Dortmund.. Autofahrer im Ruhrgebiet sind hart gesotten. Von daher schockt die wegen eines Tagesbruchs vollgesperrte A45 nicht wirklich. Doch nach dem anfänglichen Chaos auf den Ausweichstraßen rund um Dortmund wollten wir wissen, wie sich die Staus auf der B1 und B54 entwickeln. Eine Testfahrt.
Was tut ein Journalist nicht alles für seinen Beruf. Er stellt sich etwa freiwillig in Staus. Diese im Berufsverkehr aktuell zu finden, ist in Anbetracht der weiterhin vollgesperrten A45 rund um Dortmund nicht schwer. Also hinein ins quälend langsame Vergnügen. Bevor das hier aber in ein unsägliches Heldenepos mündet, schnell zu den Fakten.
Donnerstag, 17.05 Uhr, im Auto. Verkehrsnachrichten, der Sprecher trägt alle Staus ab drei Kilometer vor, alle 30 im Feierabendverkehr schafft er nicht. Immerhin, die Sperrung der A3 ist soeben aufgehoben. Auch die vollgesperrte A45 kommt natürlich vor, deren Ausweichstraßen B54 und B1 seien derzeit stark überlastet. Dennoch: Die Testfahrt beginnt um 17.15 Uhr am Indupark in Dortmund-Kley. Das Navi verlangt ein Ziel. Frankfurt-Flughafen klingt verlockend für eine Testfahrt, das verleitet zum Träumen und macht den Dauerregen bei fünf Grad erträglicher. Planmäßige Ankunft dort wäre nach 230 Kilometern um 19.19 Uhr. Klingt in vielerlei Hinsicht optimistisch.
Auf der A40 verlangt die weibliche Navistimme am Kreuz Dortmund-West, rechts auf die A45 abzubiegen. Der Ortskundige weiß, dass diese wegen des Tagesbruchs ab dem Kreuz Dortmund/Witten gesperrt ist. Also geradeaus weiter in Richtung Dortmund-Innenstadt. Zack, kommt der Stau. Nach der Ausfahrt Dorstfeld stehen wegen einer Baustelle auch nur zwei statt wie zuvor drei Fahrstreifen zur Verfügung. Bis Barop bleibt Zeit für das in Kindheitstagen beliebte Ausschauhalten nach Nummernschildern. Die Autos mit DO, UN, EN und HSK sind in der Überzahl, zwischendurch taucht mal „Exotisches“ wie OD, MA oder gar GE auf.
Im Stau an Barop vorbei
Zähflüssig geht es weiter an Barop vorbei über die neue Schnettkerbrücke (wie lange wollen die hier eigentlich noch bauen?), kurz vor der Westfalenhalle läuft es flüssiger. Da bleibt sogar Zeit für einen Blick in den Gegenverkehr. Aus Dortmund hinaus staut es sich ordentlich auf der B1. Kurz vor 17.30 Uhr läuft im Radio Werbung für den Beginn der Bundesligarückrunde an diesem Wochenende. Passt zum Passieren des BVB-Stadions.
Weiter geht’s auf der B54 Richtung Hagen, und zwar flott. 1Live meldet nun 25 Staus ab vier Kilometern Länge, dabei auch wieder der Dauerbrenner A45 mit Vollsperrung und überlasteten Ausweichstraßen. Schnell umschalten auf Do 91.2, vielleicht weiß das Lokalradio mehr. Nö, es sei weiter unklar, wie lange die Vollsperrung noch dauert. Nochmal umschalten auf WDR2, der ebenfalls zähflüssigen Verkehr auf der B1 und B54 meldet, wobei letztere eigentlich frei ist. So muss ein Verkehrsnachrichten-Junkie leben, drei Stauübersichten in fünf Minuten. Blick auf das Navigationsgerät: Ankunft am Airport Frankfurt wäre jetzt um 19.37 Uhr, der Umweg durch die gesperrte A45 kostet also knapp 20 Minuten.
Hupe beim Einfädeln
Im Radio singt Chris Martin von Coldplay „Paradise“. Das könnte am Flughafen warten, liegt aber bestimmt nicht am Kreuz Dortmund-Süd im Nieselregen, wo es sich wegen der gesperrten Auffahrt zur A45 wieder staut. Hier bemüht ein Autofahrer sogar die Hupe, weil sich ein Verkehrsteilnehmer ungeschickt einfädelt. Ob der diesen auch „Verkehrsteilnehmer“ nennt oder doch eher einen Kraftausdruck bemüht?
Weiter Richtung Frankfurt, ein paradiesischer Urlaub könnte dort beginnen. Doch die Testfahrt endet wenige Minuten später vorerst an der Ausfahrt Schwerte-Ergste. Erstes Fazit zu den Auswirkungen der vollgesperrten A45 im abendlichen Berufsverkehr: kein Chaos mehr wie noch am Dienstag unmittelbar nach der Ankündigung von Straßen.NRW, insgesamt aber weiter zähflüssiger Verkehr beim Umfahren mit einer Verzögerung und verlängerter Fahrtzeit von knapp 30 Minuten.
Neues Abenteuer im Feierabendverkehr
Also zurück in den blechigen Wahnsinn. Neues Ziel: Düsseldorf Flughafen. Von Schwerte-Ergste wären es 73 Kilometer, Ankunft nach errechneten 47 Minuten um 18.38 Uhr. Kaum aufgefahren, blinken auf der A45 kurz vor dem Westhofener Kreuz alle roten Rücklichter doppelt auf. Abbremsen, stop and go. Eine digitale Lichtzeichenanlage verkündet die Vollsperrung und leitet „via“ A1 und A2 den Fernverkehr um. „Via“ - wie modern Autobahnsprache geworden ist. Wobei sich oben auf der A1-Brücke ebenfalls zähflüssiger Verkehr abzeichnet.
Unten geht’s zügig auf der A45 weiter, im Radio macht Madonna Mut: „Come on, Vogue“. Die Umleitung führt am Kreuz Dortmund-Süd wieder auf die B54, diesmal stadteinwärts. Bis zur B1 freie Fahrt. Dann wieder Stau auf dem Rheinlanddamm, und zwar heftig. 18 Uhr, Nachrichten im Radio. Erste Meldung: die Korruptionsaffäre um den ehemaligen Wulff-Sprecher. Kann nicht jemand mal den NRW-Verkehrsminister bestechen zwecks 12-spurigen Ausbaus der innerstädtischen B1?
Ausweichstrecken weiter überlastet
In den Verkehrsnachrichten nichts Neues, viel Stau und volle Ausweichstrecken der gesperrten A45. Der WDR2-Moderator bringt indes eine neue Variante ins Spiel: Die B1 und B54 seien „leider“ stark überlastet. Mitleid angenommen. Obendrein singt Bon Jovi „Keep the faith“. Kein Thema, lieber Jon, wir leidgeprüfte Ruhrgebietsautofahrer bewahren natürlich den Glauben!
Erinnerungen an das Stillleben 2010 werden wach, als es vor der Westfalenhalle so ruhig und friedlich war. Jetzt geht es hektischer zu, beim Einfädeln von drei auf zwei Spuren sind in der Blechlawine Abstände knapp bemessen.
Immerhin dann das Ende der zweiten Testfahrt. Ankunft am Flughafen Düsseldorf wäre um 18.52 Uhr, also eine Verzögerung um eine Viertelstunde. Akzeptabel. Immer noch besser als in einem Erdloch auf der A45 zu verschwinden...