Dortmund.. Ein spannender Meister-Samstag in Dortmund: Lange stand der BVB vorzeitig als Titelverteidiger da, dann mussten die unzähligen schwarz-gelben Fans doch noch bis zum Abend mit der Party warten. Einige hatten Meistertränen in den Augen. Die Chronolgie der Ereignisse.

Die Chronologie der Ereignisse von Samstag, als der BVB zum achten Mal deutscher Meister wurde und Dortmund in den absoluten Ausnahmezustand versetzt:

14.04 Uhr: Die ersten Fans in schwarzgelber Rundum-Ausstattung ziehen in Richtung Innenstadt. Die Sonne scheint, die Leute sind gut drauf – beste Voraussetzungen für einen spannenden Kampf um die Schale.

15.05 Uhr: Manche scheinen es schon jetzt vor Spannung kaum auszuhalten und stimmen in der Innenstadt vereinzelt erste Hupkonzerte an. Aber so richtig mitmachen will niemand, soll ja auch Pech bringen, sich so früh zu freuen.

15.08 Uhr: Ein Planwagen, vollgepackt mit grölenden Fans, zieht in Richtung Wall. Die letzten hörbaren Reste der feiernden Meute verstummen erst, als der Wagen schon lange nicht mehr zu sehen ist. Einige der singenden Fußballfreunde sind jetzt schon so heiser, dass ihre krächzenden Stimmen bis zum Anpfiff wahrscheinlich komplett den Geist aufgegeben haben werden, aber hey – Meister wird man nur einmal im Jahr.

15.19 Uhr: Der Tag, der die Meisterkürung werden soll, beginnt für Jürgen und seine Kumpels mit Verspätung. Eigentlich wollten sie längst im Strobels sitzen. Doch stattdessen: S 2, Castrop-Rauxel nach Dortmund – „heute ist wie Weihnachten“, frohlockt Jürgen und meint die Vorfreude auf die Bescherung.

15.30 Uhr: Petrus, der liebe Gott, oder wer auch immer heute für das Wetter zuständig ist – er scheint kein BVB-Fan zu sein. Pünktlich zu Beginn des Bayern-Spiels fängt es heftig an zu regnen, die Geschäfte in der Stadt können sich über Hunderte spontane Regenschirmkäufe freuen.

15.31 Uhhr: In einer urigen Eckkneipe mit direktem Blick auf den Borsigplatz hat sich etwa ein Dutzend Fans in standesgemäßer BVB-Vollmontur versammelt.

Mit einer nicht gerade geringen Zahl Zigaretten ist die Qualmdichte in dem Raum auf reguläres Fußballguck-Niveau geschraubt worden, das Bier wartet frisch gezapft auf dem Tresen, der Fernseher läuft. Mögen die Spiele beginnen.

15.38 Uhr: Die S 2 fährt in den Hauptbahnhof ein. „Jürgen, wie steht’s in Bremen?“ – „Sind doch erst vier Minuten gespielt!“ – „Ist doch egal.“ – „0:0 noch.“ – „Reicht doch!“ Die wichtiges Infos an diesem Samstag bedurften nicht vieler Worte.

15.50 Uhr: In der Kneipe ist es unerwartet still. Man gibt sich zwar zuversichtlich, aber zurückhaltend. Scheinbar möchte niemand das Schicksal mit hochmütiger Vorfreude oder allzu siegessicherem Getue herausfordern. So wird heute nur das Nötigste geredet, selbst mit den sonst so eifrig ausgetauschten taktischen Analysen und fachmännisch vorgetragenen Verbesserungsvorschlägen wird heute nur äußerst spärlich umgegangen.

16.04 Uhr: Jürgen und seine Kumpels sind im dichten Gedrängel untergetaucht. Weiter zur U 45. Die Borussen beider Lager mögen sich, sie frotzeln am Gleis gemeinsam und singen lautstark, na klar, gegen Schalke. Alle freuen sich auf den ersten Torjubel – nur Markus nicht. Der hat Jubelverbot. Er hat sich beim 4:4 gegen Stuttgart die Schulter augekugelt. Was es nicht alles gibt...

16.20 Uhr: Halbzeit in Bremen. „Null zu Null“, ruft einer der Fans. „Noch sind ‘wa Meister“. Auch er will das BVB-Glück wohl nicht zu sehr auf die Probe stellen und belässt es bei dieser knappen Zusammenfassung.

16.21 Uhr: Das Strobels platzt aus allen Nähten. 20 Meter lang ist die Schlange davor, in Zehnerreihen. Davor suchen zwei Japaner Karten fürs Meisterstück. Statt Angeboten gibt’s Gesänge: „Wir singen Shinji, Shinji, Shinji Kagawa!“

16.41 Uhr: In der Kneipe am Borsigplatz ist man soeben in einer Diskussionen darüber vertieft, welche Spieler wohl bleiben und welche möglicherweise wechseln („Die wollen jetzt einiges mehr auf’m Gehaltsscheck stehen haben, da kannste von ausgehn“), da heißt es plötzlich: „Tor in Bremen“.

Wie auf Kommando wirbeln alle Köpfe herum und starren gebannt auf den Flachbildschirm. Als die jubelnden Bremer gezeigt werden, gibt es auch am Borsigplatz kein Halten mehr. Die konzentrierte Zurückhaltung schlägt in ausgelassene Feierstimmung über, für kurze Zeit herrscht jetzt auch in Dortmunds Nordstadt ungebremste Meister-Euphorie.

