Dortmund. Kurz vor dem 40 Geburtstag steht es schlecht um Dortmunds ältesten Bioladen: Das Kornhaus im Kreuzviertel kippelt. Eine Änderung gibt's bald.
Weniger Personal? Niedrigere Löhne? Konventioneller Strom oder Abstriche bei der Qualität? Das kommt Esther Brohl (34) und Stefan Schlepütz (59) nicht in die Tüte. Die Geschäftsführenden des Kornhauses wollen Dortmunds ältesten Bioladen auf anderem Wege retten. Aber wie?
Das Kornhaus stecke (wie die gesamte Biobranche) tief in der Krise, erzählen die Beiden. Dabei sah Anfang 2022 noch alles super aus: Der Schock nach der Eröffnung des großen Konkurrenten Denn's Bio nebenan war überwunden – und aus der Corona-Zeit war das Kornhaus gestärkt hervorgegangen. Stefan Schlepütz hatte sich mit Esther Brohl eine Co-Geschäftführerin an die Seite geholt, um die Übergabe des beliebten Bioladens an die jüngere Generation vorzubereiten.
Bis 2022 war alles gut – trotz Denn's und Corona
Aber dann kam die Ukraine – und mit der Inflation blieb die Kundschaft weg. "Wo sind die Kunden hin?", fragt sich Schlepütz. Zu Denn's eher nicht, meint er. Zu Edeka? Zu Rewe? Zu den Discountern? Schließlich wachse das Bio-Angebot dort massiv, wenn auch zu Lasten von Nachhaltigkeit und Qualität.
"Kunden, die nur auf den Preis achten, bekommen wir nicht zurück", ist sich Schlepütz sicher. Zwar sei in der Inflation der Preis-Unterschied kleiner geworden, weil Bio nicht so massiv angezogen habe wie konventionelle Produkte. Aber Nachhaltigkeit hat natürlich ihren Preis. Dass der kleine Bioladen grundsätzlich teurer sei als Bio im normalen Supermarkt – das stimme allerdings nicht: "Bei Obst und Gemüse sind wir oft billiger, auch weil wir regional kaufen", erklärt der Senior-Chef. "Wir kaufen unfassbare 30 Prozent im Umkreis von 75 Kilometern ein."
Das Kreuzviertel als Dorf – das Kornhaus als Dorfladen
Ein Lichtblick für die Beiden: Im Kreuzviertel sei die Kundschaft treuer als anderswo. "Viele kleine Läden halten sich hier noch", meint Esther Brohl. "Das Kreuzviertel ist wie ein Dorf in der Großstadt, und wir sind der Dorfladen. Wir wissen, wie es unseren Kunden geht." Die Nähe und familiäre Atmosphäre sei aber nur ein Grund, das Kornhaus und seine Ideale zu unterstützen, sagt sie – und zählt auf:
- radikal regionale und saisonale Produkte
- Tariflöhne, damit sich auch die Mitarbeitenden Bio leisten können
- klimaneutrales Unternnehmen
- keine Lebensmittelverschwendung dank enger Bestellungen
- inhabergeführt – für mehr Diversität im Viertel
- unterstützt viele Kleinunternehmen und soziale/ökologische Projekte
- viel Mehrweg, plastikfrei, unverpackt
- integrativ – bietet Menschen Ausbildung oder Praktikum, die anderswo keine Chance hätten...
...und wenn man Esther Brohl ließe, würden ihr noch Dutzende Gründe mehr einfallen, mit denen ihr traditionsreicher Bioladen punktet. Aber ohne Kundschaft geht es halt nicht. "Am Strom können wir nicht mehr sparen, das machen wir aus Überzeugung sowieso schon", sagt sie. Und Personal abzubauen sei das letzte aller Mittel. "Wir kämpfen und tun alles dafür, unseren Standard zu halten."
Sommerferien: Kornhaus kürzt die Öffnungszeiten
Eine Stellschraube, die das Kornhaus-Team jetzt testet: In den Sommerferien werden die Öffnungszeiten gekürzt. Statt von 8 bis 20 Uhr ist der Laden nur von 9 bis 18 Uhr geöffnet (samstags 8 bis 16 Uhr) – also 17 Stunden weniger in der Woche. Je nach Reaktion der Kundschaft bleibe es vielleicht auch nach den Ferien dabei.
Und eines ist sicher: Esther Brohl und Stefan Schlepütz tun alles für ihr Kornhaus – und hoffen auf weitere 40 Jahre Bioladen mitten im Dortmunder Kreuzviertel.