Bottrop. Am neuen Boye-Tal zwischen Bottrop und Gladbeck gibt’s auch Kritik. Technische Anlagen müssen aber gesichert sein, so die Emschergenossenschaft.
So richtig warm geworden sind die Anwohner mit der neuen Boye und ihrer Umgebung noch nicht. Seit die neuen hohen Drahtzäune die Wege unmissverständlich begrenzen, fühlen sich viele „wie im Käfig“. Das sagt nicht nur Achim Kubiak. Wenn er mit Hund Kalle die Straße Im Gewerbepark und den alten Fuß- und Radweg überquert, sind sie fast schon am Nebenfluss der Emscher angekommen, der dem Ortsteil seinen Namen gab. „Aber kurz vor dem neuen Regenrückhaltebecken fühlen wir uns wie im Knast, auf beiden Seiten mannshohe Zäune, alles richtig massiv“, sagt der Ur-Boyer. Seit seiner Kindheit war er mit der alten, stinkenden Köttelbecke im Betonbett vertraut. „Früher war hier fast Anarchie, jeder machte, was er wollte, Bottrops wilder Nordosten eben.“
Auf einmal stehen Barbara Vooren-Otzisk und Brigitte Schlechter mit Hunden am Zaun. Auch Tanja Kierschniok ist mit Hund unterwegs. Von den Zäunen halten sie alle nichts. „Viel zu massiv, man fühlt sich richtig eingesperrt“, sagt Tanja Kierschniok. Irgendwie könne man die neu entstehende Natur drumherum gar nicht mehr genießen, man könne ja nirgends mehr rein, egal ob mit oder ohne Hund.
Wenn das Becken vollläuft stinkt’s
Von der Gladbecker Seite nähert sich ein älteres Ehepaar. Dorothea und Johannes Kleimann haben gerade den neuen, naturnah gestalteten Lauf der Boye überquert und stehen nun kopfschüttelnd am Rückhaltebecken. „Sicher, die Umbauidee für das Emschersystem ist toll, aber hier fühlen wir uns wie im Affenkäfig und stinken tut’s trotzdem manchmal, wenn das Becken vollläuft“, sagt Johannes Kleimann. Und fertig sollte alles längst sein.
„Um die Zäune kommen wir leider nicht herum“, sagt Ilias Abawi. Der Sprecher der Emschergenossenschaft, die den Umbau des gesamten Fluss- und Nebenflusssystems verantwortet, erklärt auf Anfrage, warum: „Die Rückhaltebecken, der so genannte Stauraumkanal entlang des Deiches sind technische Anlagen, die dazu bei Starkregen mit Waser gefüllt sind und müssen daher gesichert werden.“ Da könne man in diesem Bereich nichts machen“, so der Sprecher weiter und verweist zugleich auf andere Abschnitte der umgebauten Boyer, an denen man ganz nahe ans Ufer gelangt.
Sensible neue Fauna und Flora muss zunächst geschützt werden
Auf der anderen Seite hofft man seitens der Emschergenossenschaft auch auf Verständnis dafür, dass auch kleinere, weniger massive Zäune die neu entstehende Auenlandschaft schützen sollen. Das neu angelegte Bett für das saubere Wasser müsse sich erst einmal festigen, die Vegetation sich entwickeln. „Wir hoffen, dass sich in einigen Jahren Tier- und Pflanzenarten wieder angesiedelt haben und das ganze Ökosystem sich neu stabilisiert hat“, so Abawi weiter.
Und Gerüche bei gefülltem Rückhaltebecken und voll ausgelastetem Stauraumkanal könnten sich entwickeln, da sich bei Starkniederschlägen Regen- und Abwasser mischten. In den Überlaufanlagen senkten sich dann Schmutzteile ab und würden so gedrosselt durch den Abwasserkanal zur Kläranlage geleitet, während oben das sauberere Wasser über eine so genannte Entlastungsschwelle, die es auch in diesem Bereich der Boye gibt, ins Gewässer und eben nicht in die teure Kläranlage geleitet würde.
Die gesamte Boye bis zur Mündung in die Emscher solle 2022 fertig sein. Bereits in diesem Sommer solle der umgebaute Liesenfeldbach und die zugehörigen Wege auf der anderen Seite der Bahnlinie freigegeben werden.
Das Speichervolumen des Regenrückhaltebeckens beträgt 40.000 Kubikmeter. Für die Anlage wurden 70.000 Kubikmeter Bodenaushub bewegt, so die Emschergenossenschaft. Die Kosten für die Renaturierung der Boye beläuft sich dort auf fünf Millionen Euro.