Dass der Antrag der Grünen für einen Corona-Hilfstopf nicht einmal der Verwaltung als Prüfauftrag erteilt wurde, stößt auf Unverständnis.
Witten, Bochum, Bonn, um nur einige Städte zu nennen, helfen ihrer freien Kunstszene, Vereinen oder privaten Theatern in Zeiten von Corona und Lockdown. Der hiesige Kulturausschuss lehnte einen Antrag der Grünen zur Schaffung eines Solidaritätsfonds für Bottroper Kulturschaffende und -vereine mehrheitlich ab. SPD und CDU überstimmten mit 14 Stimmen die kleineren Parteien (acht Stimmen). Das stößt bei manchen Bürgerinnen und Bürgern, vor allem aber auch bei Menschen aus der Kulturszene und den Betroffenen selbst auf Unverständnis und Enttäuschung, bei anderen auf Kopfschütteln. Zumal es in dem Antrag nicht um neue Schulden im städtischen Etat und dauerhaft neue Leistungen geht, sondern darum, Mittel in Höhe der eingenommenen sogenannten „Corona-Bußgelder“ oder „Knöllchen“ zur Unterstützung in Not geratener Kulturschaffender heranzuziehen.
Museumsdirektor Heinz Liesbrock kommentiert die Ablehnung des Grünen-Vorstoßes kritisch: „Ich wundere mich auch als Bottroper Bürger angesichts dieser Situation, dass seitens der Politik noch nicht einmal der Auftrag zur Prüfung des Antrags an die Kulturverwaltung erfolgt ist. Das wäre doch das Mindeste gewesen.“ Die Kulturpolitik lässt ihre eigene Klientel ins Leere laufen, ist vielfach zu hören.
Desinteresse gegenüber freien Künstlern
Irmelin Sansen, Vorsitzende des Bottroper Künstlerbundes und selbst als Beobachterin in der Ausschusssitzung: „Die Politik demonstrierte da mehrheitlich ein absolutes Desinteresse den freien Künstlern gegenüber. Es wurde nicht einmal ein Impuls gesetzt zu helfen.“ Auch der Vorschlag des Kulturamtes, wie eine Agentur zu agieren und Kulturschaffenden nach der Pandemie Auftrittsmöglichkeiten zu geben, gehe doch an der aktuellen Situation vorbei, die einem Quasi-Berufsverbot gleiche, so Irmelin Sansen. „Wenn Bottrop Besuch bekommt oder jemand eine Rede hält, heißt es an alle gerichtet: ,Macht es uns schön!’ - und jetzt erleben wir so etwas!“
Einer der bekanntesten Bottroper freischaffenden Künstler ist Benjamin Eisenberg. Die Auftritte des Kabarettisten brechen seit einem Jahr nicht nur in seiner Heimatstadt nahezu komplett weg. „Ich finde es unverschämt, diesen Antrag einfach beiseite zu schieben. Jetzt ist doch wirklich nicht die Zeit für parteipolitische Manöver. Als ich das hörte, dachte ich nur: Da lässt die kulturpolitische Mehrheit uns alle gerade auflaufen. Wenn Witten das kann oder es sogar im klammen Oberhausen einen Topf für freie Künstler gibt, die nachweislich durch die Lockdowns in Existenznot geraten sind, warum ist das hier nicht möglich?“ Es müsse ein erneuter Vorstoß in der Sache im Kulturausschuss erfolgen.
Woanders ist Solidarität möglich
Und Kollege Kollege Nito Torres, Schauspieler und Comedian, der vor einiger Zeit mit seiner Familie von Siegburg nach Bottrop gezogen ist: „Wenn freie Künstler derzeit existenziell bedroht sind, ist das nicht selbst verschuldet. Bei so einer Entscheidung der Kulturpolitik fühlt man sich nicht gesehen, geschweige denn mitgenommen oder vertreten.“ Dabei spricht Torres nicht einmal für sich. Als Festangestellter des Oberhausener Ebertbads bekommt er Kurzarbeitsgeld. Zwar seien bei ihm durch den Lockdown 50 Prozent der Einnahmen weggebrochen und er falle wegen der Kurzarbeit durch alle anderen Förder-Raster. „Aber es gibt Kollegen, denen geht es unverschuldet ganz mies, nicht, weil sie nichts können, sondern nicht auftreten dürfen.“ Und von der Argumentation, wie sie in Bottrop zu hören war, dass die hiesige freie Kulturszene nicht mit Bonn zu vergleichen sei und sich das dortige Hilfsmodell nicht anwenden ließe, hält er gar nichts. „Wenn Bottrop schon nicht so viele Künstler oder freie Kultureinrichtungen hat, sollte man die wenigen doch gerade pflegen“, so der Neu-Bottroper.