Dortmund.. Hans-Joachim Watzke war ein viel gefragter Mann nach der Titelverteidigung am 32. Spieltag. Der Boss von Borussia Dortmund spricht im Gespräch mit DerWesten über eine erfolgreiche Saison, die Duelle mit dem FC Bayern und das Haar in der Suppe.
Sie haben einen Interview-Marathon hinter sich gebracht. Was war die Hauptaussage Ihrer Antworten?
Hans-Joachim Watzke (BVB-Boss): Was die Mannschaft geleistet hat, kann man mit Worten kaum beschreiben. Wir sind diese Saison ja auch mal ein bisschen durchgeschüttelt worden. Am sechsten Spieltag in Hannover weiß ich heute noch, dass ich 20 Minuten reglos auf der Tribüne gesessen habe. Aber da hat mir keiner gesagt, dass wir kein Spiel mehr verlieren werden – das hätte ich dann auch nicht geglaubt. Außerdem mussten wir das Champions-League-Aus verkraften und kamen trotzdem gestärkt daraus zurück. Das ist auch ein Zeichen dafür, dass dieser großartige Verein in sich total geschlossen ist und das hilft uns auch, kritische Phasen zu überwinden. Toll, was diese Mannschaft geleistet hat, mit Jürgen Klopp und seinem Trainerteam, mit Michael Zorc, der ein elementarer Baustein dieses Erfolges ist: 26 Spiele nicht mehr verlieren, davon 22 sogar zu gewinnen, das ist unglaublich. Die Mannschaft hat unfassbare Dinge geleistet.
Wie ist dieser Titel im Vergleich zur vergangenen Saison einzuordnen?
Watzke: Die Titelverteidigung ist generell schwieriger. Sie wird aber noch mal etwas schwerer, weil Bayern München dieses Jahr auch eine gute Saison spielen. Wenn Borussia Dortmund nicht wiedererstarkt wäre, hätten die heute mit 67 Punkten nach 32 Spieltagen wahrscheinlich schon die Meisterschaft gefeiert. Sich gegen so starke Bayern durchzusetzen, ist noch mal eine Nummer höher anzusiedeln. Wir haben jetzt den zweiten Stern auf dem Trikot, das ist doch eine schöne Sache. Jetzt trinken wir ein bisschen, lassen die Seele baumeln und dann bereiten wir uns auf das dritte Aufeinandertreffen mit den Bayern vor. 103 Jahre ist dieser grandiose Klub, aber er hat noch nie das Double geholt – das haben wir jetzt vor.
Die Art und Weise, wie der BVB den Titel verteidigt hat, ist das ein Fingerzeig für die Zukunft, was Dominanz und Spielkultur in der Bundesliga angeht?
Watzke: In dieser Richtung werden Sie mir nichts entlocken können. Das Spielsystem werden wir nicht mehr lange exklusiv für uns haben. Das ist klar. Nach dem Pokalfinale werden wir uns zu dritt zusammensetzen und die Saison analysieren und dann werden wir irgendwann zur neuen Spielzeit unsere Ableitung daraus verkünden.
Wie hat sich die Mannschaft im Vergleich zur vergangenen Saison verändert?
Watzke: Sie kann mittlerweile eine Balance finden zwischen „kontrollieren“ und „stechen“. Wenn der Gegner den Ball hat, stechen wir ja eigentlich permanent. Aber wenn wir ihn haben, können wir ganz anders agieren, mal das Tempo wechseln, ein paar Ballstafetten einfließen lass und zudem spielen wir technisch auf einem extrem hohen Niveau, das kaum noch zu toppen ist. Da hat sich die Mannschaft definitiv ganz deutlich verbessert.
Beschreiben Sie mal die Konkurrenzsituation mit dem FC Bayern München.
Watzke: Wir haben uns diese Saison bislang zweimal getroffen, beide Duelle haben wir für uns entschieden. Außerdem waren wir in der Liga die beste Mannschaft, das ist gar keine Frage. Bayern München hat hingegen eine überragende Saison in der Königsklasse gespielt. Ich drücke ihnen beide Daumen, dass sie am Mittwoch Real Madrid schlagen. Und dann sehen wir uns zum Showdown beim Pokalfinale in Berlin wieder. Das ist doch großartig für den deutschen Fußball, dass es solche Duelle gibt.
Ihre Saison in der Champions League war allerdings vielleicht der kleine Wehrmutstropfen auf die tolle Saison. Wer sagt denn, dass das kommende Saison anders wird?
Watzke: Ich sage das. Da bin ich absolut sicher. Aber man muss Fairerweise auch sagen, dass der Deutsche im Allgemeinen ja gerne das Haar in der Suppe sucht. Das Haar in der Suppe war für uns dieses Jahr die Champions League. Aber als Bayern München vor 30 oder 40 Jahren ihren Höhenflug begonnen haben, sind sie auch nicht da durchmarschiert und haben alles weggehauen. Für uns war und ist es ein Lernprozess. So wie wir 2008/09 in der Liga gelernt haben, haben wir dieses Jahr in der Champions League gelernt. Das gehört einfach dazu. Übrigens – das muss man mal analytisch betrachten – sind wir durch unsere verlorenen Jahre, in denen wir nur um die Existenz gekämpft haben, immer an Lostopf vier gebunden. Aber egal: Wir werden uns in der kommenden Saison in Europa besser präsentieren.
Für eine Meisterfeier sind sie aber noch ganz schön trocken, Herr Watzke.
Watzke: Ich habe mich mit einem zwei-Meter-aus-dem-Stand-Sprung vor Lukasz Piszczek gerettet, der mich nur am linken Hosenbein erwischt hat. Das war die letzte sportliche Höchstleistung in meiner Karriere. Die Stimmung schäumt jetzt über – weil eine Meisterschaft in Dortmund nie etwas Selbstverständliches sein wird für einen Borussen.