt da bei den Kommunen in der Tat eine Art Doppelmoral.“ Das Glücksspiel-Monopol des Staates gehe eben mit einer Fürsorge-Pflicht für den Spieler einher. Davon könne in Spielhallen zumeist keine Rede sein: „Wir sehen unser Unterhaltungsangebot im Wettbewerb zu Kino und Theater.“ Es gelte, den Spieltrieb der Bürger in geordnete Bahnen zu lenken.