Duisburg.
Der Polizist - ein reiner Praktiker? Diese Gleichung ist längst überholt. Wer heute Gesetzeshüter werden will, studiert - und die Polizei ist zum Gegenstand der Wissenschaft geworden. „Es ist eigentlich erstaunlich, wie lange die Polizei unbeobachtet von wissenschaftlichem Interesse war. Das liegt vielleicht auch daran, dass sie sich nicht immer freudig der Beobachtung gestellt hat und stellt“, sagt Prof. Dr. Carsten Dams.
Der 42-Jährige zählt zu einer Handvoll Forschern, die sich der jungen Disziplin Polizeiwissenschaft widmen. Er ist 2008 zum Professor an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW (FHöV) berufen worden - und in Lehre und Forschung tätig. Im Rahmen seines Studiums (Geschichte, Soziologie, Politikwissenschaft) an der Universität Duisburg war der Historiker auf das „spannende Thema“ Polizei gestoßen. Der Titel seiner Doktorarbeit lautete „Staatsschutz in der Weimarer Republik. Die Überwachung und Bekämpfung der NSDAP durch die preußische politische Polizei von 1928 - 1932“.
Weiter in die historische Betrachtung der Polizei stieg er ab 2003 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FHöV ein. Er erstellte unter anderem Unterrichtsmaterialien zur „Polizeigeschichte im NS-Staat“ oder konzipierte im Zuge des Düsseldorfer Polizeiprojektes „Dienst am Volk“ eine Dauerausstellung zur Polizeigeschichte im Düsseldorfer Präsidium mit. „Die Polizeiforschung in Deutschland nimmt langsam zu, aber wir haben noch reichlich Nachholbedarf gegenüber den USA oder Großbritannien“, so der gebürtige Duisburger.
Prof. Carsten Dams hat ein vielbeachtetes Buch über die „Gestapo“ geschrieben (es wurde schon ins Chinesische und Tschechische übersetzt), das „Handbuch der Polizeien Deutschlands“ mit herausgegeben. Er sitzt derzeit an einem Buch über die Polizei im Dritten Reich. „Wenn das fertig ist, werde ich mich ‘mal mit aktuellen Themen beschäftigen. Den Zusammenhang zwischen Polizei und Gewalt würde ich gerne näher untersuchen. Auch die Frage, ob und wie Frauen die Polizei verändert haben, finde ich hochinteressant. Es scheint auf den ersten Blick ja so, als ob sie zivilisierend gewirkt hätten“, gibt er an. Themen, die sicher auch seine Studentinnen und Studenten fesseln werden . . .
„Ein Polizeibeamter muss handlungsschnell und handlungssicher sein. In einer komplexer gewordenen Welt braucht er aber auch komplexere geistige Mittel“, sagt der Lehrende. Deshalb verfolge man an der FHöV das Ziel, die Polizeiausbildung wissenschaftlich zu gestalten, die Polizeiarbeit sozialwissenschaftlich zu reflektieren - ohne jedoch „vergeistigte Theoretiker in die Praxis zu entlassen“.
Seminar "Polizei und Fußball" geplant
Professor Dams deckt die Fächer Geschichte, Soziologie und Politik ab - gibt 18,5 Stunden Unterricht in der Woche. „Die jungen Leute hier bei uns interessieren sich für soziologische und politische Fragestellungen“, hat er festgestellt. Vor allem, wenn sie (auch) Gegenwartsbezug haben. Das Unterrichtsmodul „Extremismus/Terrorismus“, das der in Düsseldorf lebende „Prof“ derzeit anbietet, bekam Aktualität durch die jüngsten Ermittlungen und Erkenntnisse zu NSU, Zwickauer Zelle, etc. Für die Zukunft plant Carsten Dams ein Seminar, das sicherlich auch viele Teilnehmer ziehen wird. Der Titel: „Polizei und Fußball“.
Nicht wenige Studierende wollen übrigens auch ihre Thesis (Abschlussarbeit) bei dem Polizeiwissenschaftler schreiben, im letzten Jahr gab es 50 Bewerber (nur zehn bis 15 kann er betreuen).
„Lehrorientiert“ ist die FHöV, das Präsidium will aber auch die Forschung stärken. „Wir müssen uns intensiver darum bemühen, Drittmittel einzuwerben“, sagt Dams. Gemeinsam mit sieben weiteren Wissenschaftlern hat er bereits das „Institut für Polizei- und Kriminalwissenschaften“ eingerichtet, das die Forschung bündeln, Projekte ersinnen und durchführen und Kooperationen anbahnen soll.
Im Kopf schwirren Carsten Dams viele mögliche Fragestellungen herum. Zum Beispiel: „Welche Folgen hat die Globalisierung für die Polizei?“ oder auch „Was hat mangelnde Bildung mit Gewaltbereitschaft zu tun?“. Er ist sich sicher: „Polizei(wissenschaft) wird so schnell nicht langweilig.“