Düsseldorf/Duisburg. Bande soll „Hawala-Banking“ in ganz großem Stil betrieben haben. Das Geld soll auch in Juwelier-Geschäften in Duisburg verschoben worden sein.
Vorläufiger Abschluss mehrjähriger Ermittlungen: Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft hat sieben Männer im Alter von 33 bis 53 Jahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung sowie Verstößen gegen das Waffen- und das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz angeklagt. Sie sollen sogenanntes „Hawala-Banking“ in ganz großem Stil betrieben haben. Insgesamt geht es laut Anklage um eine Summe von 213 Millionen Euro, die an den Augen des Staats vorbei verschoben worden sein sollen. Dabei wurde zum Beispiel Geld möglicherweise auch aus illegalen Quellen bei einem Mittelsmann in Deutschland eingezahlt, das dann teilweise zeitgleich von einem Empfänger bei einer Kontaktperson in der Türkei abgeholt wurde. Die Kunden der „Banker“ zahlten für diese Leistung nach Angaben der Staatsanwaltschaft eine Provision.
Hauptverdächtiger ist ein inzwischen 51-Jähriger aus Düsseldorf. Der Mann hatte bis zu seiner Festnahme mehrere Juweliergeschäfte in Duisburg betrieben - auch über die sollen die verbotenen Finanztransaktionen abgewickelt worden sein. Als einziger der Verdächtigen sitzt er seit seiner Festnahme bereits im November 2019 noch immer in Untersuchungshaft. Gegen zwei weitere ebenfalls türkisch-stämmige mutmaßliche Komplizen aus Meerbusch und Hessen wurden die damals auch vollstreckten Haftbefehle laut der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft inzwischen gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt. Zur Herkunft der weiteren Verdächtigen machen die Ermittler mit Verweis auf den Datenschutz keine näheren Angaben.
62 Objekte in mehreren Bundesländern durchsucht
Der Zugriff der Ermittlungsbehörden erfolgte vor fast anderthalb Jahren: Mehrere 100 Beamte, darunter Staatsanwälte, Experten des Landeskriminalamts (LKA), Steuerfahnder und Fachleute der Bankenaufsicht Bafin hatten im November 2019 mit Unterstützung durch Spezialeinsatzkräfte insgesamt 62 Objekte durchkämmt, in Nordrhein-Westfalen, wo ein Schwerpunkt in Duisburg und Düsseldorf lag, in Hessen, Baden-Württemberg, Berlin und in den Niederlanden. Es war der erste große Erfolg der aus Mitgliedern von Polizei, Steuerfahndung und Justiz bestehenden und beim LKA Nordrhein-Westfalen angesiedelten sogenannten „Task-Force NRW“.
In Duisburg war die Polizei in Marxloh und in der Altstadt in mehreren Objekten im Einsatz. Im Zuge der Ermittlungen kassierten die Behörden rund 6,2 Millionen Euro Bargeld, Edelmetalle im Wert von rund 7,1 Millionen sowie Luxusgegenstände und Fahrzeuge im Wert von rund 4,5 Millionen Euro ein. „Wir haben gesichert, was zu sichern war“, sagt der Düsseldorfer Staatsanwalt Julius Sterzel.
Vorwurf: Täglich bis zu einer Million Euro bewegt
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Gruppe seit Ende 2017 in Deutschland und der Türkei aktiv war und täglich Transaktionen im Wert von 700.000 Euro bis zu einer Million Euro bewegt hat. Mit der Anklage versucht die Staatsanwaltschaft auch, die Gesamttransaktionssumme der illegalen Überweisungen von 213 Millionen Euro einziehen zu lassen. Die im Rahmen der Razzia bereits sicher gestellten Gelder und Wertgegenstände, die sich laut Staatsanwaltschaft derzeit an einem sicheren Ort befinden, könnten dann darauf angerechnet werden.
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Wie groß der Aufwand für die Ermittlungsbehörden gewesen ist, dem Netzwerk die Taten nachzuweisen, lässt sich an diesen Zahlen belegen: Bei der Razzia im November 2019 wurden unter anderem 115 Mobiltelefone und Tablets, 65 PCs und Laptops, 134 sonstige Datenträger und über 1000 Aktenordner mit Unterlagen sichergestellt. „Das durch die Beamten insgesamt ausgewertete Datenvolumen betrug circa 390 Terabyte“, sagt Sterzel.
Landgericht Düsseldorf entscheidet über das Verfahren
Der mutmaßliche Rädelsführer, bei dem bei seiner Festnahme auch eine halbautomatische Kurzwaffe entdeckt worden war, habe sich über seinen Rechtsanwalt zu den Vorwürfen geäußert, sagt Sterzel. Demnach habe er den Sachverhalt grundsätzlich „nicht bestritten“. Die rechtliche Bewertung entscheide sich allerdings von der der Staatsanwaltschaft. Teil einer kriminellen Vereinigung will der Mann nach Angaben seines Verteidigers nicht gewesen sein, was für das Strafmaß bei einer möglichen Verurteilung von Bedeutung sein könnte.
Einen Prozesstermin gibt es noch nicht. Das Landgericht Düsseldorf müsste nun über die Eröffnung eines Hauptverfahrens entscheiden, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Angesichts der Komplexität der Vorwürfe und der Menge der Angeklagten dürfte es aber ein „Mammut“-Prozess werden.
Auch für die Ermittlungsbehörden ist das Verfahren längst noch nicht abgeschlossen. Nach der Razzia war von insgesamt 27 namentlich bekannten Personen die Rede, gegen die ermittelt werde. Ein Teil der Verfahren sei inzwischen abgetrennt worden, sagt Sterzel, in anderen liefen die Ermittlungen noch. Bei der Razzia hatten die Strafverfolgungsbehörden insgesamt sechs Haftbefehle im Gepäck. Drei konnten nicht vollstreckt werden. Die Verdächtigen sind weiter flüchtig.