Bottrop. Neues aus Bottrops Klangturm Malakoff: Martin von der Heydt spielt zeitgenössische Klaviermusik. Philipp Valenta schafft simultan ein Kunstwerk.

Ein kleines Jubiläum kann die zeitgenössische Musikreihe „Klangturm Malakoff“ feiern. Wenn am Sonntag der Pianist Martin von der Heydt und der Konzeptkünstler Philipp Valenta im alten Zechendenkmal von Prosper II aufeinandertreffen, ist dies bereits das zehnte Konzert, seit Beate Schmalbrock die künstlerische Leitung von Tilmann Röhrig übernommen hat.

Auch jetzt geht es, wie schon bei früheren Programmen, um das Zusammentreffen von Musik und bildender Kunst. Markantester Unterschied: Die Kunst ist nicht fertig oder selbst schon wie die Kompositionen historisch, vielmehr lässt Philipp Valenta seine Arbeit während des Spiels entstehen. Das Publikum wird ebenso wie der Musiker Zeuge eines Schaffensprozesses und kann sich so vor Ort die Frage stellen (und/oder beantworten), ab wann Kunst beginnt, Kunst zu sein aber auch wie die Musik möglicherweise den Entstehungsprozess beeinflusst.

Sein Schwerpunkt am Klavier ist Zeitgenössisches und Experimentelles: Martin von der Heydt ist Solist beim nächsten Konzert der Bottroper Reihe „Klangturm Malakoff“.
Sein Schwerpunkt am Klavier ist Zeitgenössisches und Experimentelles: Martin von der Heydt ist Solist beim nächsten Konzert der Bottroper Reihe „Klangturm Malakoff“. © Unbekannt | Georg Schreiber

Auch Beate Schmalbrock weiß daher noch nicht, wohin Philipp Valentas Reise geht. Dafür hat sie allerdings mit dem bekannten Interpreten zeitgenössischer Klaviermusik ein Werkspektrum vorgelegt, dessen Dreh- und Angelpunkt die beiden einzigen Kompositionen für Solo-Klavier des Franko-Kanadiers Claude Vivier sind, der vor 39 Jahren in seiner Pariser Wohnung wohl von einem Stricher erstochen wurde. So endete ein tragisch ein Leben, das nie geradlinig verlaufen ist. Als Adoptivkind katholisch erzogen, wollte Vivier eigentlich Priester werden, wurde aber aus dem Seminar entlassen, wegen „unreifen Benehmens“, wie man damals seine Homosexualität umschrieb. Späterstudierte er in Montreal Komposition und Klavier, übersiedelte nach Europa, studierte u.a. in Utrecht, später in Köln bei Karlheinz Stockhausen.

In seinen Werken, in denen oft auch die menschliche Stimme, reale oder fiktive Sprachen, eine Rolle spielen, setzt sich Vivier oft auch mit Themen wie Herkunft, Zugehörigkeit aber auch Kunst als heiliger Handlung, dem Freisetzen und Austausch von Kräften auseinander. So scheint sich schon eine Linie zur Arbeit von Philipp Valenta anzudeuten. Viviers Stücke „Pianoforte“ (1975) und „Shiraz“ (1977), die Martin von der Heydt erstmals in Bottrop spielt, entstanden, als die Komponistinnen und Komponisten der übrigen Werke Kinder, maximal Teenager waren. Bis auf Altmeister Iannis Xenakis (1922-2001), der seine Hommage an Maurice Ravel „A R.“ 1987 zum 50. Todestag des französischen Komponisten schrieb.

Die Musikerin Beate Schmalbrock zeichnet zum 10. Mal verantwortlich für die zeitgenössische Musikreihe „Klangturm Malakoff“ in Bottrops altem Zechendenkmal.
Die Musikerin Beate Schmalbrock zeichnet zum 10. Mal verantwortlich für die zeitgenössische Musikreihe „Klangturm Malakoff“ in Bottrops altem Zechendenkmal. © FUNKE Foto Services | Heinrich Jung

Weiter sind so unterschiedliche Stücke zu hören, wie die eher bildhafte Programmmusik „Die Gesänge der Möwe und die Stille der nächtliche Lagune“ der Japanerin Yasuko Yamaguchi, die darin Venedigeindrücke verarbeitet, Sven-Ingo Kochs „Quel portone dimenticato“ (ein Auftrag des SWR) oder „Fenster im Fenster“ von Karin Haußmann. Das Auftragswerk der Kunststiftung NRW wurde 2019 von Martin von der Heydt in einer Essener Kirche uraufgeführt. „Das wird spannend“, sagt Beate Schmalbrock. „Denn auch der Malakoffturm hat eine ähnlich ungewöhnliche Akustik wie eine Kirche.“

Sonntag, 14. November, Malakoffturm, Knappenstraße 32, 46238 Bottrop. 11 Uhr öffentliche Generalprobe, 17 Uhr Konzert. Karten: 02041/70 33 08 oder Tageskasse. Es gilt 3-G.