Gladbeck. "Sing für mich, Tod" hat am Samstag in Zweckel in der Maschinenhalle an der Frentroper Straße Premiere.
„Ich war ungemein fromm, ich hatte Gottvertrauen, ich wollte ein reiner Mensch sein, mich ganz hingeben. Musik, so wurde mir klar, ist für mich ein Weg zur Erlösung.” Dieses Bekenntnis des franko-kanadischen Komponisten Claude Vivier ist prägend für sein Werk - Biographie und musikalische Sprache sind bei ihm nicht voneinder zu trennen! Am heutigen Samstag lädt die Ruhrtriennale unter ihrem gewählten Motto zum „Aufbruch”, um das Werk dieses vielleicht zu Unrecht bislang vergessenen „bedeutendsten Gegenwarts-Komponisten Kanadas” zu entdecken. Die Premierenvrostellung ist bereits ausverkauft.
Vivier wird 1948 in Montreal (Kanada) geboren, wächst als Waise auf, lernt seine Eltern nie kennen. Das eröffnet ihm jedoch ein Universum an wunderlichen Träumen, er erfindet später Phantasiesprachen, die er auch in seine Kompositionen einflicht.
Mit 14 Jahren will er Mönch werden, geht ins Priesterseminar, komponiert seine ersten Orgelwerke, wird dann aber (offenbar wegen seiner zeitlebens offen bekundeten Homosexualität?) „wegen unreifen Verhaltens” aus dem Seminar ausgeschlossen. Die Jahre 1967 bis 1970 verbringt er am Conservatoire de Musique in Montreal, empfindet dies als „meine zweite Geburt”.
1971 geht er dann nach Europa, studiert bei Michael Koenig in Utrecht elektroakustische Musik und bei Karlheinz Stockhausen in Köln Komposition. Eine Reise nach Bali (1976) wird schließlich zu einer weiteren „Erweckung”.
Nun hat er seinen Stil gefunden. Wie einst Paul Gauguin auf Tahiti stößt Vivier auf eine für ihn paradiesich anmutende Welt. Er findet dort, wonach er, der Ausgestoßene, sich wohl zeitlebens gesehnt haben mag. Einfachheit, Liebe und Kindlichkeit. Seine Ermordung in Paris 1983 - kurz vor seinem 35. Geburtstag - bleibt rätselhaft und mysteriös in Leben und Werk verwoben.
Diese Prinzipien spiegeln seine Musik: eine Vorliebe für Monodie, einen einstimmige Melodielinie, die an Gregorianische Choräle erinnert, die dann später der Polyphonie (Vielstimmigkeit) weichen musste. Unüberhörbar auch eine stetige Homophonie, ein Gleichlaut der Stimmen, sowie rhythmische Vertracktheiten. Wann hört man schon einmal einen 59-Sechzehntel-Takt? Vivier verwendet komplexe Akkord- und Obertonstrukturen, die dem Ohr jedoch unmittelbar eingängig bleiben.
Wegen musikalischer Opulenz und „phantastisch-schwüler Effekte” wurde Vivier Nähe zum Kitsch unterstellt. „Vivier hat Bleibendes geschaffen!” Das steht für Dirigent Christoph Poppen fest. Der langjährige Leiter des Münchner Kammerorchesters, seit 2007 Chefdirigent der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken-Kaiserslautern, hat sich ausgiebig mit neuer Musik und Vivier beschäftigt.
Zusammen mit dem vom Land NRW geförderten Kammerorchester–Ensemble „musikFabrik”, der Solistin Melanie Walz und dem Kammerchor der Chorakademie Dortmund werden die Akteure im „Ritual für Claude Vivier” in der Maschinenhalle dessen kompositorischem Ideal nachspüren - der „Verwaltung von Klang und Zeit”.