Duisburg. Bei einer Stichprobe vor Duisburgs größtem Impfzelt findet sich nur ein Wartender, der sich erstmals impfen lässt. Er müsse, sagt der Mann.
Die neue Zelthalle auf dem Bahnhofsvorplatz zieht Impfwillige an und die Blicke der Passanten auf sich. Aber wer steht dort zurzeit warum und für welche Impfung an? Gesprächsversuche aus der Warteschlange.
An diesem wolkenverhangenen Vormittag unter der Woche stehen in der Kälte Dutzende vor der neuen Zelthalle an, in der das Gesundheitsamt seit ein paar Tagen impfen lässt. Die NRW-Pläne für 2G im Freizeitbereich sind zu diesem Zeitpunkt bereits zu erwarten, von einem Andrang der Ungeimpften aber kann hier und jetzt keine Rede sein. Bei einer Stichprobe ist nur einer von zehn Kontaktierten für eine Erstimpfung gekommen. Der Mann, geschätzt um die 30 Jahre alt, zeigt sich im Gespräch mit einem neugierigen Reporter reserviert, spricht kaum Deutsch. Aber er verrät zumindest, dass er in Essen wohnt, zurzeit auf eine Baustelle in Duisburg arbeitet und dort nur noch als Geimpfter arbeiten darf. Er lässt sich impfen, weil er sonst kein Geld verdienen kann.
Impfzelt am Duisburger Hauptbahnhof: Länge der Warteschlange variiert
Alle anderen, die Worte mit uns wechseln, holen sich bereits den dritten Piks ab, die Booster-Impfung. Anders als unter den Politikern der Republik herrscht unter ihnen Einigkeit – pro Impfpflicht. Einer der Befürworter ist Dieter Matthais. „Eine Impfpflicht ist mittlerweile der einzige Weg, die Lage in den Griff zu bekommen“, meint der Braunschweiger, der beruflich in Duisburg zu tun hat. „Man sieht doch in den Niederlanden und Österreich, wie schlimm die Lage werden kann – man muss heute etwas machen und nicht warten, ehe es zu spät ist.“
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Als er das Impfzelt gesehen hat, habe er sich kurzerhand entschlossen, vorbeizukommen. „Auffrischen muss einfach sein, meine erste Impfung mit Johnson & Johnson soll ja nur noch geringfügigen Schutz bieten.“ Lange warten muss Matthais nicht, entschlossen betritt er das Impfzelt.
Immer wieder wird die Schlange draußen vor dem Zelt länger, dann schnell wieder kürzer. Die Neudorferin Nathalina Thater ist sichtlich erleichtert, dass sie für ihre Auffrischungsimpfung nicht lange in der Kälte ausharren muss. Über Freunde und Bekannte habe sie von der Möglichkeit erfahren, sich hier schnell und ohne Termin impfen zu lassen. Dass die Regierung die Corona-Lage bis Weihnachten in den Griff bekommt, daran glaubt sie nicht. „Die Zahlen gehen ja gerade rasant in die Höhe und diejenigen, die sich noch nicht haben impfen lassen, kann man doch gar nicht mehr überzeugen.“
Ratlos blickt die junge Frau auf das wuchtige Zelt vor ihr. Sie glaubt auch, dass eine Impfpflicht helfen könne, „allerdings beschränkt auf die Pflege- und Gesundheitsberufe.“ Angst vor möglichen Nebenwirkungen ihrer anstehenden Auffrischungsimpfung habe sie nicht, schließlich seien diese „erwiesenermaßen marginal“. Es dauert nicht lange, dann darf auch sie hinein.
Impfen ohne Termin mitten in Duisburg – „eine geile Aktion“
In deutschen Corona-Hotspots mit einer Sieben-Tage-Inzidenz über 1000 hatten Landesregierungen, wie zum Beispiel in zehn Landkreisen in Ostbayern, einen Lockdown verhängt. Ginge es nach Johannes Schmid aus Neudorf, so müsste es bis Weihnachten überall einen solchen Lockdown geben, um die ansteigenden Infizierten- und Todeszahlen zu stoppen. „Diese 2G- und 3G-Regelungen bringen doch nichts“, meint der 52-Jährige, man hätte „von vornherein auf die Experten hören sollen“, ist er sich sicher.
Eine Impfpflicht sei seiner Meinung nach längst überfällig, schließlich „wäre man dann im Sommer schon längst durch mit den Impfungen gewesen“ und das Virus längst unter Kontrolle. Für Schmid handelt es sich bei der Impfaktion am Hauptbahnhof um „eine geile Aktion“, so unkompliziert und schnell müsse man auch anderswo an die Sache herangehen. Auch andere Wartende, die namentlich nicht genannt werden wollen, sind durch Freunde, Bekannte oder die Zeitung auf das Impfangebot ohne Terminvereinbarung aufmerksam geworden.
Sie eint nicht nur ihre Bereitschaft zu einer Auffrischungsimpfung, sondern auch ihre Skepsis beim Blick auf die aktuellen Zahlen und die verordneten Corona-Maßnahmen von Bundes- und Landesregierung. Kaum einer rechnet mit der Einsicht von noch Ungeimpften oder einer Verbesserung der Lage bis Weihnachten. Heute wollen sie das Ihre dazu beitragen, damit sich ihre Befürchtungen nicht erfüllen, so der Tenor.
>>DEUTLICHMEHR BOOSTER- ALS ERSTIMPFUNGEN
- Die Zahl der in Duisburg pro Woche registrierten Erstimpfungen hat sich bislang kaum verändert: In der 41. Kalenderwoche (11. bis 17. Oktober) waren es demnach 1528, in den Wochen darauf 1629, 1228, 1250, 1176 und jüngst 1600 (15. bis 21. November).
- Eine deutliche Zunahme dokumentiert die Statistik dagegen für die Auffrischungsimpfungen in Duisburg: Vom 11. bis 17. Oktober waren es nur 1108, in den Wochen darauf 1683, 2467, 3492, 5187 und zuletzt sogar 11.561 Booster-Impfungen.