Dortmund. 4000 Euro fürs Silvester-Feuerwerk? Bei Scheidings Lagerverkauf in Dortmund gibt‘s die irrsten Geschichten – auch von Taxis voll mit Böllern.

„Die sind komplett irre.“ Christoph Scheiding hebt die Hände zum Kopf und strahlt übers ganze Gesicht. „Die Verrücktesten sammeln sogar die Verpackungen!“ Wenn er über seinen Feuerwerksverkauf redet, gerät der Dortmunder ins Schwärmen. Rund 14 Tonnen Böller gehen in den Tagen vor Silvester über den Ladentisch bei „Scheidings Lagerverkauf“. Raketen, Böller, Batterien – die teuerste kostet 399 Euro. Die meiste Ware wird in Dortmund verkauft, der Rest in den Filialen in Gelsenkirchen und Recklinghausen. Los geht‘s jedes Jahr am 28. Dezember um 0 Uhr.

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Die Böller-Aktion ist weit über die Region hinaus bekannt. Die Fan-Base in Deutschland sei riesig, sagt Firmenchef Scheiding: „Das ist eine große Feuerwerks-Familie. Die kommen von überall und stellen sich stundenlang in die Schlange, sogar im Regen. Einige campen sogar hier, um die ersten in der Schlange zu sein. Das sind Jedes Jahr dieselben Leute. Die kriegen von uns Pizza.“ Scheiding ist sichtlich beeindruckt von der Leidenschaft seiner Kunden. „Wie ihre Augen glänzen, wenn sie die Batterie in der Hand haben, die sie unbedingt wollten – das ist so schön zu sehen!“

4000 Euro für Feuerwerk: „Der größte Moment des Jahres“

Hunderte Euro geben die Kundinnen und Kunden für ihr Feuerwerk aus. Alles Profi-Ware, sagt Scheiding. Manchmal lassen die Kunden sogar Tausende da, sagt er: „Einmal kam jemand aus Fröndenberg, der so viel gekauft hat, dass nicht alles ins Auto passte. Der hat sich dann drei Taxis dazu bestellt. Und letztes Jahr war ein Vater mit seinen erwachsenen Söhnen da und hat irgendwas zwischen 3000 und 4000 Euro dagelassen.“

So viel Geld für ein paar Minuten Spaß? Ist das nicht überzogen? „Wer bin ich, dass ist den Leuten reinrede? Ich will darüber nicht urteilen“, sagt Scheidings Vertriebschef Ralf Brenken. Und Christoph Scheiding stimmt ihm zu: „Für einige Leute ist das ihr Moment, der größte Moment des Jahres. Darauf haben sie monatelang gewartet, vielleicht auch, um ein beschissenes Jahr versöhnlich zu beenden.“

Scheidings Lagerverkauf in Dortmund: „13. Monat“ mit Feuerwerk

Sogar einen Sicherheitsdienst hat Scheiding für den Feuerwerksverkauf verpflichtet. „Freiwillig, das ist keine Auflage“, sagt er. „Das machen wir, um unsere Leute zu schützen.“ Schlimmes passiert sei zwar noch nie, aber das Potenzial für Aggressionen ist da: langes Warten, Gedränge – und nur begrenzter Einlass in die Verkaufshallen. Da kann schon mal eine Sicherung durchbrennen. „Außerdem muss die Security aufpassen, dass keiner besoffen ist oder sich eine Kippe ansteckt.“ Denn das ist (verständlich bei so viel Sprengmasse) ein absolutes No-Go.

Ganz uneigennützig organisiert Christoph Scheiding den Feuerwerksverkauf natürlich nicht. „Die vier Tage sind umsatzmäßig unser 13. Monat“, sagt er. „Wenn das Jahr nicht gut lief, können wir damit noch viel rausholen.“ Denn auch Scheidings Kerngeschäft mit Restposten aus Lebensmittel-Überproduktionen, Fehlbestellungen, Rückläufern oder Chargen mit kurzer MHD hat seine Ups und Downs.

50 Euro im Monat sparen für ein „schönes Feuerwerk“

Nicht, dass dem Scheiding-Team die Leidenschaft fürs Böllern fehlt. Ganz sicher nicht. „Ich decke mich auch immer ein“, sagt Ralf Brenken. Seine Nachbarn in Hohenbuschei können an Silvester kaum erwarten, dass er kurz nach Mitternacht anfängt. „Dann stehen alle auf der Straße und mir gucken zu. Parallel böllert niemand – erst wenn ich fertig bin“, sagt er stolz. Seinem Kollegen Kerim Akar geht‘s genauso. Er habe sich inzwischen mit seiner Freundin und ihren Eltern zusammengetan, erklärt er: „Jeder legt im Monat 50 Euro zur Seite. So sparen wir uns ein schönes Feuerwerk zusammen.“

Weil sie selbst gern böllern, wissen Christoph Scheiding, Ralf Brenken, Kerim Akar und die anderen aus dem Team ganz genau worauf es beim Silvesterfeuerwerk ankommt. Was gut aussieht. Was Spaß macht. Und was sein Geld wert ist. „Am 2. Januar fangen wir mit der Planung an“, erklärt Brenken. Auf der Spielwarenmesse in Nürnberg Ende Januar gehen die ersten Bestellungen raus – im Mai sind 85 Prozent der Einkäufe erledigt. Was geliefert wird, kommt in einen sprengsicheren Bunker bei Hamburg.

Hersteller und Bezugsquellen gebe es viele, sagt Brenken. „Wir müssen uns breit aufstellen, weil gerade aus China nicht immer alles geliefert wird.“ Aber Scheiding habe sich in der Szene einen Namen gemacht. Ein Hersteller zum Beispiel habe nur einen Direktverkauf für Profis, „aber an uns verkaufen sie trotzdem“, sagt Brenken stolz.

Leidenschaft für Feuerwerk: Keine Zeit für den Hochzeitstag

Wie viel Leidenschaft hinter dem Feuerwerksverkauf steht, sieht man an den Arbeitszeiten des Teams. Kurz bevor es losgeht, werde jede erlaubte Stunde ausgereizt, sagt Brenken. Und Christoph Scheiding mag seine Arbeitsstunden gar nicht zählen. Er arbeitet auch mal eine Nacht durch. Seinen Hochzeitstag am 22. Dezember konnte er schon lange nicht mehr gebührend feiern – und den Geburtstag seiner Frau am 27. Dezember erst recht nicht. Aber das gehe schon klar für sie. „Es ist verrückt, wie viele Stunden wir hier abreißen“, sagt er. „Und danach sehen wir auch so aus.“