Duisburg. Die Fotokünstlerin Anja Bohnhof hat Stationen des indischen Weltveränderers besucht. Und dabei auch hinter sonst verschlossene Türen geschaut.
Die Fotografin Anja Bohnhof setzt sich schon seit Jahren mit indischen Themen auseinander. Sie hat Serien wie „Bahak“ über die Lastenträger oder „Books for sale“ über das Buchviertel in Kolkata gemacht. Ihre aufwendigste Arbeit ist zum 150. Geburtstag von Mahatma Gandhi entstanden. Eine Auswahl aus den 78 Bildern des Buchprojekts „Tracking Gandhi“ ist jetzt im Kunstraum von Dr. Manhardt Barthelmie im Mercatorhaus an der Königstraße zu sehen.
Wer nach Indien reist, kommt an der „großen Seele“ (so der übersetzte Ehrentitel Mahatma) nicht vorbei, obwohl seine Botschaft in Zeiten des von Premierminister Narendra Modi angeheizten Hindu-Nationalismus kaum noch zu hören ist. Über einen Zeitraum von fünf Jahren lang ist Anja Bohnhof zu den Orten in Südafrika, Südafrika, Indien und Bangladesch gereist, an denen Gandhi gewirkt hat.
Fotografin drang auch an Orte vor, die sonst nicht zugänglich sind
Wer schon mal nur ein Touristenvisum für Indien beantragt hat, glaubt sofort, dass die indische Bürokratie eine unmenschliche Geduld und Hartnäckigkeit erfordert. So wäre sie fast daran gescheitert, den ehemaligen OP-Raum im Sassoon Hospital in Pune zu fotografieren, in dem Gandhi am Blinddarm operiert wurde, schildert Anja Bohnhof. Eine Woche lang habe sie das Direktorenzimmer belagert – erfolgreich, wie die Fotografie des schlichten Raums zeigt. Hierher war Gandhi 1924 zu einer Notoperation aus dem Gefängnis gebracht worden, wo er eine Haftstrafe verbüßte wegen das Aufrufs zum Boykott aller Institutionen der britischen Kolonialmacht.
Die fotografische Reise an die geschichtsträchtigen Orte in ihrem heutigen Zustand beginnt dort, wo am 2. Oktober 1869 Mohandas Karamchand Gandhi geboren wurde: Das Haus in Porbandar im Bundesstaat Gujarat, heute eine Stätte der Erinnerung. Sie führt nach Südafrika, wo Ghandi, der in England Jura studiert hatte, als Anwalt arbeitete. Als „Nicht-Weißer“ war er aus der ersten Klasse im Zug verwiesen worden und musste eine Nacht im Warteraum des Bahnhofs Pietermaritzburg verbringen: Ein Wendepunkt in seinem Leben.
Der Pazifist Gandhi saß in vielen Gefängnissen in Südafrika und Indien
Anja Bohnhof hat die Gefängnisräume fotografiert, in denen Gandhi saß – unter anderem im Gefängnis Constitution Hall in Johannesburg, wo später auch Nelson Mandela inhaftiert war. Sie zeigt Aschrams, in denen Gandhi und seine Anhänger lebten nach den Regeln Besitzlosigkeit, Wahrheit, Gewaltlosigkeit und sexuelle Enthaltsamkeit, sie führt an die Orte seiner Kampagnen wie dem berühmten Salzmarsch, mit denen er auf die Ausbeutung der Inder durch die Kolonialmacht aufmerksam machte, sie zeigt das Sterbezimmer seiner Ehefrau Kasturbai während der Haft im Aga Khan Palast in Pune 1944.
Schließlich geht es nach Noakhali im Ganges-Delta in Bangladesch. Nachdem sich abzeichnete, dass mit der Unabhängigkeit das Land in das hinduistische Indien und muslimische Pakistan geteilt werden würde, unternahm der Hindu Gandhi einen Friedensmarsch durch die überwiegend muslimische Region. Doch die blutigen Kämpfe nach der Teilung konnte Gandhi nicht verhindern. Er wurde selbst Opfer eines extremistischen Hindu-Nationalisten, der ihn am 30. Januar 1948 in Neu Delhi erschoss. Gandhis Asche wurde an verschiedenen Orten verstreut, Anja Bohnhof fotografierte einen: den nebelverhangenen Zusammenfluss der Flüsse Ganges, Yamuna und Saraswati.
Fotografien erinnern an einen Menschen, der zu einer Ikone wurde
Es sind sehr stille Fotografien, die die 1974 geborene Künstlerin, die in Dortmund lebt, gemacht hat. Sie zeigen fast menschenleere und fast farblose Orte, nicht das laute, bunte, überwältigende Indien. Es sind zumeist bescheidene Räume, die zur Erinnerung an einen Menschen einladen, der zu einer Ikone geworden ist, vergleichbar mit dem Dalai Lama heute. Anja Bohnhof sagt, je mehr sie sich mit Gandhi beschäftigt habe, desto tiefer sei ihre Verbeugung vor ihm: „Gandhi macht Mut.“