Bottrop. Abiturienten erleben beide Lockdowns in der Oberstufe. Ungewissheit und Selbstzweifel begleiten ihren Bottroper Schulalltag.
Der Corona-Jahrgang macht sein Abitur. In der Jahrgangsstufe Q1 erlebten sie den ersten Lockdown, nun den zweiten in der Stufe Q2, in der die Prüfungen stattfinden. Wenn sie könnten, würden manche Abiturienten in Bottrop dem NRW-Schulministerium kein gutes Zeugnis ausstellen, eher so etwas wie "Versetzung gefährdet".
„Manchmal hatte man den Eindruck, dass die Politiker selbst nicht wissen, was sie veranstalten“, sagt Kea Mara Tönnißen von der Willy-Brandt-Gesamtschule. „Man wundert sich eigentlich über nichts mehr“, meint Fabio Löhder Salgado. In wenigen Wochen stehen für sie und weitere 72 Schüler des Jahrgangs an Bottrops größter Gesamtschule die Prüfungen an. „Das Umfeld wechselt die ganze Zeit“, sagt Robin Nordmann, ebenfalls in der Q2 an der Willy-Brandt-Gesamtschule, über die größte Herausforderung der zurückliegenden Monate.
Chronologie der erschwerten Bedingungen
Eine kurze Chronologie der Corona-Ereignisse aus Sicht der jungen Leute: Erst die Schließung der Schulen im März, dann, nach den Osterferien im April, wieder Präsenzunterricht, und nun in der Q2 nach den Weihnachtsferien erneut Distanzunterricht. Dazwischen kommt es gelegentlich zu Quarantänefällen bei Lehrern und Mitschülern, es gilt die Maskenpflicht, die Abstandspflicht und die Einhaltung des Hygienekonzepts. Kein Wunder, dass der Lernstoff unter diesen Bedingungen in Teilen auf der Strecke bleibt. Schüler Fabio Löhder Salgado meint: „Die Lehrer können gar nicht alles unterrichten, was sie im regulären Unterricht machen würden.“
Alle drei Abiturienten sind der Meinung, dass in einigen Fächern „alles nur grob besprochen wurde“. Die Lehrer würden sich anstrengen, ihr Bestes geben. Aber manchmal verstehe man das einfach zu Hause vor dem Computer nicht. Es fehle die inhaltliche Tiefe. Kea Mara Tönnißen begrüßt deshalb die Entscheidung, dass die Prüfungstermine fürs Abitur nach den Osterferien um ein paar Tage nach hinten verschoben worden sind: „Dann haben wir wenigstens ein bisschen mehr Zeit, um den Stoff nachzuholen.“
Verschiebung der Prüfungstermine hat auch einen Haken
Greta Baum, Stufensprecherin der Q2 am Josef-Albers-Gymnasium, fühlt sich selbst „gut vorbereitet“ für die Prüfungen, weiß aber aus Gesprächen mit Mitschülern, wie oft Ungewissheit mitspielt. Denn die Verschiebung der Prüfungstermine um neun Tage hat einen Haken: „Diese Tage können nicht das aufholen, was in den sieben, acht Monaten nicht vermittelt werden konnte“, sagt sie. Deshalb könne es passieren, dass Abi-Klausuren in wenigen Tagen nacheinander geschrieben werden müssen.
Greta Baum fragt sich: „Wo kommen die neun Tage her? Warum neun Tage?“ Aus ihrer Sicht fehlt dafür seitens des NRW-Schulministeriums eine schlüssige Begründung. Für viele Schüler des Gymnasiums sei kaum verständlich, warum sich die Ministerin Yvonne Gebauer (FDP) gegen die Empfehlungen der Bildungsforscher stellt. In Bezug auf die Verlängerung der Prüfungstermine sagt Greta Baum: „Alles, was man uns Gutes tun möchte, hat bei näherer Betrachtung auch Nachteile.“
Eine strapazierende Debatte
Zentralabitur oder Durchschnittsabitur? Die Diskussionen darüber strapazieren die Nerven der Abiturienten. „Das ist ein zwiespältiges Thema in der Schülerschaft“, berichtet die Q2-Sprecherin am Josef-Albers-Gymnasium. Keiner besitze momentan die Gewissheit, später mit einem Durchschnittsabitur im Studium oder im Beruf keine Nachteile zu erleben. Und niemand möchte, dass das Durchschnittsabitur wie ein Makel an einem haftet. „Man hat immer diese Fragen: Ist das eine besser oder das andere?“, sagt Baum.
Die Lehrer am Gymnasium vermittelten den Abiturienten das sichere Gefühl, dass sie für die Prüfungen gut vorbereitet sind. Trotzdem bleiben unter den Schülern Momente der Selbstzweifel. „Bin ich wirklich so gut vorbereitet, wie die Jahrgänge vor mir“, sagt Baum stellvertretend für ihre Mitschüler.
INFO
„Am Schlimmsten finde ich, dass wir uns nachher nicht von allen verabschieden können“, sagt Kea Mara Tönnißen, Q2-Schülerin an der Willy-Brandt-Gesamtschule.
Der aktuelle Abitur-Jahrgang der Bottroper Gymnasien und Gesamtschulen müssen aller Voraussicht nach auf die traditionellen Veranstaltungen wie Mottowoche und Abiturfeiern verzichten. Ob und wie überhaupt eine Abschlussfeier und Zeugnisvergabe stattfinden kann, ist ebenfalls noch völlig unklar.