Dortmund.. Beim Titelgewinn 2011 rasierte Felipe Santana Borussia Dortmunds Feier-Meister Kevin Großkreutz derart unansehnlich, dass wir für diesen Samstag BVB-Stamm-Friseur Carsten Schmidt um Hilfe baten. Wir verpassten Großkreutz elf Haarschnitte seiner Mannschaftskollegen. Eine haarige Angelegenheit.
Abgesehen von der Champions League, waren die Auftritte der jungen Himmelsstürmer von Borussia Dortmund in den zurückliegenden Monaten überwiegend meisterlich. Sportlich wie optisch. Große Ausnahme: Die Meister-Frisur von Kevin Großkreutz, die ihm Mannschaftskollege Felipe Santana am 30. April 2011 nach dem entscheidenden Heimspielsieg gegen Nürnberg verpasste. Erfolgs-Trainer Jürgen Klopp sah bei Großkreutz vor einem Jahr gar „Ähnlichkeit mit einem Außerirdischen“.
BVB-Stamm-Friseur Carsten Schmidt sah die Verunstaltung nach der Meisterkür live im Stadion und erklärte sich diese neue sowie glücklicherweise schnell vorübergehende Vo-ku-hi-la-Version als „irgendwas zwischen jugendlichem Wahnsinn und aus der Euphorie heraus entstanden“.
Damit Ur-Borusse Großkreutz bei einem möglichen neuen Meister-Haarschnitt an diesem Samstag nicht wieder daneben liegt, konfrontierten wir den Frisur-Fachmann mit Fotomontagen, auf denen Großkreutz das Haar wie elf seiner Mannschaftskollegen trägt. Eher so lang wie Subotic? Oder gar dunkel wie Hummels oder Kagawa? Nee, das hellere Blond von Klopp oder die kürzere Variante von Sven Bender „stehen ihm am besten“, so die Empfehlung von Schmidt, quasi von Meister zu Meister.
Jeden x-beliebigen Figaro lassen die Fußballer natürlich nicht an ihre Federn, wie Carsten Schmidt die Haare auch nennt. In der Kabine spielt nun mal auch die Frisur eine gewichtige Rolle, sodass ortskundige BVB-Profis den Neuzugängen Schmidts Studio in Kirchhörde ans Herz legen, selbst Ehrgeizlinge wie die damaligen Torwart-Konkurrenten Jens Lehmann und Roman Weidenfeller taten dies.
Mit Finks Föhn-Frisur fing alles an
Schmidts erster Borussen-Kunde war Thorsten Fink, der heutige Trainer des Hamburger SV. „So eine Fönfrisur wie seine damals gibt es heute eigentlich gar nicht mehr“, sagt Schmidt lächelnd beim Blick auf Finks alte Autogrammkarte. Randnotiz: Der gebürtige Dortmunder wechselte 1994 von Wattenscheid nach Karlsruhe, dort berichtete er seinem damaligen Mannschaftskameraden Sergej Kirjakow von Schmidts Schnittkünsten, sodass der dann wiederum die Anfahrt von satten 350 Kilometern für einen Haarschnitt in Dortmund in Kauf nahm.
Kürzer war bzw. ist der Weg für andere Kunden. Ob früher Chapuisat, Sammer, Heinrich, Doll sowie aktuell noch Wörns, Ricken, Rauball oder Co-Trainer Zeljko Buvac bis hin zu den heutigen Meisterspielern Hummels, Subotic, Schmelzer, Barrios („anfangs immer mit Dolmetscher“) und Gündogan – bei Schmidt müssen sich auch Fußballstars Termine geben lassen. In Ausnahmefällen erhalten sie aber auch zu später Stunde noch Einlass. So schaute in dieser Woche Kapitän Sebastian Kehl nach Dienstschluss vorbei, um nun nach dem letzten Heimspiel gegen Freiburg perfekt frisiert die Schale empfangen zu können. „In der Regel tauchen die Profis alle zwei bis vier Wochen bei mir auf, manche kommen auch aus Aberglaube zu bestimmten Zeitpunkten.“
BVBCarsten Schmidts Meinung zählt
Im Vergleich zu den Allüren früherer Profis sei diese Generation „pflegeleichter“. Obwohl: „Die wissen heute genau, was sie wollen. Auf meine Meinung legen sie aber schon Wert.“ Im Gegenzug würden die Spieler dem 44-Jährigen schon mal dieses oder jenes anvertrauen. „Diesbezüglich halte ich aber die Klappe“, sagt er wenig geschäftsschädigend.
Verrät er denn die hervorstechendste Eigenschaft seiner BVB-Klienten? „Eitelkeit, aber das ist ja bei der öffentlichen Präsenz auch nachvollziehbar.“ Besondere Kunden seien die Bender-Zwillinge („Auch Lars kommt seit seinem Wechsel zu Bayer aus Leverkusen zu mir, mittlerweile kann ich sie dank der unterschiedlichen Haarlänge auch auseinanderhalten“) und neuerdings Moritz Leitner, der kürzlich nach einem TV-Auftritt zig Facebook-Anfragen zu seiner Frisur erhielt.
Stil-Ikonen Beckham und Ronaldo
Stil-Ikone in Sachen fescher Fußball-Frisur ist und bleibt für Schmidt David Beckham. Aktueller Trend: der Undercut, die Seiten kurz anrasiert und oben länger. Wünscht sich hingegen jemand einen kleinen Hahnenkamm im Nacken, so führt er dies auf Cristiano Ronaldo zurück. Ohne Gel ginge bei den Profis ohnehin nichts, noch beliebter sei die Forming Creme, der „absolute Hit bei den Pöhlern“, so Schmidt, der selbst mit zwei Spitznamen leben kann und muss: „Federmann“ nennen ihn u.a. BVB-Physiotherapeut Peter Kuhnt und Weidenfeller. Und Dortmunds Promi-Friseur ist er allein deshalb, weil es außer Borussias Stars keine anderen VIPs in der Westfalenmetropole gibt.
Ein heikles Thema kann er jedoch nicht einfach wegrasieren: Zwar gehörten schon früher auswärtige Bundesliga-Profis wie etwa die Bochumer Wosz, Peschel oder Michalke zu Schmidts Stammkunden, aber muss denn gerade ausgerechnet ein Foto des schwarz-gelben Fahnenflüchtigen Christoph Metzelder im aktuellen Schalke-Trikot in seinem Eingangsflur hängen? „Dafür werde ich mitunter böse beschimpft“, erzählt der BVB-Fan mit einem schuldbewussten Grinsen, „immerhin würde ich niemals in der verbotenen Stadt jemandem die Haare schneiden.“ Was sicher ganz im Sinne von Kevin Großkreutz ist.