Düsseldorf. Die Polizei nahm bei der „Hawala-Razzia“ auch den mutmaßlichen Boss der verzweigten Bande fest. Die Beamten fanden zudem scharfe Schusswaffen.

Die Polizei hat bei der Großrazzia gegen mutmaßliche illegale Geldschieber auch vier scharfe Schusswaffen sicher gestellt. Außerdem stießen die Ermittler bei ihren Durchsuchungen am Dienstag auf beträchtliche Vermögenswerte: 6,2 Millionen Euro Bargeld, Gold im Wert von 7,1 Millionen Euro, sonstigen Schmuck und Edelsteine im Wert von 6,5 Millionen Euro und weitere Gegenstände wie etwa Autos im Wert von 2,2 Millionen Euro. Die Schätze der „Hawala-Bande“ lagern nun an einem sicheren Ort bei der Bundesbank. Am Mittwoch gaben die Ermittlungsbehörden weitere Details zu dem Einsatz bekannt.

Mehrere 100 Beamte, darunter Staatsanwälte, Experten des Landeskriminalamts (LKA), Steuerfahnder und Fachleute der Bankenaufsicht Bafin hatten am Dienstag seit den frühen Morgenstunden insgesamt 62 Objekte durchkämmt, in Nordrhein-Westfalen, wo ein Schwerpunkt in Duisburg und Düsseldorf lag, in Hessen, Baden-Württemberg, Berlin und in den Niederlanden. Sechs Haftbefehle hatten die Ermittler dabei, in drei Fällen wurden diese auch vollstreckt. Weil bereits im Vorfeld der Verdacht bestand, dass einige der Verdächtigen Waffen besitzen, waren bei den Durchsuchungen auch Spezialeinsatzkräfte dabei. Einer der Festgenommenen wurde bei dem Zugriff leicht verletzt.

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27 Verdächtige im Visier der Ermittlungsbehörden

Insgesamt werde gegen 27 namentlich bekannte Verdächtige ermittelt, sagte der zuständige Düsseldorfer Staatsanwalt Stefan Willkomm am Mittwoch. Sie sollen Teil eines Netzwerks sein, dass Finanztransaktionen über das sogenannte „Hawala-Banking“ abgewickelt haben soll. Dabei werde zum Beispiel Geld bei einem Mittelsmann in Deutschland eingezahlt, das dann teilweise zeitgleich von einem Empfänger bei einer Kontaktperson in der Türkei abgeholt werde, erklärt Willkomm. In Deutschland seien dafür unter anderem Pfandhäuser genutzt worden. „In diesem System sind keine Buchungen notwendig“, sagt Willkomm, „und es gibt keine staatliche Kontrolle.“ Dass dabei auch Gelder aus illegalen Quellen verschoben werden, sei angesichts der Methode wahrscheinlich, sagt Kriminaloberrat Michael Reska vom LKA, der den Einsatz am Dienstag als Polizeiführer geleitet hat.

Rein rechtlich handele es sich bei dieser Art der Geldverschiebung um einen Verstoß gegen das Zahlungsdienstaufsichtsgesetz. Die Ermittler sind zudem davon überzeugt, dass die Verdächtigen eine kriminelle Vereinigung gebildet haben: Die drei Festnahmen aufgrund von Haftbefehlen am Dienstag waren in Düsseldorf, Meerbusch und einem Ort in Hessen, den die Behörden nicht näher nennen. Die Verdächtigen sind 34, 50 und 51 Jahre alt und türkisch-stämmig. Eine Verbindung zu Clan-Strukturen bestehen nach den bisherigen Erkenntnissen nicht.

Zur Frage, warum die drei weiteren Männer, die ebenfalls per Haftbefehl gesucht werden, nicht festgenommen wurden, äußern sich die Behörden nicht. „Ermittlungstaktische Gründe“ habe das, hieß es. Rädelsführer und damit Chef der kriminellen Vereinigung soll der in Düsseldorf festgenommene 50-Jährige gewesen sein. Er soll mehrere Juwelierläden unter anderem in Duisburg besessen haben und über die das „Hawala-Banking“ abgewickelt haben.

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Insgesamt sollen 213 Millionen Euro bewegt worden sein

Die Vereinigung ist laut den Ermittlungsbehörden seit Ende 2017 aktiv. Seit einem Jahr ist ihnen eine spezielle Task Force auf den Fersen, die es bundesweit so nur in Nordrhein-Westfalen gibt. Täglich sollen sie Transaktionen im Wert von 700.000 Euro bis zu einer Million bewegt haben. Insgesamt kommen die Ermittler auf eine Größenordnung von 213 Millionen Euro, die in dieser Zeit verschoben worden sein könnten. Auf die Spur kamen die Behörden den Männern durch ein anderes Strafverfahren. In dem war wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Betrugs ermittelt worden.

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„Wir haben tiefe Einblicke in die Strukturen und Abläufe erhalten“, bilanzieren Reska und Willkomm die „sehr komplexen Ermittlungen in einem schwierigen Umfeld“. Es sei gelungen „einen Fuß in die Tür des illegalen Finanzgeschäfts“ zu bekommen. „Beeindruckend“ nannte auch NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) den Ermittlungserfolg seiner Beamten. Er war zuvor schon im Innenausschuss des Landtags auf den Großeinsatz eingegangen.

NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) war ebenfalls sichtlich zufrieden. „Wir sind Ende 2018 angetreten, um Organisierte Kriminalität und eventuelle Terrorfinanzierung möglichst unmöglich zu machen.“ Das Instrument der speziellen Task Force könne er seinen Amtskollegen in den Ländern und im Bund nur empfehlen. Die in NRW gebildete Task Force werde sich nun nicht zurücklehnen, versprach Biesenbach: „Wir werden weiterhin da sein. Die Truppe arbeitet schon an weiteren Fällen.“