Bottrop-Kirchhellen. Dass die Corona-Krise so lange andauern würde, hätte Familie Kus vor einem Jahr nicht erwartet. Eltern und Kinder erzählen, wie es ihnen geht.
Ein Jahr ist es her, da erzählte Familie Kus über ihren neuen Alltag in der Corona-Krise. Dass sich die Pandemie so lange hinziehen würde – niemand von ihnen hatte das erwartet. Tochter Amirah (16) beschreibt es aktuell so: „Einerseits fühlt es sich schon an wie zehn Jahre. Andererseits aber auch erst wie ein Monat.“ In dem Jahr sei viel passiert – und gleichzeitig könne man kaum etwas machen.
Bottroper Familie stockt Technik fürs Homeoffice und Homeschooling auf
Fest steht: So gut wie nichts lief wie gewohnt, immer wieder galt es, sich an neue Corona-Begebenheiten anzupassen. Das improvisierte Großraumbüro, in dem die Eltern und die beiden Kinder teils gemeinsam im Homeoffice bzw. Homeschooling arbeiteten, war auf Dauer (und mit steigender Anzahl der Video-Schulstunden) nicht praktikabel. Heute verteilen sich Thomas Kus, der für die Zentrale einer Bekleidungskette arbeitet, Cherima Kus, die online Sprach- und Unikurse gibt, sowie die Gymnasiasten Lennox (10) und Amirah (16) zeitweise über das ganze Haus. Die Technik wurde längst aufgestockt; sowohl was die Leitung angeht als auch die Geräte.
Wie die Situation, in der trotz eingeschränktem Schulbetrieb und Bürotagen vor Ort immer noch sehr viel zu Hause gearbeitet und gelernt wird, an den Nerven zerrt, beschreibt Cherima Kus mit einem Beispiel: Mit ihrem Laptop am Esstisch arbeitend habe sie sich verbeten, dass in der offenen Küche Müsli in Schalen geschüttet wird – „dieses Knistern!“
Die lange Corona-Zeit macht alle dünnhäutiger
Klar wird man dünnhäutiger, aber Familie Kus hat Wege gefunden, damit umzugehen. Und sie weiß zu schätzen, in einem großen Haus mit Garten in Grafenwald zu leben. „Wir haben uns eingegroovt“, bemerkt Thomas Kus, der einige Wochen der Kurzarbeit hinter sich hat, „aber glücklicherweise wurde das Gehalt aufgestockt“.
Amirah sagt, sie sei weniger genervt, seit sie wieder zur Schule geht. Sie arbeitet auf das Abitur 2022 hin und hatte manchmal Zweifel, ob das, was sie zu Hause lernte, ausreicht. Das Homeschooling sei wechselhaft gelaufen, teils sehr gut, teils hätte sie sich anderes gewünscht. Lennox, der im Sommer erst in die fünfte Klasse wechselte, sah sich plötzlich mit Videounterricht konfrontiert. „Das ist manchmal stressig“, findet er – vor allem, wenn die Technik nicht läuft. Grundsätzlich aber begrüßen alle diese Form des Unterrichts. „Wir versuchen immer, den Stundenplan einzuhalten“, sagt Cherima Kus mit Blick aufs Distanzlernen. „Struktur ist nach wie vor das A und O.“ Und kleine Motivationsschubser, gerade für den Jüngsten. Der aber auf der anderen Seite in Sachen Computerarbeit oder Organisation viel dazu gelernt habe.
Es fehlen vor allem die sozialen Kontakte - nicht nur den Kindern
Am meisten fehlen allen soziale Kontakte. Klar wurde und wird per Skype geredet, kamen und kommen teils noch Pfadfinder sowie Musikunterricht per Video ins Haus (für Lennox Schlagzeug-, für Amirah Gesangsstunden). Und der Jüngste darf sich mit zwei festen Freunden auch persönlich verabreden.
Aber Amirahs Theaterspiel bei der „Zweitbesetzung“ zum Beispiel fällt gänzlich flach und fehlt ihr sehr. Quasi aus Langeweile hat sie stattdessen angefangen, auf dem Heimtrainer zu strampeln – „das hätte ich sonst nie so durchgehalten.“ Bewegung muss sein, und so radeln Mutter und Sohn manchmal sogar vor dem Unterricht schon eine Runde an der frischen Luft.
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An Corona erkrankt ist keiner der Vier, auch niemand von den Großeltern. Dennoch hat die Familie einen schmerzlichen Verlust erlitten, als Ende 2020 Cherima Kus’ Vater überraschend starb. Dass sie sich am Krankenhausbett noch von ihm verabschieden konnten, war aufgrund der Corona-Situation alles andere als selbstverständlich. Ein falsch-positiver Schnelltest ihrer Mutter hätte einen allerletzten Besuch beinahe verhindert. Doch das Dorstener Krankenhaus fand eine Lösung: Schutzanzüge. „Ich bin ihnen so dankbar!“