Dortmund. Im Dortmunder Pfandhaus „Schumachers“ ist am Jahresende besonders viel los. Wer dort Wertsachen abgibt, was die häufigsten und die überraschendsten Gründe sind.
In den Schaufenstern funkeln Gold und Silber, innen im Laden ticken Dutzende schicke Armbanduhren in der Theke. Doch über diesen Verkaufstresen geht die Ware nicht nur raus, sondern kommt auch rein. Denn Schumachers ist kein Juwelier, sondern ein Pfandhaus – und für so manchen die letzte Rettung am Monatsende.
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Es ist viel los an diesem Tag im Advent, die Mitarbeiter haben alle Hände voll zu tun. Vor Weihnachten sei das üblich. „Eigentlich schon im ganzen letzten Quartal“, sagt Anika Schumachers. Sie muss es wissen. Seit 1873 betreibt ihre Familie das Unternehmen, es ist das älteste private Pfandleihhaus Deutschlands. Elf Filialen gibt es insgesamt, die Dortmunder befindet sich seit über 30 Jahren mitten in der City an der Reinoldistraße. „Beste Lage“, sagt die Inhaberin. Ihr ist das wichtig. Sie will weg vom Klischee. Kein Hinterhof-Laden, sondern ein modernes Geschäft. Seriös, transparent.
Kunden kommen auch aus umliegenden Städten nach Dortmund
Die Kunden bringen einen kleinen Silberring oder eine dicke Rolex. „Pfandkunden kann man nicht in eine Schublade stecken“, so die 42-Jährige. Viele Geschäftsleute seien dabei, die kurzfristig einen finanziellen Engpass überbrücken müssen. So auch der Lüner, der diesmal gekommen ist, um eine schwere Goldkette samt Ring wieder auszulösen. „Ich brauchte das Geld für etwas anderes“, sagt er. Ein Kredit sei machbar, aber viel zu kompliziert. „Der Schmuck liegt sonst ja nur rum, da kann ich ihn auch nutzen.“
Manche kommen vielleicht nur einmal im Leben, andere immer wieder. „Es gibt die, bei denen ist am Ende vom Geld immer noch zu viel Monat übrig“, zitiert Schumachers eine alte Pfandleiher-Weisheit. Nicht immer sind es die mit dem kleinen Einkommen. „Wenn man mehr ausgibt, als man hat, ist es egal, ob man vorher viel oder wenig auf dem Konto hatte.“ Mit einem Pfandkredit lässt sich die leere Kasse rasch auffüllen. Praktisch ohne Limit: Auf über 110.000 Euro belief sich der höchste Pfandschein, den die Inhaberin ausgestellt hat. Für drei Uhren.
Notebooks, Spielekonsolen, Kameras und Handys stapeln sich in den Regalen
Das Geld gibt‘s direkt. Ohne Schufa, ohne Prüfung. Der Personalausweis reicht – und ein Wertgegenstand, versteht sich. Das muss kein Schmuck sein, auch wenn der fast 90 Prozent bei Schumachers ausmacht. Beliehen wird aber auch Elektronik. Notebooks, Spielekonsolen, Kameras und Handys stapeln sich in den Regalen, aber auch teure Werkzeuge. „Es kommen Handwerker, die Ausstände haben, aber Gehälter bezahlen müssen“, weiß die Chefin. In der Pandemie sei das ganz schlimm gewesen.
Die Coronazeit ist vorbei. Die Nöte der Menschen nicht. Gestiegene Preise machen vielen zu schaffen. „Wir hören Geschichten von Menschen, die kommen, weil sie zu Weihnachten ihren Kühlschrank füllen wollen, weil sie Windeln brauchen, ihren Job verloren haben“, so die Chefin. Alte, die mit ihrer Rente nicht über die Runden kommen. „Da fließen oft Tränen, das ist schon hart.“ Gefragt wird nicht nach den Gründen. „Aber wir haben immer ein offenes Ohr für die Kunden.“ Und die reden sich oft gern den Kummer von der Seele.
Junge Generation legt weniger zurück
So wie die über 80-jährige Seniorin, die ihren gesamten Schmuck zu Schumachers gebracht hat. „Sie wollte das Geld ausgeben, damit die Enkelin nichts davon erbt.“ In diesem Fall wurde das Gold nicht beliehen, sondern direkt verkauft – was immer häufiger vorkommt. „Das ist eine Generationenfrage“, vermutet die Chefin. Die jungen Leute wollten nichts mehr für schlechte Zeiten zurücklegen. „Die wollen jetzt leben.“ So wandert Omas alter Schmuck gerne mal für den nächsten Urlaub über die Theke – Malle statt Medaillon.
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Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander. Bei Schumachers wird das spürbar. „Vor Weihnachten steigt nicht nur die Zahl der Beleihungen, sondern auch unser Verkauf deutlich an“, sagt Anika Schumachers. Der Schmuck, der angekauft wird, landet gereinigt und poliert im Online-Shop und den Vitrinen. Fast 17.000 Stücke werden im Netz angeboten. „Wir sind bundesweit einer der größten Shops für gebrauchten Schmuck“, so die Chefin stolz. Mit einem breiten Sortiment. „Wir haben alles aus den letzten 150 Jahren, vom Art-Déco-Ring bis zur aktuellen Kollektion.“
Gebrauchter Schmuck zu günstigen Preisen
„Hier findet man immer was“, sagt auch das Ehepaar aus Oelde, das an diesem Abend extra nach Dortmund gekommen ist, um sich ein paar Ketten in der Filiale anzuschauen. Mehrfach haben die beiden schon bei Schumachers gekauft. Günstig sei das, „50 bis 70 Prozent günstiger als beim Juwelier“, so der Oelder. „Das kann man ja gut vergleichen.“ Seine Frau ergänzt lächelnd: „Da kann man sich öfter mal mehr leisten.“
Oder sein Geld gut anlegen. Denn der Goldpreis steigt und steigt. „So extrem gab es das noch nie“, sagt Anika Schumachers. „Was Sie Anfang des Jahres gekauft haben, hat jetzt schon ordentlich an Wert gewonnen.“ Die Expertin empfiehlt daher, sich in diesen Zeiten lieber nicht von Omas Schmuck zu trennen. „Denn ich bin sicher: Der Goldpreis wird weiter steigen.“
Das kostet ein Pfandkredit
Die Frist für eine Beleihung beträgt drei Monate, sie kann aber bei Schumachers jederzeit gegen Zahlung der bisher aufgelaufenen Gebühren verlängert werden. Einen Monat nach Ablauf der Frist darf das Pfandhaus den Gegenstand „einer Verwertung zuführen“. Das heißt, der Gegenstand wird dann in der Regel versteigert. Erzielt dabei das Pfandobjekt mehr Erlös als zuvor geschätzt, dann steht dieser Mehrerlös dem ursprünglichen Eigentümer zu.
Zinsen und Gebühren sind in der Pfandleiherverordnung gesetzlich festgeschrieben: Neben einem Zinssatz von einem Prozent monatlich ist eine Gebühr für die Schätzung, Lagerung und Versicherung der Pfandgegenstände fällig. Danach fallen bei einer Pfandsumme von 100 Euro 2,50 Euro Gebühren an. Bei 200 Euro 4,50 Euro und bei 300 Euro 6,50 Euro. Möchte ein Kunde sein Pfand im Wert von 300 Euro nach drei Monaten auslösen, dann muss er dafür inklusive Zinsen 328,50 Euro zahlen. Die Gebühren für Beträge über 300 Euro sind nicht mehr gesetzlich geregelt, sondern können mit dem Leihhaus frei verhandelt werden.
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