16.42 Uhr: Bremen trifft. Und 60 Borussen sehen es durch den Spalt eines offenen Fensters des Strobels. Zaungast wäre für diese Anhänger eine zu noble Bezeichnung. Euphorie ist unabhängig von Komfort: „Und schon wieder Deutscher Meister, BVB!“

16.48 Uhr: Erste Hupkonzerte am Borsigplatz. „Jetzt geht es los“, freut sich ein Fan in Schwarzgelb. „Ist bestimmt nur ‘ne Hochzeit“ sagt ein anderer, der die Vorfreude noch nicht recht teilen will.

16.50 Uhr: Die immer leerer werdenden Tribünen im Berliner Stadion gezeigt. „Die sind alle schnell ins Auto gestiegen“, mutmaßt ein Fan, „um sich noch eben die zweite Halbzeit im Westfalenstadion anzugucken – damit sie heute wenigsten einmal vernünftigen Fußball sehen“.

17.05 Uhr: Gerade wird darüber gerätselt, wie viele Fans wohl schon im Stadion sind, da heißt es plötzlich wieder: „Toor in Bremen“. Wirbelnde Köpfe, gebannte Blicke. Es steht nur noch eins zu eins, Bremen hat ein Eigentor kassiert. Der bedauernswerte Schütze wird mit nicht gerade freundlichem Vokabular belegt, immerhin hat er soeben Dortmunds Meisterchancen geschmälert. Aber egal, weiter geht’s, ein bisschen Zeit ist ja noch.

17.11 Uhr: Der BVB-Spielbus rollt ins Stadion, vorbei an Hunderten Fans. Ob sie wissen, dass es bei Bayern 1:1 steht?

17.21 Uhr: Plötzlich wieder: „Toor in Bremen“. Wirbelnde Köpfe, gebannte Blicke. Bayern gelingt der Last-Minute-Treffer – 2:1. „Das darf doch alles nicht wahr sein“, ruft ein Fan und schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. Bayern führt. Das Spiel ist fast vorbei, genauso wie der Traum von der vorzeitigen Meisterschaft. „Ach, eigentlich ganz gut so“, sagt ein weiblicher Fan und grinst. „Dann müssen sich die Jungs den Titel wenigstens aus eigener Kraft holen. Das hat doch auch was.“

BVB muss es aus eigener Kraft gegen Gladbach richten

Borussia ist also NOCH nicht Deutscher Meister. „Ist auch besser so“, sagen sie auf dem Stadionvorplatz trotzig, teils sogar erleichtert. Man will sich selbst küren. Nicht küren lassen. Schon gar nicht von den Bayern.

18.26 Uhr: Erste Schnapsleichen torkeln weg vom Stadion. Sie werden die Feierlichkeiten nicht mehr mitbekommen. Aus der Ferne hören sie aus 80.000 Kehlen: „You never walk alone!“

18.56 Uhr: Perisic köpft das 1:0. Im Strobels hören sie das fünf Sekunden schneller als sie es sehen. Diese verflixte Zeitverzögerung bei der Fernsehübertragung.

19.15 Uhr: Alle sind ausgelassen, in Ekstase. Alle? Nein.

Drei Borussen verlassen mit hängenden Köpfen das Stadion, zwangsweise. Die Karten, die sie per Ebay gekauft haben, waren Fälschungen. Sie waren nicht die einzigen. „Das ist seelische Grausamkeit“, seufzt Mareike. Ein Tor gesehen, aber die Meisterkürung verpasst. Das ist mit keinem Geld der Welt wiedergutzumachen.

19.51 Uhr: Zwei Minuten nach dem 2:0 köpft Rüdiger vor dem Stadion die erste Sektflasche, die Ersten haben Meistertränen in den Augen.

20.45 Uhr: Auf dem „Ring“ ertönt ein mehrstimmiges Hupkonzert, vor dem Hauptbahnhof entsteht ein Mini-Korso. Beifahrer klatschen mit wildfremden Menschen am Fahrbahnrand ab. Fremd? Gibt’s nicht mehr! Ab jetzt sind alle Familie. BVB-Familie.

21.55 Uhr: Die ersten Oeventroper BVB-Fans aus dem Stadion kommen in der Halle an – und müssen alles aus erster Hand noch mal berichten. Die Vorstandswahlen nach dem Schlusspfiff waren im Jubel untergegangen. Wiederwahl – das ging am schnellsten. Jetzt wird nur noch gefeiert.

23.30 Uhr: Beim Gartenstadt-Italiener „Piazza Navona“ treffen nach und nach die Spieler mit ihren Frauen ein.  Mit dem Gesang „Bambule, Randale...“ waren Jola Zorc und Ulla Klopp schon vorher durch die Stadion-Katakomben gezogen. Vor dem Lokal harren die Fans im Regen aus. Sebastian Kehl bringt ihnen Bier.

4.30 Uhr: In der Disco „Label Club“  beweisen Shinji Kagawa und Ilkay Gündogan ihre Qualitäten am DJ-Pult. 

6.30 Uhr: Finale: Der Deutsche Meister schließt den Club ab. Schluss mit dem Feiern, aber  nur für heute. Am 5. Mai wird die Schale übergeben, am 13. Mai soll das Double gefeiert werden.