Dortmund.. Nach dem massiven Gewaltausbruch rechtsradikaler Schläger am 1. Mai 2009 in Dortmund stehen die mutmaßlichen Rädelsführer vor Gericht. Sie sollen den Mob angestachelt haben, wehrlose Demonstranten auf einer DGB-Kundgebung anzugreifen - unter anderem auch Familien mit Kindern.

Der 1. Mai 2009, ein Tag, der die Dortmunder erschütterte. An diesem bilderbuchschönem Frühlingstag erlebte die Stadt einen Ausbruch rechter Gewalt, wie es sie in dieser Dimension zuvor nicht gab. Rund 400 Neonazis stürmten marodierend durch die City, einige von ihnen überfielen die friedliche Maikundgebung des DGB, darunter Familien mit Kindern. Fast drei Jahre später müssen sich jetzt die beiden mutmaßlichen Rädelsführer aus der rechten Szene vor Gericht verantworten.

Die Staatsanwaltschaft wirft Alexander D. (28) und Dennis G. (26) Landfriedensbruch und Verstoß gegen das Versammlungsgesetz vor. Was sie ihnen jedoch nicht anlastet: an dem feigen Überfall auf den DGB-Zug unmittelbar beteiligt gewesen zu sein. Völlig überrumpelte und überforderte Polizisten, die damals rein routinemäßig die DGB-Kundgebung im Straßenverkehr begleiteten, hatten sich bei dem Angriff schützend vor die Teilnehmer der Kundgebung gestellt – bekleidet mit kurzärmeligen Hemden, ohne Helm und dicke Westen.

Erschreckend eloquent

Fünf Beamte wurden verletzt, konnten durch ihren mutigen Einsatz aber Schlimmeres verhindern. „Die Gewaltbereitschaft war erschreckend, so etwas habe ich in 22 Dienstjahren noch nicht erlebt“ sagte ein Polizist als Zeuge.

Auch, wenn der eigentliche Überfall nicht in der Anklage steht: Dass die Gewalt so eskalierte, dass die 400 Neonazis überhaupt an jenem Tag, an dem sie gar nicht hätten demonstrieren dürfen, Steine werfend, grölend und Angst verbreitend durch die Stadt zogen, lastet die Staatsanwaltschaft den beiden Angeklagten an. Die präsentierten sich als reinste Musterknaben, wobei besonders Dennis G. geradezu erschreckend eloquent wirkte.

Und der kindlich wirkende Alexander D.? „Ich habe nur versucht, auf beruhigende Art und Weise Einfluss zu nehmen.“ Wo er doch angeblich „schlimmeres verhinderte“, als er seinen Mitstreitern zugebrüllt haben will: „Mensch, hört auf, da sind auch Kinder bei.“ Das war der Moment, als sich die Meute der Kundgebung vor dem Opernhaus näherte. Nie im Leben habe er „motivierend und anstachelnd“, wie es heißt, mit den Armen gerudert und so das Kommando gegeben, plötzlich vom Bahnhof in die Stadt zu stürmen.

Mit Fahne um Nachhut gekümmert

Während er an der Spitze der Meute das Heft in der Hand gehabt haben soll, sieht die Anklage in Dennis G. denjenigen, der sich bei dem Sturm durch die Stadt um die „Nachhut“ kümmerte. Seine drei Meter lange Fahne schwenkend, habe er den fußlahmen Nachzüglern den Weg gewiesen und sich „aktiv mit Gewalttätern organisiert“. Der szenebekannte Anmelder früherer Demonstrationen wählt seine Worte auf der Anklagebank mit Bedacht: „Direkte Straftaten habe ich in dem Moment noch nicht gesehen. Und die Fahne, die hat mir ein weinendes Mädchen unterwegs in die Hand gedrückt.“

Um die Fahne „nicht zu entehren,“, habe er sie hoch genommen und nicht auf den Boden gelegt. „Später sah ich dann den ersten Stein fliegen. Das war der Moment, wo für mich klar war: Das reicht, da will ich nicht mitmachen.“ So die Aussage des mutmaßlichen Rädelsführers, der im Gegensatz zu dem Mitangeklagten damals nicht in der Gewahrsamszelle landete.

Beide beteuern einmütig, sich am Morgen des 1. Mai nur deshalb mit anderen Neonazis am Hauptbahnhof getroffen zu haben, weil man von hier aus weiter zu einer rechten Veranstaltung nach Siegen reisen wollte. Davon war auch die Polizei ausgegangen, die mit etwa 40 Rechten auf dem Bahnhofsvorplatz rechnete.

„Das war wie Krieg“

Als es hieß, es werde noch ein Bus von Sympathisanten aus Thüringen erwartet, ahnte die Polizei nichts Guts. „Ich sagte denen, sie sollten sich jetzt mal in den Zug setzen, da wurde ich nur höhnisch ausgelacht“, erinnerte sich ein Polizist. Damals forderte er hektisch Unterstützung an. „Mir schoss dass auch der DGB-Zug durch den Kopf.“

Und dann ging alles ganz schnell: „Die Busse kamen an, im gleichen Moment rannte die Masse vom Bahnhofsvorplatz plötzlich los.“ Sekunden später wurde ein Banner geschwenkt, gab es einen ohrenbetäubenden Knall. „Die Pyrotechnik war heftig, das war mehr als ein Silvesterböller.“

Was sich in den nächsten Minuten abspielte, „das war wie Krieg“, so hatte ein Beamter des Staatsschutzes in einem anderem Verfahren um die Mai-Randale gesagt. Ein Steinewerfer wurde bereits zu einem Jahr Haft verurteilt, andere bekamen Bewährungsstrafen. Was die beiden mutmaßlichen Rädelsführer betrifft, ist frühestens mit einem Urteil Ende Juni zu rechnen.